Leaving My Tracks: Das Tagebuch ihrer Lieder

Vron Ongley mit dem Buchcover der nie erschienenen Biograhpie Leaving My Tracks. Foto: Beate Meiswinkel

Von Beate Meiswinkel
Kate Bush hat schon immer sehr sorgfältig darauf geachtet, nur das zu veröffentlichen, hinter dem sie hundertprozentig steht. Auf diese Weise verblieben etliche Dinge im Ideenstadium oder in der Schreibtischschublade. Dieser Tatsache verdanken wir Werke von außergewöhnlicher Tiefe, voller Kreativität und Originalität. Leider blieb uns dadurch auch vieles versagt. Wir haben uns an lange Pausen zwischen Alben ebenso gewöhnt wie an den beinahe völligen Rückzug der Künstlerin aus der Öffentlichkeit. Eher schmerzlich ist dabei das Wissen um Projekte, die es beinahe in die Veröffentlichung geschafft hätten. So hoffen wir nach wie vor auf das immer unwahrscheinlicher werdende Erscheinen einer Before The Dawn-DVD/Blue Ray, mit der viele von uns fest gerechnet hatten. Zum Greifen nahe, doch unerreichbar bleibt auch ein literarisches Frühwerk mit dem Titel Leaving My Tracks (ca. 1981). Die Produktion seitens des Verlags Sidgwick & Jackson Limited war immerhin schon so weit gediehen, dass Entwürfe eines Schutzumschlags einschließlich Preisangaben, ISBN-Nummern und Klappentexten der Autorin gedruckt wurden. Bei meinem Besuch in England traf ich beim 2024er Katemas-Treffen auf Vron, die Besitzerin eines dieser raren Exemplare. Sie hatte dieses sorgfältig gerahmte Schätzchen mitgebracht, so dass ich Gelegenheit hatte, die Zeilen einer jungen Kate Bush zu lesen, die betonte, ihr allererstes Buch sei weniger als Autobiographie gedacht – ihr ginge es vielmehr um den Austausch mit ihren Fans und LeserInnen:
Ich habe nie zuvor ein Buch geschrieben, denn mein Hauptaugenmerk liegt auf Songtexten. Das eröffnet mir einen Bereich, in dem ich Aspekten meines Lebens eine Stimme verleihen kann, die ich normalerweise nicht niederschreiben würde, ohne dass sie fest von einer Melodie umhüllt wären.

Beim Lesen dieser Klappentexte wird einem wehmütig ums Herz. Sie erinnern an die anfängliche Offenheit und Unbefangenheit einer Künstlerin, die Texte für das KBC Fanclub-Magazin schrieb und Cartoons zeichnete, Interviews in ihrem Elternhaus gab und den Fans häufig persönlich begegnete. Sie besaß ein großes Interesse daran, über ihre Arbeit zu sprechen und wollte auch erfahren, was ihre ZuhörerInnen an ihren Texten und ihrer Musik bewegte. Leaving My Tracks wurde zweifellos in diesem Sinne geschrieben. Kate Bush hatte drei Alben veröffentlicht, die Tour of Life absolviert und sich künstlerisch weiterentwickelt: Mit (…) Never For Ever habe ich angefangen, als Produzentin zu arbeiten und beginne nun, Antworten auf die Frage zu finden, wie man Sound-Gemälde malen kann. Ich wollte schon immer malen können! Diese Bestrebungen brachten uns ihr wahrscheinlich kreativstes und mutigstes Album The Dreaming (1982) und anschließend die erste größere Pause zum Folgealbum. Die bislang überwiegend lobenden, positiven Pressestimmen hatten begonnen, fieser und gemeiner zu werden. Am neuen Album schieden sich die Geister. Und Kate selbst zog sich wieder stärker in ihr Privatleben zurück. Vorüber waren die Zeiten herzerfrischender, ehrlich gemeinter Offenheit. Leaving My Tracks wurde ca. 1983 zurückgezogen. Ich frage mich, wie weit das Manuskript wohl bereits gediehen war.
Mit den auf dem Umschlag angekündigten 144 Seiten und einem quadratischen Format von ca. 30 x 30 cm hätte das Buch vielleicht an ein Fotoalbum erinnern sollen. Sicherlich hätte der große Bruder John den Löwenanteil des Bildmaterials beigesteuert. Von ihm stammen die beiden Covermotive, von dem eines die achtjährige Kate zeigt und das zweifellos aus der „Cathy“-Ära stammt. Dank der Klappentexte können wir davon ausgehen, dass Kate in eigenen Worten ihre Geschichte bis 1980/81 erzählt hätte, gespickt mit Kindheitserinnerungen und persönlichen Anekdoten, Gedanken und Einsichten. Sicher hätte sie über die liebevolle Unterstützung zu Hause geschrieben, über ihre Erfahrungen im Studio und auf der Bühne mit der K.T. Bush Band. Der Titel deutet ferner darauf hin, wie dankbar sie für die Möglichkeit war, ein Leben als erfolgreiche Künstlerin zu führen und dafür, ihre Spuren in der kulturellen Landschaft hinterlassen zu dürfen. In dem Bewusstsein, was sie in nur wenigen Jahren erreicht hatte und der Ahnung, welches Potenzial noch erschlossen werden wollte, nahm sie dieses Leben nicht als Selbstverständlichkeit hin.
Für mich war es faszinierend, wie alles gekommen ist, bis zu diesem Punkt, an dem ich nun dieses Buch schreibe. Ich hinterlasse Spuren meiner selbst – hier ein Video, dort einen Schnappschuss, alte Songs, neue Songs, der verlorene Handschuh, die Adresse auf jemandes Hand, Texte, die vielleicht noch in einem Regal in Frankreich liegen, und selbstverständlich dieses Buch – wie ein Tagebuch meiner Lieder.

Jahrzehnte später kam sie doch noch darauf zurück: Mit How To Be Invisible – Selected Lyrics griff sie den „Spirit“ von Leaving My Tracks in anderer Form wieder auf. Wer aufmerksam die Einführung der Autorin in die zweite Auflage dieses wunderschönen Bändchens aus dem Jahr 2023 liest, findet vieles wieder: das glänzend braune Klavier des Vaters, die musikalischen Einflüsse und Unterstützung der Familie, und wie dank eines mäusezernagten Harmoniums im elterlichen Schuppen und dem späteren Erwerb des berühmten Fairlight Synthesizers die Soundgemälde unserer Klangmalerin entstehen konnten. Man sagt ja, nichts gehe jemals wirklich verloren. Dennoch wäre es wunderbar, ein Exemplar von Leaving My Tracks in Händen zu halten. Oder einer Before the Dawn-DVD. Oder eines ganz neuen Werks… letzteres ist wohl am wahrscheinlichsten.

Klappentext I

LEAVING MY TRACKS   KATE BUSH
I was born in Kent on a Wednesday in 1958. In a house where my mother would ‘Diddly-di-da’ me to sleep with Irish airs and my brothers’ music swirled through the doors to mix with the birds singing in the garden, it was not unusual for me to join in with the shanties I knew or to explore the keyboard as I had seen my father do on his brown shiny piano. The pattern was set at an early age and I was brought up in a secure and loving family. I went to a local (convent) school where I learnt violin and some music theory which were invaluable, and later changed from violin to singing lessons.
Over the years my music became more important to me, I spent more time on my hobby, and with the encouragement and inspiration of my family I began to realize that this was where my heart lay. My brother Jay felt that my songs were getting good, so he contacted an acquaintance, Mr Ricky Hopper, and asked him to come and listen to my songs.
This was the beginning of where I am now. Ricky was in the record business and asked Dave Gilmour, whom he knew, to listen, too. Due to Dave I recorded my first professional tapes at the age of sixteen and was offered a recording contract with EMI. I wanted to leave school and knew the time had come to throw myself into a land of music and dance. I was very moved by Lindsey Kemp’s production of Flowers and impressed with him as a teacher. This inspired me to go on to take mime and dance lessons for two years on a more serious level.
I then became the singer in the K.T. Bush Band, a three piece, and we toured the local and London pubs. The band consisted of three great friends of mine and after only a few months at my new job it was time for my first album to be recorded. It was hard for me to believe, but in 1977 we made The Kick Inside, and in January 1978, with the release of ‘Wuthering Heights’, I became known by many more than I had been before.
Since then my world has become a wonder – a second album, Lionheart, my first tour, travelling, the honour of being welcomed and beckoned and experiencing so many things. With my last piece of plastic, ‘Never For Ever’, I began to produce and at last am starting to find some answers about how to paint sound pictures. I’ve always wanted to be able to paint.

5.95 £ soft
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UK ONLY

Klappentext II

For me, in many ways, my life began just five years ago. I suddenly saw something I wanted badly and felt was real – music, dance and life as an expression of both. It hit me so hard, like a revelation, that I am still reeling and it’s nothing to do with fame, it’s an obsession. It’s been fascinating for me how this has all come about, right up to writing this book. Leaving myself behind in traces – a video here, a snapshot there, old songs, new songs, the lost glove, the address on someone’s hand, lyrics maybe still lying on a shelf in France and, of course, this book like a diary of my tracks. I’ve never written a book before, my endeavours being mainly in lyrics, and this opens an area for me where I can voice sides of my life I would not normally put onto paper without a melody hugging them tight. It is not meant to be an autobiography, although it inevitably will be in so many ways, but more a sharing of my attitudes and emotions loosely based around the theme of writing and recording an album. I’ve written this for both of us to read – you and me – and it will be fascinating to see what we both think about it.
Kate Bush

Klappentext III
PUBLICITY JACKET
144 pages, including 8 pp colour b&w illustrations throughout
5.95 £ (soft) 8.95 £ (hard) 312 x 309mm (board size) 306 x 306mm (trimmed page size)
Jacket design: Bartholomew Wilkins and Partners
Back cover: aged eight
Cover photographs are by John C. Bush and are copyright © by Novercia Ltd.
ISBN: 0-283-98798-7 (hard)
ISBN: 0-283-98799-5 (soft) Sidgwick & Jackson Limited
1 Tavistock Chambers, Bloomsbury Way
London WC1A 2SG                       GO681

Mit herzlichem Dank an Vron Ongley, ohne die dieser Beitrag nicht hätte geschrieben werden können.

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