Tourbuch: A Sky Of Honey (I)

tourbook1-620Von Beate Meiswinkel
Nachdem „The Ninth Wave“ vergleichsweise leicht umgesetzt werden konnte, widmete Kate sich „A Sky of Honey“, was sich als wesentlich schwierigeres Unterfangen entpuppen sollte. Nachdem der „Feinschliff“ von Ninth Wave sie eine ganze Weile aufgehalten hatte, tat sie sich schwer damit, einen Einstieg zu finden: „Es ist ein viel abstrakteres Stück als Ninth Wave. Ich war sehr zufrieden mit den Himmels-Elementen im Hintergrund, doch was würde sich auf der Bühne abspielen? Ich brauchte jede Menge ‚Stille‘ zwischen Böen von Bewegung, die sich allmählich aufbauen, bis im letzten Song Aerial die Hölle losbrechen würde.“ Die Band sollte außerdem stärker mit einbezogen werden. Dank eines weiteren Modells von Dick (Bird) konnte Kate die Idee umsetzen, die Musiker auf der einen Bühnenseite zu platzieren, während auf der anderen die Theaterarbeit stattfand.
„Ursprünglich ging es in Sky of Honey um die Verbindung zwischen Licht und Vogelgesang. Warum ruft das Licht ihren Gesang hervor? Warum bringt es sie zum Verstummen, wenn es erlischt (…)? Es ging außerdem um den Beobachter. Uns, die wir die Natur beobachten. Uns, die wir da sind.“

malerSie beschloss, dass der Maler eine wesentlich bedeutendere Rolle in der Erzählung einnehmen sollte. Er würde in gewissem Sinne verantwortlich für den Himmel und die Ereignisse werden, die auf der Bühne geschehen: „Eine Art von ‚Pan’-Figur. Ich wusste, dass Bertie perfekt für diese Rolle sein würde.“
Eine weitere Idee wurde umgesetzt: eine hölzerne Künstlerpuppe von der Größe eines Kindes sollte über die Bühne wandeln und in die Ereignisse einbezogen werden. Letztendlich sollte diese Puppe jemanden darstellen, der nicht von dem Zauber gefangen genommen wird, der auf der Bühne inszeniert wird: „Sie sollte die Energie eines Tieres besitzen. Wie ein Welpe. Rasch zu ängstigen, leicht erregbar, voller Leben und Instinkt.“
„Wir besitzen ein außergewöhnliches Künstlermodell aus dem 18. Jahrhundert. Es hat eine wirklich außergewöhnliche Energie. Es ist natürlich sehr abgenutzt, doch es hat gegliederte Finger und lediglich einen Holzklotz als Kopf. Mir gefiel die Vorstellung, dass die Holzpuppe keinen Gesichtsausdruck haben würde. Ich finde bei Puppen immer schwierig, dass sich ihre Gesichter nicht verändern, aber das ist auch teilweise der Grund, warum sie so gruselig sein können.“

Problematisch an dem Familienerbstück war, dass es für die meisten Betrachter nicht als Künstlerpuppe erkennbar sein würde. Man brauchte also ein etwas zeitgenössischeres Modell.

Gladsax macht glücklich

aerial01Das bekannte schwedische Möbelhaus ist nicht unbedingt für mich gemacht. Es ist mir zu voll und zu verlockend. Also meide ich es meist und überlasse die Einkäufe dort der besseren Ehehälfte. Wenn ich schon mit muss, dann nur mit klaren Vorgaben: nur zielgenau das kaufen, was man sich online oder im Katalog vorher ausgesucht hat, weder links noch rechts gucken und vor allem möglichst schnell wieder raus. Beim letzten Schnelldurchlauf hat das nicht ganz so funktioniert, weil im linken Augenwinkel plötzlich etwas unerwartetes auftauchte: GLADSAX. Wobei nicht der Name faszinierte, sondern das auf der Verpackung abgebildete Symbol einer Schallplatte. Ein Bilderrahmen passgenau für Vinylschätze! Rappzapp drei davon in den Wagen und nix wie weg…

It’s on the tees, it’s coming…

tee-hol_4Die Karikaturen und Zeichnungen von Ted Pearce sind nicht nur in London ziemlich angesagt…vor allem weil sie auf T-Shirts erscheinen. Alle drei Monate gibt es neue Entwürfe von ihm. In der aktuellen Kollektion hat er Kate auf einem Shirt verewigt. Als DJ hat Pearce angefangen, seine eigenen Flyer zu entwerfen, irgendwann begann er dann seine T-Shirts selbst zu bemalen. Auslöser war damals, dass er unbedingt ein Prince-T-Shirt haben wollte, aber kein schönes fand. Also griff er kurzerhand selbst zum Farbstift. Als immer Freunde bei ihm anfragten, ob sie nicht auch ein von ihm gezeichnet T-Shirt mit Motiven bekannter Musiker oder Filmstars haben könnten, gründete Pearce 2011 sein eigenes Label Ted’s Draws. Die ersten Motive: Prince und Madonna – ausverkauft innerhalb von zwei Wochen. So ist es geblieben: Die T-Shirts werden nur in einer kleinen Stückzahl hergestellt und sind meist schnell vergriffen. An dem Hounds of Love-T-Shirt zu Kate Bush hat er etwas länger gearbeitet. Seit fünf Jahren würde er versuchen, Kate zu zeichnen, verriet er vor neun Monaten dem Blog konbini.com und ging davon aus, dass er wohl noch ein bis zwei Jahre brauchen werde, um das Gesicht richtig zu treffen. Es ging deutlich schneller. Wer eines der Kate-Shirts haben will: es kostet 28 Pfund und ist über seine Webseite hier bestellbar.

Das Song-ABC: The Song Of Solomon

abcBekanntermaßen entstanden viele Songs für das Album „The Red Shoes“ in einer für Kate schmerzlichen Phase. Der Tod ihrer Mutter, die Trennung von Del Palmer, eine generelle Desillusionierung vom künstlerischen sowie privaten Leben erschwerten Schreib- und Produktionsprozess. Einige Songs haben darunter gelitten, bei anderen hat sie es geschafft, Enttäuschung und Schmerz musikalisch zu einem Meisterwerk zu kanalisieren. „The Song Of Solomon“ zählt für mich definitiv zu letzteren. Der sonst so treffsichere Graeme Thomson sieht ihn als „gefährlich nahe an steriler Hintergrundmusik“1, was ich nicht nachvollziehen kann.
Kate ließ sich hier von einer im wahrsten Wortsinn heiligen Quelle inspirieren, vom Hohelied Salomos aus dem Alten Testament. Diese Sammlung von Liebeshymnen in acht Kapiteln feiert die Sexualität in grandiosen Metaphern, sowohl Mann als auch Frau sprechen, allerdings hat die Sphäre der Frau ein großes Übergewicht. Später ist der Aspekt der körperlichen Liebe sowohl im Juden- als auch Christentum umgedeutet worden als die Beziehung der Kirche zu Gott, was in der Aufklärung wieder revidiert wurde. Bei Kate tritt das Sehnsuchtselement in den Vordergrund: „Das Lied eines jeden, der den Pfad des einsamen Herzens geht“. Es ist ein Lied der verzweifelten Suche nach Liebe und der Bereitschaft zu bedingungsloser Hingabe. Man kann über die Direktheit erschrecken: „Don’t want your bullshit, just want your sexuality. “ Im Gegenzug kündigt die Sängerin an, dass sie für den Geliebten die „rose of sharon“ und die „lily of the valleys“ sein wird, Begriffe für die Schönsten unter allen Blumen, und dass sie mit der Macht eines Hurricanes zu ihm kommen wird. Direkt aus dem Bibeltext zitiert Kate aus dem zweiten Gesang die Stelle: „Er erquickt mich mit Äpfeln, denn ich bin krank vor Liebe! Seine Linke liegt unter meinem Kopf, und seine Rechte umfasst mich.“2
Song Of Solomon_0„The Song of Solomon“ ist mit seiner starken, unverblümten Sprache aus weiblicher Sicht eine Fortsetzung des Titelstücks aus „The Sensual World“, aber ihm fehlt die erotische Erfüllung. Man spürt das an der Tonlage: In Molly Blooms Monolog singt Kate mit eher tiefer, entspannter Stimme, hier durchgängig in hohem bis sehr hohem Register – das verzweifelte Drängen kommt dadurch wunderbar zum Ausdruck. Unterstützt wird sie vom Trio Bulgarka. Die in die Schlussstrophe (eine Art nachgelieferte Bridge) eingepassten Harmonien der Bulgarinnen stammen noch aus den Sessions zu „The Sensual World“. Sie verstärken den sehnsuchtsvollen Charakter, gleichzeitig erhält der Song dadurch einen pastoralen Touch. Das passt, denn viele Szenen im Hohelied sind Hirtenszenen. Diese Stelle im „Song Of Solomon“ ist für mich der emotionale Höhepunkt des gesamten Albums „The Red Shoes“. Man findet auch keinen vokal intensiveren Moment auf dem Werk: Hier regieren die Stimmen – die paar Fender Rhodes-, Klavier- und Percussion-Tupfer sind Nebensache, wie eigentlich im ganzen Song. In der einen Halbton nach unten gerückten Version auf „Director’s Cut“ hat Kate den Refrain noch intensiviert: Die Anfangssilben im Chor klingen fast aggressiv. Schön, die Idee, in der Bridge dann die bulgarischen Stimmen etwas freier stehen zu lassen.
Das Hohelied hat viele Musiker in der abendländischen Musikgeschichte inspiriert, von Johann Sebastian Bach bis Ralph Vaughan Williams. Dass sich aber jemand erfolgreich an eine Coverversion von Kates „Song Of Solomon“ wagt, ist kaum vorstellbar – neben einigen misslungenen Vokalversuchen gibt es eine nette aber harmlose Instrumentaladaption von Alphan Music, mit einer Spieluhr im Zentrum.3 Aber auch die wird der Aussage des Originals nicht gerecht. Denn Kates „Song Of Solomon“ ist eines der großartigsten Bekenntnisse zur Liebe, die es in der Popmusikgeschichte gibt.
(Stefan)

1 Grame Thomson: „Under The ivy – The Life & Music Of KAte Bush“, Omnibuss Press 2012, S. 258
2 zitiert nach: http://staff-www.uni-marburg.de/~naeser/hohelied.htm
3 https://www.youtube.com/watch?v=LBPPNtcAHTY

Neuer Tibet-Benefizsampler mit Kate

tibetZum 80. Geburtstag des Dalai Lama am 6. Juli wird ein neuer Benefiz-Sampler erscheinen, zu dem auch Kate einen Song beisteuert – welcher Song das sein wird, ist noch unklar. Die CD „Songs for Tibet II“ schließt an die erste CD von 2008 an, zu der Künstler wie Sting, Alanis Morissette, Moby, Joan Armatrading und Suzanne Vega Songs beigetragen hatten. Produziert hatte die CD Rupert Hine (unter anderem Produzent von Howard Jones, Tina Turner und Chris de Burgh) auf Wunsch des Dalai Lama – rechtzeitig zu den Olympischen Sommerspielen in Peking. Bei der Neuauflage sind Künstler wie Elbow, Sting, Peter Gabriel und Kate Bush mit dabei.Produzent ist erneut Rupert Hine, der bereits 2012 mit den ersten Künstlern gesprochen hat. Wie in 2008 wird es sich bei den Songs vorrangig um neue Mixe bekannter Songs handeln, es sollen aber auch einige neue Stüke auf dem Album zu finden sein. Welchen Beitrag es von Kate geben wird, ist noch unklar. Passen würde der Song „Wild Man“ von ihrem Album „50 Words for Snow“, oder vielleicht „Among Angels“ als Liveaufnahme der Before the Dawn-Konzerte. Die komplette Liste der Songs soll in den nächsten Tagen veröffentlicht werden. Bekannt wurde bisher, dass Peter Gabriel den Song „Signal to noise“ (mit Nusrat Fateh Ali Kahn) beisteuern will. Die Erlöse des Albums sollen Initiativen zugute kommen, die sich für den Erhalt der Kultur Tibets engagieren.

Update: Kate steuert den Song Wild Man bei – leider nicht in einer Remix-Version.
Update II: Der Track wird auf der CD als „Wild Man (with remastered shimmer)“ gelistet.

1978: Kates Shopping-Tour in Köln

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Kate nach der Shopping-Tour im roten Kleid bei ihrem 1. Fernsehauftritt in „Bio’s Bahnhof“ (links; Foto: WDR), rechts ein Ausschnitt aus dem berühmten Red-Dress-Video.

Für Kate-Fans hat die Red-Dress-Version des Klassikers „Wuthering Heights“ so etwas wie Kult-Status. Mit ekstatischen Bewegungen tanzt Kate in ihrem roten Flatterkleid auf einer Wiese vor ein paar Bäumen. Das Video wurde auf die Schnelle abgedreht; es folgte noch eine offizielle White-Dress-Version. Kates elfenhafter und bisweilen seltsamer Tanzstil in diesem Video musste für zahlreiche Parodien herhalten und inspiriert heute noch – zum Beispiel regelmäßig zu Flashmobs, bei denen sich auch schon mal gerne 300 Kate-Lookalikes in wallend-roten Gewändern versammeln und sich ähnlich grotesk zu „Wuthering Heights“ verrenken. Woher das rote Kleid stammt, hat jetzt vor wenigen Tagen der Kölner Stadtanzeiger so nebenbei in einem Artikel enthüllt – aus einer Modeboutique in Köln.

69-400Schon bei ihren ersten TV-Auftritt überhaupt am 9. Februar 1978 in der WDR-Sendung „Bio’s Bahnhof“ trat Kate in dem roten Kleid auf und präsentierte neben dem Song „Kite“ auch „Wuthering Heights“. Wie der Kölner Stadtanzeiger schreibt, hat der WDR mit Beginn der Sendung viele der Künstlerinnen in das Kölner Modegeschäft „Boutique 69“ zum Einkleiden geschickt – von Julia Migenes und Miriam Makeba, Shirley MacLaine oder Hanna Schygulla bis eben zu Kate Bush, die sich dann für das rote Kleid entschieden hat. Der WDR hat bezahlt und die Künstler durften ihre Garderobe behalten. Betrieben wurde der Laden in der Kölner Pfeilstraße von Marjanca Gruhl, die – wie könnte es bei dem Namen „Boutique 69“ anders sein – das Geschäft 1969 eröffnet hatte. Der Laden wurde schnell zu einem Begriff für Mode. „Die Boutique 69 war das bunteste Fenster Kölns. Und das lag fast immer an Kenzo, dem legendären japanischen Designer aus Paris, den die 69 als erste und einzige in Köln führte“, schreibt der Kölner Stadtanzeiger anlässlich der Schließung des Modegeschäftes Mitte Mai dieses Jahres. Die roten Flatterkleider gab es bis zum Schluss in der Kölner Modeboutique, wie ein Blick auf die noch existente Internetseite belegt.

Den kompletten Artikel im Kölner Stadtanzeiger gibt es hier.

Stephen Frears setzt auf RUTH für Kino-Trailer


Am 8. Oktober startet das Biopic „The Program – Um jeden Preis“ in den deutschen Kinos. Der Film von Stephen Frears („The Queen“, „Philomena“) erzählt die Geschichte von Ex-Radprofi Lance Armstrong. Im jetzt veröffentlichten ersten Trailer zum neuen Film kann man ein instrumentales Cover von Kates Hit „Running up that hill“ hören – ein Cover von Placebo. Ob der Song später auch im Film auftaucht, bleibt leider unklar. In den Credits für die Filmmusik wird lediglich Alex Heffes erwähnt, der unter anderem die Filmusik zu „Der letzte König von Schottland“ geschrieben hat. Die Rolle des gedopten Radprofis spielt Ben Foster. Mit dabei ist unter anderem auch Dustin Hoffman.

Houdini – in 3:48 oder auf 352 Seiten

houdini620Die Schlüsselwörter heißen „Rosabel, believe“. So besagt es zumindest die Geschichte, die Kate in ihrem 1982 veröffentlichten Song „Houdini“ vom Album „The Dreaming“ aufgreift. Die Geschichte geht so: Harry Houdini und seine Ehefrau Bess vereinbaren einen Code. Sollte einer von beiden sterben, hätte nur ein „echtes“ Medium von diesem Code wissen und einen Kontakt zu dem Geist des Verstorbenen herstellen können. Auslöser für den Song war offenbar eine Dokumentation über das Leben von Houdini, die im englischen TV ausgestrahlt worden war. Wie sehr Kate die Geschichte fasziniert hat, wird auch im Cover zu „The Dreaming“ deutlich: es zeigt Kate als Bess, wie sie dem Entfesselungskünstler (in diesem Fall Del Palmer) mit einem Kuss den passenden Schlüssel übergibt – „with a kiss, i’d pass the key….“

Was Kate in 3:48 Minuten erzählt, beschreibt Steven Galloway in seinem neu erschienenen Roman „Der Illusionist“ auf 352 Seiten – das Leben von Harry Houdini. Ein lohnenswertes Buch, wenn man die Rezension von Amien Idries liest:

Galloway400Wie erzählt man von Harry Houdini? Angesichts des übervollen Lebens des Magiers, Entfesselungskünstlers und mutmaßlichen Geheimagenten würde eine profane Biografie zur Fesselung des Lesers wohl reichen. Doch Profanes ist nicht die Sache von Steven Galloway. Der Kanadier erzählt in seinem vierten Roman „Der Illusionist“ so vom Urvater der Magier wie es der Meister wohl selbst gemacht hätte. Er baut Falltüren in die Geschichte ein, lässt den Helden verschwinden, führt mit ungeahnten Wendungen in die Irre und lässt das Publikum, das natürlich weiß, dass alles nur Trickserei ist, mit Fragen zurück. Galloway gelingt dies durch einen erzählerischen Trick. Er lässt den zweiten Handlungsstrang von einem Erzähler bestimmen, der als Erzähler eigentlich gänzlich ungeeignet ist. Martin Strauss lebt in der Gegenwart und ist davon überzeugt, Harry Houdini zwei Mal ermordet zu haben. Das Problem: Strauß wird zu Beginn der Erzählung die Diagnose Konfabulismus unterbreitet (im Original heißt der Roman „The Confabulist“). „Sie haben ein seltenes Leiden, dass die Fähigkeit Ihres Gehirns mindert, Erinnerungen zu speichern. Als Reaktion darauf wird Ihr Gehirn sich neue Erinnerungen ausdenken“, eröffnet ihm ein Arzt, der den bezeichnenden Namen Dr. Korsakoff trägt (das Korsakow-Syndrom beschreibt eine Form der Gedächtnisstörung).

Und so blickt der Konfabulist auf sein Leben zurück – oder das was er dafür hält – und schon ist der Leser mittendrin in einer Geschichte voller Zeitsprünge und Verwirrungspotenzial, in der sich die Lebenswege von Houdini und Strauss mehrmals kreuzen. Wohl wissend, dass einiges faul ist an der Geschichte, lässt sich der Leser darauf ein, was zum einen an Galloways Schreibstil liegt, aber vor allem am Leben Houdinis, das einfach ein ziemlich guter Romanstoff ist. Galloway hat sehr gut recherchiert und nur hier und da Houdinis Leben über die verbrieften Fakten hinaus zugespitzt. Der Leser erfährt von den Anfängen in einer armen Familie, dem ersten Treffen mit seiner künftigen Ehefrau Bess, seiner mutmaßlichen Geheimdienstarbeit und immer wieder von den berühmten Zaubertricks und Entfesselungen des in Ungarn geborenen Juden. Immer spektakulärer müssen diese werden, und Galloway zeigt hier, welche Bedeutung Houdinis Vermarktungskünste für seinen Erfolg gehabt haben. Man sieht gewissermaßen einem der ersten Weltstars bei der Entstehung zu.

Besonders interessant ist die Haltung Houdinis zum Spiritismus, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in voller Blüte stand. Bis in höchste Regierungskreise glaubte man an Okkultes und Geisterbeschwörungen. Ausgerechnet der Illusionist Houdini aber kämpft gegen den Magieglauben. Durch sein Fachwissen ist er prädestiniert, Hochstaplern das Handwerk zu legen, was er unter wachsender Gefahr tut. Bis heute wird gemutmaßt, sein früher Tod sei auf ein Komplott von Spiritisten zurückzuführen. Wie gesagt, das Leben von Erik Weisz, so Houdinis bürgerlicher Name, war übervoll. Nicht voll genug für Galloway, der den zweiten Erzählstrang des Romans nutzt, um eine philosophische Ebene einzuziehen. Martin Strauss, der Erzähler mit Erinnerungslücken, sitzt in der Gegenwart vor dem Krankenhaus, blickt auf sein Leben und sinniert über das Menschsein. Was ist wahr, was Illusion? Welche Rolle spielt Erinnerung für das Individuum? Ist sie nicht immer Konstrukt, mit dessen Hilfe sich Menschen eine passende Vergangenheit bauen? Sind wir nicht alle im Prinzip Illusionisten, die mit mehr oder minder guten Taschenspielertricks das wahre Ich zu verschleiern versuchen und hoffen, dass selbiges nie zum Vorschein kommt? Vielleicht nicht einmal vor sich selbst. Steven Galloway: „Der Illusionist“. Luchterhand, 352 Seiten, 19.99 Euro.

(Mit bestem Dank an Amien Idries für die freundliche Unterstützung.)

 

Das Song-ABC: A Coral Room

abcVom ersten Hören an hat mich dieses Lied in seinen leisen Bann gezogen. Es ist ein sehr inniges und zurückhaltendes Stück, intim, voll mit Emotionen der Trauer, bildgewaltig, wunderbar und zerbrechlich. Hier werden Gefühle offengelegt und mit dem Zuhörer geteilt, in jeder Note, in jedem Wort.
„A Coral Room“ ist ein Lied darüber, wie die Zeit alles unter sich begräbt und langsam alles auslöscht. Erinnerungen sind eine versunkene Stadt, sie liegen unter der Oberfläche im Dunkel, sind überwuchert und verborgen, sind immer da. Aber manchmal werden sie sichtbar in diesem Meer des Vergessens und tauchen wieder auf. Wir bewegen uns auf der trügerischen Oberfläche eines Meeres, das alle vergangenen Dinge und Erinnerungen bewahrt und für uns bereithält. Mit diesem Gleichnis und diesen Bildern setzt Kate Bush die Trauer um ihre verstorbene Mutter um.
Das Lied ist durchkomponiert und individell auf die Textzeilen bezogen umgesetzt, das in der Pop-Musik übliche strenge Schema aus Strophe und Refrain gilt hier nicht. Alles ist fein und durchsichtig gearbeitet, innehaltende Pausen, Klavier und Stimme, die sich ergänzen und umschweben.

© Robby Bakker

© Robby Bakker

Zuerst wird die versunkene Stadt geschildert, mit ihren Trümmern und ihren Relikten, in versunkene Netze eingehüllt, wie von Spinnweben überzogen („covered in webs“), mit den vielen Menschen, die hier lebten. Ganz zart, bewegend und zurückhaltend kommt dann der Übergang zur Vergangenheit und zur Erinnerung: „Put your hand over the side of the boat. What do you feel?“. Eine innehaltende Pause, die Hand taucht ein in das Meer des Vergessens und die verstorbene Mutter ist wieder da, die Mutter in der Küche, ihr Krug und ihr kleines Lied über diesen Krug, ihre Stimme. Eine männliche Stimme wiederholt das kleine Lied, wie eine weitere verwehte Stimme aus der Vergangenheit (oder wie ein Echo eines anderen Familienmitglieds?). Mitten in der Erinnerung das wehmütige, verlorene „ho ho ho, hee hee hee“ – hier hört man in jedem Ton die versteckten Tränen. Die Erinnerung („Spider of Time“) kriecht aus einem Krug wie eine kleine Spinne, gut verborgen, immer da, überall kann sie sich verbergen. Sie fängt uns in ihren Netzen. Die zarten Spinnweben über der versunkenen Stadt erklären sich. Aber die Vergangenheit ist vorbei und kann nie mehr wiedererstehen, der Krug fällt und zerbricht. Hier ist der Schmerz in der Stimme und in der Melodie fast körperlich spürbar. Das Unfassbare wird begreiflich.
Im Songtext werden verschiedene Bilder verwendet, um die Erinnerung an die verstorbene Mutter zu visualisieren: die Spinne, die Spinnweben, das Meer, das Boot. Die Symbolik dieser Begriffe ist vielschichtig – siehe dazu (1) und (2) – und erweitert den Inhalt um eine fast schon mythische Dimension. Die Spinne wird oft als Symbol für die große Mutter und als Weberin des Schicksals dargestellt. Inmitten ihres Netzes verkörpert sie das Zentrum der Welt, Alle Menschen sind über ihr Netz als Nabelschnur mit den kosmischen Vorgängen und Gesetzen verknüpft. Das Meer ist in der Psychoanalyse das Symbol des Unbewussten, steht zudem auch für die gütige und strenge Mutter. Das Boot ist u.a. ein Symbol für den schützenden Aspekt der Großen Mutter. Es steht für den Schoß, die Wiege, die schützende Hülle auf dem Meer des Lebens. Bei den alten Norwegern wurden die Toten in einem Boot über das Meer hinaus in den Mutterschoß geschickt, in dem sie dann wiedergeboren werden sollten.
In der Bildsprache von „A Coral Room“ werden all diese Aspekte des Mutter-Seins miteinander verwoben. Die Erinnerung an die Mutter bringt all diese verschiedenen Aspekte zurück. Die gute Mutter, die böse Mutter, die beschützende Mutter, die Göttin – und dazu Bilder der Ewigkeit, des ewigen Lebens.
Das Lied endet mit der Überleitung zur Erinnerung: „Put your hand over the side of the boat. What do you feel?“. Der Akkord verhallt. Die erste CD endet mit dieser Frage an den Zuhörer. Was fühlst Du, wenn du in das Meer der Erinnerung eintauchst? Dazu das Bild im Booklet – Kate und ihr Sohn blicken den Zuhörer (hier den Leser des Textes) direkt an – so als ob man gemeinsam im Meer taucht. Was siehst Du? Musik, Text und Bild sind eine Einheit.
Sehnsucht, Melancholie, Erinnerung – selbst die tonale Gestaltung spiegelt das wieder. Das Lied steht in cis-Moll, der Sehnsuchtstonart der klassischen Musik. Es ist eine warme Tonart voller Schwermut. Sie öffnet in unserem Herzen die verborgenen Quellen der Sehnsucht. Etwas von der leuchtenden Schönheit der parallelen Dur-Tonart E-Dur gießt sich auch über cis-Moll aus, anstatt Sonnenlicht ist es das sanftere Licht des Mondscheins. Cis-Moll ist in höchstem Maße eine romantische Tonart. Nocturnes von Chopin stehen in dieser Tonart, ebenso die Mondscheinsonate von Beethoven (3).
In diesem Lied wird der Zuhörer einbezogen in eine ganz private Welt. So etwas wird sonst nur einem Freund zuteil. Kate legt ihre Seele offen in einer fast erschreckenden Intimität. Sie tut dies für uns, ihre richtigen Zuhörer, ihre Fans. Sie fordert uns auf sich unseren eigenen Erinnerungen zu stellen und diese mit ihr zu teilen. Ich betrachte dies als eine Ehre. „A Coral Room“ ist hohe Kunst.
Eine Frage stellt sich mir und ich habe auf sie keine Antwort. Warum handeln so viele Lieder von Kate Bush vom Tod?
Achim/aHAJ)

(1) Clemens Zerling, Wolfgang Bauer: Lexikon der Tiersymbolik; München 2003; S.291
(2) Ulrike Müller-Kaspar (Hrsg.): Die Welt der Symbole; Wien 2005
(3) Hermann Beckh: Die Sprache der Tonart in der Musik von Bach bis Bruckner; Stuttgart 1999

Tourbuch: Der blinde Mann und das Meer

tourbook1-620Kate Bush (KB): Also ich hätte grundsätzlich gerne eine neue Szene, in der der Schiffskapitän einen Notruf sendet, um darzustellen, warum die Frau im Meer treibt. Etwas Kontext für The Ninth Wave. Es darf nur nicht zu Titanic-mäßig sein.

David Mitchell (DM): In Ordnung. Wie wäre es, wenn sie bei einem Sturm über Bord geht?

KB: Ah, ein Sturm ist nicht gut. Wir haben bereits eine Szene aufgenommen, in der es eine stille Nacht ist und der Mond am Himmel steht…

DM: Dann ist die Frau einfach ausgerutscht und ins Meer gefallen. Plop.

KB: Dann würde sie rufen ‚Hey, Hilfe, ich bin reingefallen, fischt mich wieder raus!’

DM: Aha – aber nicht, wenn sie sich an der Reling bewusstlos geschlagen hätte.

KB: Wenn sie sich bewusstlos geschlagen hätte, wäre die zweite Hälfte von The Hounds of Love nur etwa drei Minuten lang.

DM: Ok, damit hast du Recht. Aber wenn es eine so ruhige Nacht ist, warum sendet der Kapitän dann einen Notruf wegen seines sinkenden Schiffes?

KB: Mmm… was ist mit einem schweren Maschinenversagen? Das wäre sicher eine geeignete Entschuldigung dafür, SOS zu senden.

DM: Ja, das wäre es, doch was für eine Art von schwerem Maschinenversagen würde außerdem dazu führen, dass eine Frau über Bord geht? Außer… außer wenn das Schiff auf einem Riff auf Grund läuft… es rammt Rockall [ein Felsen im Nordatlantik], und der Rumpf bricht? Ich würde nach Hubschraubern schreien, wenn ich dieser Kapitän wäre.

KB: Ein Fels mitten im Atlantik ist mir etwas zu Titanic-mäßig. Übrigens, liegt Rockall nicht sowieso außerhalb der Reichweite für Seenotrettungs-Hubschrauber?

DM: Könnte sein, nehme ich an… von was für einer Art Schiff reden wir? Ein kilometerlanges Container-Schiff aus Shanghai? Eines dieser kleinen Kapselboote, die man für Weltumsegelungen benutzt? Oder so etwas wie die Jacht eines russischen Oligarchen?

KB: Containerschiffe hätten eine Flotte von Rettungsbooten dabei, könnte ich mir vorstellen. Ich sehe die Frau auch nicht als den sportlichen Jachtbesitzerinnen-Typ. Und wie mitfühlend wäre das Publikum, wenn die Jacht eines russischen Oligarchen auf hoher See in Schwierigkeiten geriete?

DM: Das ist ein Gedanke. Was, wenn das ganze Hammersmith zu Jubeln beginnen würde, wenn sie unterginge? Das könnte einen diplomatischen Zwischenfall auslösen! Wie wäre es mit einem Fischtrawler?

KB: Ja-ah.

DM: Du klingst nicht überzeugt.

KB: Was macht eine Frau – die mit einem Schiffsarchitekten verheiratet ist, wie du dich erinnerst – auf einem Fischtrawler, meilenweit entfernt von der Küste?

DM: Vielleicht interessiert sie sich einfach sehr für Fisch?

KB: [Schweigen.]

DM: Okay – also, sie ist eine Meeresbiologin, die… die Planktondichte oder die Tintenfischpopulation untersucht. Der Trawler ist eigentlich ein Forschungsschiff. Und es befindet sich nicht so weit draußen wie Rockall, vielleicht eher bei den Scillies… oder auf halbem Weg zwischen England und Irland.

KB: Meeresbiologin ist nicht schlecht: aber lass uns den Schauplatz unspezifisch halten.

DM: Würde der Kapitän die Koordinaten seines Schiffes nicht durchgeben, nachdem er „Mayday, Mayday, Mayday“ gerufen hat?

KB: Vielleicht versucht er das, aber die Funkverbindung ist gestört, und er sagt: „Hier spricht Kapitän Zischundkrakel von der Rausch-Rausch, Mayday, Mayday, wir sinken sehr schnell bei Längengrad Fauch-Vier-Zisch-Sieben, Breitengrad Eins-Zwei-Schnapp-Knister-und-Knall? Over.“

DM: Das könnte ein wenig oberflächlich wirken, ein bisschen gekünstelt.

KB: Okay… Was wäre dann – was wenn er nicht sehen könnte?

DM: Ein blinder Kapitän, der für ein Forschungsschiff auf hoher See zuständig ist?

KB: [gedämpftes Murmeln] Der Kapitän konnte noch sehen, als das Schiff den Hafen verließ, doch ein unglücklicher Vorfall hat ihn inzwischen seines Augenlichts beraubt – und war der Anlasse für den Notruf.

DM: Guuuut. Etwas wie ein schleimtriefender Tentakel, der aus Sigourney Weavers Brustkorb hervorbricht, vielleicht… nein, nein, nein – wie wäre es damit: im Maschinenraum ist ein Feuer ausgebrochen, und eine Explosion hat dabei die Kabine in die Luft gejagt und ihn dabei geblendet! Wie bei dem Filmvorführer aus Cinema Paradiso. Das ist auch schon fast Homerisch. Hemingway-esque. Der blinde Mann und das Meer.

KB: „alt“!

DM: Oh, ich dachte es sei ziemlich frisch und originell.

KB: Nein, es heißt der „alte“ Mann und das Meer. Aber wenn der Kapitän blind ist, wie kann er dann sein Funkgerät bedienen und den Notruf-Kanal wählen?

DM: Das ist knifflig. Warte – wie wäre es, wenn der Kapitän sehen kann, aber seine Karten alle Feuer gefangen haben? Darum kann er seine Koordinaten nicht durchgeben. Darf ich fragen, was daran so komisch ist?

KB: Nichts. Ich musste nur Niesen. Okay: wir haben also ein Feuer im Maschinenraum, ein anderes im Funkraum, und alle Karten stehen außerdem in Flammen. Nicht unmöglich. Aber wir brauchen noch immer einen Grund, warum die Frau ins Wasser gefallen ist.

DM: Ganz einfach: die Sendeanlage des Schiffs hat geblinkt, und die Frau ist kurz vor der Explosion auf den Antennenmasten hinaufgeklettert. Die Schockwelle hat sie vom Sendemasten geschleudert, sie flog durch die Luft, und Platsch! So. Wir haben ein sinkendes Schiff, eine Frau im Meer, einen verzweifelten Seenotruf, und in all dem Chaos bemerkt niemand überhaupt, dass die Frau vermisst wird. Problem gelöst, oder wie? Hallo? Geht es dir gut?

KB: Ich musste nur nochmal Niesen. Nun gut. Ja. Ich bin froh, dass die Crew eine Frau auf die Antenne hinaufgeschickt hat.

DM: Meeresbiologen sind ein post-feministischer Haufen. Oder sie ist einfach die Geschickteste und hat einen Schraubenzieher.

KB: Wenn ich es mir nochmal überlege, sollte der Kapitän vielleicht ein Amateur-Himmelsforscher sein, der an seinem Funkgerät hängt. Und der den Notruf nur mithört

(übersetzt von Beate Meiswinkel)

Alle Artikel von Beate zum Tourbuch gibt es hier.

Kate in der Box

twwbox620Ich war nie der leidenschaftliche Sammler von Erstpressungen und Promos und Boxen. Aber über manche Stücke freut man sich dann doch. Zum Beispiel die Vinyl-Alben. Die Aerial-LPs sind mir heilig, die alten Alben sowieso. Jörg hat mir vor Jahren mal die Single File Box geschenkt (!), die mir besonders ans Herz gewachsen ist. Neu hinzugekommen ist jetzt die TWW-Box, mit der ich lange gehadert habe. Wegen zwei Extra-CDs gleich die ganze Box kaufen, die zudem in der Regel noch vollkommen überteuert ist? Vor zwei Tagen habe ich sie dann auf Ebay entdeckt zu einem fairen Preis. Also spaßeshalber mal geboten. Das unerwartete Ergebnis kann man im Foto bewundern. Ein netter Verkäufer, der zudem um die Ecke wohnt und früher mal bei Emi gearbeitet hat und der sich trotz Faible für Kate von der Box getrennt hat. Besten Dank!

Der Soundtrack des Lebens in Bildern

peekaboo

Alle Fotos: Robby Bakker

asilWenn Robby Bakker versucht die Musik von Kate zu beschreiben, gerät er geradezu in Verzückung: „Kates Musik klingt für mich wie aus einem Traum, auch aus einer anderen Welt; eine geheimnisvolle, schöne, ätherische Welt, die andere nicht kennen und zu der ich den passenden Schlüssel gefunden habe.“ Robby ist 23, lebt in den Niederlanden und studiert Grafikdesign und beschäftigt sich mit Typografie. „Ich habe irgendwann angefangen, mit Bildern und Texten zu spielen“, erzählt Robby. Das „spielen“ wurde professioneller, Robby begann mit Programmen wie Photoshop und Illustrator zu experimentieren und er testete die vielfältigen Möglichkeiten aus, Bilder mit Zitaten oder Textzeilen zu illustrieren. „Wenn ich Musik von Kate höre, regt das normalerweise die Fantasie in mir an, öffnet Türen und entfernt alle Hindernisse, wenn ich eine mentale Blockade habe“, erklärt Robby.

handsAlso bot es sich für ihn geradezu an, diesen Fantasieschub für ein Kate-Projekt zu nutzen und einzelne Zeilen von Kates Songtexten visuell umzusetzen. „Die Texte von Kate sind so mehrdeutig und eloquent und bestehen aus so vielen unterschiedlichen Schichten, dass die Suche nach einer Illustration oder einem Foto eine sehr komplizierte Sache und ein sehr persönlicher Prozess sein kann, zumal die Texte sehr unterschiedlich interpretiert werden können.“ Also sucht Robby in der Regel nach einem Bild, das den Bildern in seinem Kopf, wenn er die entsprechende Textzeile hört, oder dem Gefühl des Songs am nächsten kommt. Manchmal, wenn die Suche scheitert, spielt er einfach nur mit den unterschiedlichsten Schriftarten und Texten. Kein einfacher Prozess, zumal Robby ein Problem hat: „Die Sache mit Kate Musik ist: jedes Mal, wenn ich sie höre, bin ich bereit, etwas Neues zu entdecken – in den Texten, den musikalischen Arrangements, der Produktion oder in der Instrumentierung. Manchmal ändert das meine Interpretation des Songs. Und einige meiner Bilder, die ich vor einiger Zeit erstellt habe, sehe ich jetzt eher als überholt an“, gesteht er.

growoldDas hält ihn aber nicht davon ab, immer neue kleine Kunstwerke zu schaffen, die man zudem auf Anhieb als seine Werke wiedererkennt. Die Hintergrundbilder, die Robby aussucht, fotografiert er entweder selbst, oder er findet Fotos ohne Copyright im Internet. Bei der Bearbeitung setzt er die unterschiedlichsten Effekte ein, fügt Texturen hinzu, ändert Farben, Kontraste, Sättigung, glättet, schärft, hellt auf, um so das beste Ergebnis zu erzielen. „Meistens erkennt man das Original-Bild nach der Bearbeitung überhaupt nicht wieder“, erzählt Robby. Der schwierigste Teil ist für ihn jedoch das Hinzufügen der Texte. „Auch wenn ich Typographie studiere, funktioniert alles nur über experimentieren, den persönlichen Geschmack und die kreative Stimmung, wenn man dieser Art von Bildern erstellt“, glaubt Robby. Dass er in seine Bilder nicht nur viel Kreativität und Zeit, sondern vor allem auch viel Liebe steckt, muss man nicht extra erwähnen – man sieht es ihnen an.

htbiZum Beispiel bei seinem Bild zum Song „How to be invisible“: „Ich wollte, dass die Schrift gleichsam leicht und einfach, aber auch elegant wirkt. Dennoch sollte sie nicht zu auffällig sein, damit sie zu dem geheimnisvollen Foto und dem hinreißenden Gefühl und dem Rhythmus dieses Songs passt“, erklärt Robby. Wie sehr die Musik von Kate Teil seines Lebens ist, wird auch bei dem nächsten Satz deutlich: „Die Musik von Kate zu hören, ist für mich wie in eine Traumwelt einzutauchen oder ein Märchenbuch zu lesen, und dabei all seine Sorgen zu vergessen.“ Zumal ihn diese Musik schon ein Leben lang begleitet. Auch wenn er erst 23 Jahre alt ist, hatte er ein ähnliches „Erweckungserlebnis“ wie Kate-Fans der ersten Stunde: Im zarten Alter von vier Jahren sah er eine Talent-Show im niederländischen Fernsehen. Er, der lebhafte, aufgeweckte Junge, der normalerweise quer durch die Wohnung rannte, hörte plötzlich den Song „Wuthering Heights“ von einer Teilnehmerin der Show. „Ich kann mich gut erinnern, dass ich mit offenem Mund da stand und vollkommen gebannt und fasziniert zuhörte. Vielleicht mit ein Grund, warum er sich an das Bild zu „Wuthering Heights“ noch nicht herangewagt hat. Dieses Gefühl des Vierjährigen einzufangen, könnte schwierig werden.
Alle Bilder von Robby gibt es hier.

Tourbuch: Brrrrr im Wassertank

bfd2Von Beate Meiswinkel

Die Leinwand ist die Wirklichkeit, die Bühne in Pinewood mit dem 20 Fuß tiefen Innentank ist der – Brrrrrr!

„Brrrrrr, in der Tat. Allein daran zu denken, lässt mich Erschauern. Mit Ideen ist das so eine Sache. Sie mögen sich ja zunächst gut anhören, aber oft sind sie von ihrer tatsächlichen Umsetzung sehr weit entfernt.“
Was als interessante Idee begann, nämlich Filmszenen für „The Ninth Wave“ in einem Wassertank zu filmen, entpuppte sich als langatmige und überaus anstrengende Erfahrung. Diese erinnert bestimmt nicht nur zufällig an die Geschichte des Maler-Models Elizabeth Siddal. Anno 1852 posierte Siddal bewegungslos in einer wassergefüllten Badewanne liegend für das Gemälde „Ophelia“ von John Everett Millais – mit tragischen Folgen für ihre Gesundheit. Und auch Kate sollte sich in ihrem Wassertank eine leichte Unterkühlung einhandeln.

Doch genug der präraffaelitischen Abschweifungen; Kate wollte bei ihren Aufnahmen unbedingt live singen, statt ein Playback zu verwenden, um die Stimmung ihrer Szene möglichst authentisch einfangen zu können: „Doch soweit wir wissen, hat noch niemand live gesungen, während er flach auf dem Rücken liegend in einem Wassertank treibt. Das Sound-Team hat sehr viel herumexperimentiert und Mikrofone in Fischgläser getaucht, von denen einige sofort kaputt gingen. Wenn man einen Mikrofon-Hersteller fragt, ob seine Geräte wasserdicht sind, ist dieser natürlich dazu verpflichtet, nein zu sagen. Tatsächlich sind es ein paar davon trotzdem. (…) Wir benötigten natürlich die bestmögliche Sound-Qualität, da wir eine Hauptstimme aufnehmen wollten.“
Eine echte Herausforderung für das Sound-Team also. Man verwendete ein Galgenmikrofon als back-up, während die beiden Hauptmikrofone als Aufblasventile getarnt in die Schwimmweste eingearbeitet worden waren, die Kate bei den Aufnahmen trug.

„Nach etwa sechs Stunden, in denen ich in einem Tank zusammen mit einem kompletten Taucher-Team herumtrieb, ging eine verängstigte Visagistin, die nicht schwimmen konnte und in nasser Kleidung herum waten musste, auf einmal in unserem 20 Fuß tiefen Wassertank unter. Während sie von einem heldenhaften Taucher und der gesamten Film-Crew gerettet wurde, von denen keiner auch nur nasse Füße bekommen hatte, begann ich, mich ein klein wenig gereizt zu fühlen, und mir war sehr kalt.“
Kates Laune kippte also verständlicherweise, nachdem das Filmteam auch noch nach größeren Wellen verlangte. Diese Wellen würden nicht nur die Live-Stimme übertönen, sondern es würde auch eher wie in einem Badezimmer klingen als nach dem Rauschen des Ozeans. Größere Wellen wurden seitens der Künstlerin also rigoros und in sehr, ahem, blumiger Sprache abgelehnt. Am Abend fühlte Kate sich unwohl, ihre Temperatur stieg an und sie befürchtete, sich eine Lungenentzündung zugezogen zu haben. Am nächsten Morgen lag sie mit Fieber im Bett, konnte die Dreharbeiten nicht fortsetzen und konsultierte schließlich einen Arzt:
„Unser Hausarzt ist ein sehr gebildeter, wortgewandter Mann, dessen Redeweise angemessen ausdruckslos ist:
‚Wo liegt denn das Problem?’
‚Ich war gestern in einem Wassertank und ich habe Fieber.’
‚Und warum waren Sie in einem Wassertank?’ fragte er, ohne auch nur das geringste Zucken einer Augenbraue…“

Zum Glück war es keine Lungenentzündung, und Kate durfte weitermachen, sofern sie nicht länger als höchstens zwei Stunden im Wasser verbringen würde. „Also konnten wir die Dreharbeiten vollenden und die Live-Stimme aufnehmen, doch dies war das erste Mal in all meinen Jahren voller hirnrissiger Ideen, in denen ich tatsächlich meine geistige Gesundheit in Frage stellte. Es war wirklich die anspruchsvollste Performance bisher.“

Alle Artikel von Beate zum Tourbuch gibt es hier.

Gerücht: Kino-Premiere im Oktober?

kino-btd620Das Gerücht, Before the Dawn könnte als Konzertfilm zuerst in die Kinos kommen, hält sich extrem hartnäckig. Zuletzt hatte Ende März jemand behauptet, dass die Firma, die den Konzertfilm produziert, einen „cinema release“ plane. Jetzt wird eine Verbindung zur geplanten Buch-Veröffentlichung von Kates Bruder John Carder Bush hergestellt. Im Oktober soll der Nachfolger von „Cathy“ mit neuen Bildern veröffentlicht werden. Weil schon kurz vor den Konzerten das „Cathy“-Buch neu aufgelegt wurde, könnte John eine ebenfalls im Oktober geplante Film-Premiere nutzen, um erneut mehr Aufmerksamkeit für sein Buch zu erzielen. So zumindest das Gerücht. Was dazu passt: vom 7. bis zum 18. Oktober gibt es in London das BFI Film Festival. Vor 22 Jahren hatte Kates Film „The Line, The Cross & The Curve“ ebenfalls beim BFI Filmfestival in London seine Premiere. Weiteres Argument: Das technische Aufnahmeequipment sei eher für den Einsatz im Kino ausgelegt gewesen, als rein für den Bereich Homeentertainment und Vermarktung des Konzertes auf DVD.

Handsigniertes Kate-Foto in Charity-Auktion

photo620Mindestens 30 handsignierte Fotos berühmter Musiker kommen am 16. Mai in London in der Royal Albert Hall unter den Hammer – für einen guten Zweck. Die Liste der Künstler ist lang: Pink Floyd, The Who, Led Zeppelin, The Police, Noel Gallagher und Oasis, Brian Wilson, Madness, George Martin, Lenny Kravitz, Amy Winehouse, Brian Ferry und und und. Und natürlich auch: ein Bild von Kate Bush, geschossen von Jill Furmanovski, 1978 bei EMI in London, handsigniert von Kate und der der Fotografin. Über theprintbank.com kann man jetzt schon Gebote abgeben, am Tag der Auktion auch online mitsteigern. Der Erlös aus der Auktion fließt unter anderem dem Teenage Cancer Trust und der Tierrechtsorganisation Peta zu.