Tourbuch: Brrrrr im Wassertank

bfd2Von Beate Meiswinkel

Die Leinwand ist die Wirklichkeit, die Bühne in Pinewood mit dem 20 Fuß tiefen Innentank ist der – Brrrrrr!

„Brrrrrr, in der Tat. Allein daran zu denken, lässt mich Erschauern. Mit Ideen ist das so eine Sache. Sie mögen sich ja zunächst gut anhören, aber oft sind sie von ihrer tatsächlichen Umsetzung sehr weit entfernt.“
Was als interessante Idee begann, nämlich Filmszenen für „The Ninth Wave“ in einem Wassertank zu filmen, entpuppte sich als langatmige und überaus anstrengende Erfahrung. Diese erinnert bestimmt nicht nur zufällig an die Geschichte des Maler-Models Elizabeth Siddal. Anno 1852 posierte Siddal bewegungslos in einer wassergefüllten Badewanne liegend für das Gemälde „Ophelia“ von John Everett Millais – mit tragischen Folgen für ihre Gesundheit. Und auch Kate sollte sich in ihrem Wassertank eine leichte Unterkühlung einhandeln.

Doch genug der präraffaelitischen Abschweifungen; Kate wollte bei ihren Aufnahmen unbedingt live singen, statt ein Playback zu verwenden, um die Stimmung ihrer Szene möglichst authentisch einfangen zu können: „Doch soweit wir wissen, hat noch niemand live gesungen, während er flach auf dem Rücken liegend in einem Wassertank treibt. Das Sound-Team hat sehr viel herumexperimentiert und Mikrofone in Fischgläser getaucht, von denen einige sofort kaputt gingen. Wenn man einen Mikrofon-Hersteller fragt, ob seine Geräte wasserdicht sind, ist dieser natürlich dazu verpflichtet, nein zu sagen. Tatsächlich sind es ein paar davon trotzdem. (…) Wir benötigten natürlich die bestmögliche Sound-Qualität, da wir eine Hauptstimme aufnehmen wollten.“
Eine echte Herausforderung für das Sound-Team also. Man verwendete ein Galgenmikrofon als back-up, während die beiden Hauptmikrofone als Aufblasventile getarnt in die Schwimmweste eingearbeitet worden waren, die Kate bei den Aufnahmen trug.

„Nach etwa sechs Stunden, in denen ich in einem Tank zusammen mit einem kompletten Taucher-Team herumtrieb, ging eine verängstigte Visagistin, die nicht schwimmen konnte und in nasser Kleidung herum waten musste, auf einmal in unserem 20 Fuß tiefen Wassertank unter. Während sie von einem heldenhaften Taucher und der gesamten Film-Crew gerettet wurde, von denen keiner auch nur nasse Füße bekommen hatte, begann ich, mich ein klein wenig gereizt zu fühlen, und mir war sehr kalt.“
Kates Laune kippte also verständlicherweise, nachdem das Filmteam auch noch nach größeren Wellen verlangte. Diese Wellen würden nicht nur die Live-Stimme übertönen, sondern es würde auch eher wie in einem Badezimmer klingen als nach dem Rauschen des Ozeans. Größere Wellen wurden seitens der Künstlerin also rigoros und in sehr, ahem, blumiger Sprache abgelehnt. Am Abend fühlte Kate sich unwohl, ihre Temperatur stieg an und sie befürchtete, sich eine Lungenentzündung zugezogen zu haben. Am nächsten Morgen lag sie mit Fieber im Bett, konnte die Dreharbeiten nicht fortsetzen und konsultierte schließlich einen Arzt:
„Unser Hausarzt ist ein sehr gebildeter, wortgewandter Mann, dessen Redeweise angemessen ausdruckslos ist:
‚Wo liegt denn das Problem?’
‚Ich war gestern in einem Wassertank und ich habe Fieber.’
‚Und warum waren Sie in einem Wassertank?’ fragte er, ohne auch nur das geringste Zucken einer Augenbraue…“

Zum Glück war es keine Lungenentzündung, und Kate durfte weitermachen, sofern sie nicht länger als höchstens zwei Stunden im Wasser verbringen würde. „Also konnten wir die Dreharbeiten vollenden und die Live-Stimme aufnehmen, doch dies war das erste Mal in all meinen Jahren voller hirnrissiger Ideen, in denen ich tatsächlich meine geistige Gesundheit in Frage stellte. Es war wirklich die anspruchsvollste Performance bisher.“

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