Kate in Polaroids: November

An Architect’s Dream

Fotografen sind komische Menschen. Nach drei Jahrzehnten des Wartens hocken sie im Hammersmith Apollo, lauschen Kate Bush, und denken dabei über ihre Arbeit nach. So ist es zumindest MIchael beim Set von „A Sky Of Honey“ ergangen, als der Song „An Architect’s Dream“ erklang: „Beim Konzert in 2014 wurde mir an dieser Stelle bewusst, dass ich ebenfalls auf Zufall in der Fotografie baue.“ Das November-Polaroid ist dementsprechend passend ein schönes Beispiel dafür.  Michael hat einen abgelaufenen original Polaroidfilm verwendet, und sich überraschen lassen, welchen Effekt er damit erzielt. Man sieht den Sonnenuntergang, den Himmel, ein nicht definierbares Leuchten, ganz so, als ob sich die restliche Kraft der Sonne in etwas anderem widerspiegelt. Noch verblüffender ist, dass man ähnlich wie Michael beim Konzert den Eindruck hat, eine Bühne zu betrachten, sich vielleicht gerade erst der Vorhang hebt und das Motiv freigibt. Im Songtext von Kate heißt es direkt zu Beginn: „Watching the painter painting / And all the time, the light is changing / And he keeps painting“. Da trifft sich der Fotograf mit dem Maler, der Lichteffekte ganz wesentlich für sein Handwerk nutzt. Dennoch: So ganz kann die Aussage von MIchael, dass er auf den Zufall baut, nicht stimmen. Wer die bisherigen Polaroids betrachtet hat, mekrt sehr schnell, dass er nur wenig dem Zufall überlässt und die Motive wie von einem Maler eher komponiert oder von einem Architekten geplant wirken.

Ein Interview mit dem Fotografen gibt es hier; seine Webseite hier.

Kate im Comic: 50 stilprägende Frauen

„Femme Magnifique“ heißt ein neues Comic-Buch, in dem 50 stilprägende Frauen vorgestellt werden, die Musik, Politik, Kunst und WIssenschaft beeinflusst und verändert haben. Präsentiert werden unter anderem Jane Fonda, Hillary Clinton, Nina Simone, Michelle Obama, Joan of Arc (!), Björk, Peggy Guggenheim, Laurie Anderson – und Kate Bush. Das Projekt wurde über eine kickstarter-Kampagne finanziert, beteiligt haben sich Comic-Zeichner aus der ganzen Welt, von den USA über Kanada, England und Singapur bis hin zu Indien oder Griechenland. Die Kampagne kam so gut an, dass die Macher deutlicher mehr Geld einsammelten und das Angebot ausdehnen konnten – ursprünglich sollten 30 Frauen geehrt werden. Für den dreiseitigen Comic zu Kate waren Gail Simone (für den Text) und Marguerite Sauvage für die Zeichnungen verantwortlich. Sauvage hat für Zeitschriften wie Elle oder Cosmopolitan gearbeitet, Marvel-Comics gezeichnet und für Marken wie Louis Vuitton, Apple oder Citroen gearbeitet. Gail Simone hat gemeinssam mit Sauvage für die „Wonder Woman“-Reihe gezeichnet und ist bekennender Kate-Fan. 2013 ließ Simone die „Red Sonja“-Reihe wieder auferstehen – nach dem Vorbild von Kate im Babooshka-Dress. Im Comic wird die Geschichte von Kate in Kurzform erzählt, dass sie ihre ersten Songs mit 13 geschrieben hat, mit Dave Gilmour einen prominenten Unterstützer hatte, dass sie die erste Frau in England war, die mit einem selbstgeschriebenen Song auf Platz 1 der Charts landete … und und und. Wie man anhand der Zeichnungen sehen kann, gibt es zu den wichtigsten Songs bekannte Motive und selbst Before the dawn ist verewigt. Besonders schön ist das Bekenntnis zum Schluss: „I love Kate Bush for the example she sets. That you can choose the art in your life, and the life of your art. That you can come from anywhere, and still bust clouds.“ Das Buch kostet 45 US-Dollar plus Versand.

2 CDs von Bleedingblackwood zu gewinnen

Wem die im letzten Beitrag vorgestellte CD „Record full of last Songs“ von Timo C. Engel und seinem Projekt Bleedingblackwood gefällt, der kann sie zwar auf bandcamp hören, aber noch viel schöner ist es natürlich, sie auch zu besitzen. Zwei Exemplare hat Timo zur Verlosung hier auf morningfog.de zur Verfügung gestellt, handsigniert natürlich. Wer im Lostopf landen möchte, schickt bitte bis zum 26. Oktober, 24 Uhr, eine Mail an: admin[at]morningfog.de. Unter allen Einsendern werden dann zwei Gewinner ausgelost und benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Glück!

Update: Die Gewinner stehen fest und sind bereits benachrichtigt.

Musik ohne Regeln und ein Hauch von „The Dreaming“

Foto: Orange Ear

Es ist schräg, eigenproduziert, der Titel klingt nach einem Abschied und zu allem Überfluss liegt der Sänger auch noch nackt auf dem Plattencover: „Record full of last Songs“ heißt das Album, das Timo C. Engel unter dem Projektnamen „Bleedingblackwood“ schon 2016 veröffentlicht hat. Zu seligen Forumszeiten noch vor Kates „Aerial“ war Timo als DJ und Sänger unterwegs, arbeitete fürs Radio. „Kate war immer eine riesige Inspiration für mich“, erzählt Timo. „Mit 15 war natürlich in erster Linie die Musik ausschlaggebend und das Coverartwork der Platten. Das sie, ab ‚The Dreaming‘ alles zu Hause im eigenen Studio erarbeitet hat, ist natürlich etwas, was ich erst später zu schätzen wusste. Die Möglichkeit, im eigenen Studio zu arbeiten, herum zu experimentieren, das ist ein Traum, den ja mittlerweile jeder umsetzten kann.“ Genau letzteres hat Timo bei Record full of last Songs“ gemacht und es ist kein Zufall, dass er „The Dreaming“ als Inspirationsquelle nennt. 2006 gab es dann einen Bruch in seinem Leben. „Ich musste raus, brauchte einen Neuanfang. Eigentlich wollte ich auch gar keine Musik mehr machen, aber das ist wie atmen. Man kann mal die Luft anhalten, aber ganz aufhören zu atmen geht ja auch nicht.“ Also hat er wieder angefangen Musik zu machen, als Sänger in Bands, vor allem aber hat er mit Instrumenten herumexperimentiert. 2010 kam dann der endgültige Wechsel: Von Kiel ging‘s nach Berlin. Aber wie macht man Musik und schreibt Songs, wenn „das eigentliche Musikmachen“ gar nicht beherrscht? „Die Songs entstehen unterschiedlich. Ab und zu fange ich einfach an etwas zu summen, nehme das auf, loope das und erarbeite damit einen Song, indem ich da noch mehr Gesangspuren und Variationen darüber singe“, erklärt Timo. Hören kann man das zum Beispiel bei dem Song „Apple Tree Garden“, der noch relativ nah am Demo ist. Wer Timos Stimme hört, wird sich nicht darüber wundern, dass das funktioniert  er setzt sie wie ein Instrument ein und klingt dann bei „Apple Tree Garden“ unerwartet sanft und fast schon nach Bowie. Hinzu kommt aber noch seine ausgesprochene Leidenschaft für Musikinstrumente. Von Freunden hat er sich alte Instrumente schenken lassen und kauft immer wieder neue dazu. Ausgefallen sollten sie sein, also finden sich bei ihm ein altes Spielzeug-Piano, ein Glockenspiel, eine Zither oder ein altes Kuhhorn. Jüngste Neuerwerbung ist eine Ocarina aus Italien. „Das ist eine Tonpfeife, die einen wunderbar warmen, tiefen Klang hat“, erzählt er. Für die Aufnahmen experimentiert er mit den Instrumenten, nimmt Passagen auf, fertigt Loops, überspielt die so lange, bis alles passt. Der Song „I grow a tree“ ist ein schönes Beispiel für diese Vielfalt – da findet sich das Kuhhorn wieder, Glasflaschen, Rasseln mit muschelähnlichen Holzperlen oder aus länglichen, trockenen Bohnen, die Timo aus Afrika mitgebracht hat, ein Bamboophon und vieles mehr. „Ich habe den Großteil des Albums zu Hause in meinem Schlafzimmer unter recht primitiven Bedingungen aufgenommen – oft mit offenem Fenster. Und an manchen Stellen hört man Geräusche von draußen. Ich wohne zwar mitten in Neukölln, aber meine Fenster sind alle zum zweiten Hinterhof raus und wenn man genau hinhört, hört man ab und zu Geräusche vom Hinterhof. Zum Beispiel hat sich ein Krähenschrei in einen Loop bei dem Song ‚You should have known‘ eingeschlichen“, sagt Timo zum Entstehungsprozess seiner Songs. Die sind stellenweise so herrlich schräg, dass die Anklänge an „The Dreaming“ unüberhörbar sind. So kommt beispielsweise beim zweieinhalbminütigen „Last Night Lover“ gefühlt eine Brassband aus New Orleans um die Ecke und spielt den Hochzeitsmarsch für den, von dem nur noch der Geruch in der Bettdecke hängt und längst verschwunden ist. Oder ist es der Trauermarsch des Zurückgebliebenen? Einen Song später ertönt purer Techno-Beat. Bis die Songs soweit waren, war es ein hartes Stück Arbeit. „Irgendwann hatte ich so 25/30 Songideen und ein Freund sagte: Die sind gut. Wie ein vertontes Tagebuch. Mach was damit.‘ Eine andere Freundin sagte mir, du brauchst eine Deadline, sonst werkelst du in zehn Jahren noch daran herum“, erinnert sich Timo. Kurzentschlossen hat er sich die Deadline selbst gesetzt: er tat so, als ob die Songs fertig seien und vereinbarte einen Performance-Abend – einen Monat später. Timo: „Ich wollte alles live machen, also habe ich Freunde gefragt, ob sie das, was ich da eingesungen hatte, nachsingen würden und Lust hätten, in einem Monat aufzutreten.“ Das ist so gut angekommen, dass die gemischte Truppe drei Jahre lang gemeinsam aufgetreten ist. Erst danach ist dann die CD entstanden. Timo: „Der eigentliche Plan war, dass ich alles alleine einspiele und singe. Bei Kate liebe ich, wie sie oft ihre eigenen Backings und Chöre einsingt. Gerade bei solchen Songs wie ‚Mother stands for Comfort‘. Dadurch werden ihre Songs noch mehr ihre eigenen Songs. Aber es war dann einfach zu verlockend Leute zu fragen, die vielleicht noch ein paar Highlights beisteuern.“ Das reicht vom Chor bis zum Theremin, der „singenden Säge“ oder dem besagtem Bambus-Xylophon. „Ich mag es, Dinge zusammen zu bringen, die eigentlich nicht zusammengehören. Da ist dann halt mal ein gesummtes Lied, welches dann plötzlich in einen Trauermarsch, mit Trompeten und Posaunen umschlägt. Ich möchte mich selbst überraschen. Das ist das Schöne am Musikmachen: Es gibt keine Regeln. Du kannst machen, was du willst.“ Und genau das macht er, lässt sich musikalisch auch kaum verorten. Pop? Vielleicht. Experimentell? Bestimmt. „Ich sage ja immer, ich mache Pop. Langsamen, melancholischen Pop. Ich saß letztens mit ein paar Freunden zusammen und irgendwann haben wir unsere Musikrichtung ‚Spooky-Cosy‘ genannt. The Godfathers of Spooky-Cosy.“ Weder gespenstisch noch gemütlich sondern eher energiegeladen und intensiv wird es, wenn Timo in neuer Kombination mit der Cellistin Martina Bertoni auftritt. „Die hatte vorher mit so illustren Leuten wie Blixa Bargeld, Teho Teardo und Alexander Balanescu gearbeitet und war gerade frisch nach Berlin gezogen und hatte praktisch nur ihr Cello dabei. Ich gab ihr meine CD, wir probten einmal und eine Woche später hatten wir unseren ersten Gig. Und seit dem spielen wir zu zweit.“ Auftritte und neue Produktionen füllen ihn im Moment komplett aus. Ein Remix-Album von „Record full of last Songs“ ist in Planung, er schreibt Songs für ein neues Album, plant Videos. Bleiben noch zwei Fragen. Für jemanden, der einen Neuanfang wagt, klingt „Record full of last Songs“ doch eher nach einem Abschied. „Der Name der Platte kam daher, dass ich bei jedem neuen Demo  immer dachte: Das wird der letzte Song, auf der Platte. Das kann nur der letzte Song, auf dem Album werden!“, erzählt Timo.  Und sich nackt auf dem Cover räkeln? Auch das hat eine eigene Geschichte. Ein Freund in Oslo wollte ihn unbedingt malen. Nach mehreren Anläufen war Timo schließlich einverstanden. Als es später dann um die Frage ging, wie denn das Cover aussehen könnte, sagte der Freund nur: Du hast doch schon eins. Timo: „Und natürlich passt gerade die Nacktheit. Für mich ist es das persönlichste, was ich bis dahin musikalisch gemacht hatte. Ich hatte mich praktisch auch da ‚nackt gemacht‘.

Wer mehr über Timo und sein Projekt Bleedingblackwood erfahren möchte, wird hier fündig. Die CD kann man bei bandcamp hören (und bestellen).

Das Song-ABC: Running Up That Hill

Dieser Song ist einer der größten Single-Hits von Kate Bush und bis heute hat er nichts von seiner Faszination und seiner Wucht verloren. „Zu monumental für jede denkbare Kategorisierung“ – diesen Satz schrieb Ulf Kubanke [1] in einer Review zum Album „Hounds of Love“ und dies trifft ganz besonders auf diesen „Überhit“ [1] „Running up that Hill“ zu (unter Insidern unter dem Kürzel RUTH bekannt).
Er entstand im Sommer 1983 als erster Song des Albums [2] – ein hymnisch vorantreibender Titel voller Energie mit einem Grundteppich aus leisen Trommeln und einem orgelpunktartig eingesetzten Synthesizerakkord. Der Song handelt von der Unmöglichkeit, dass sich zwei Liebende wirklich verstehen können und wie verlockend es wäre, für eine kurze Zeit die Körper tauschen zu können und in die Seele des Gegenüber einzutauchen. Er ist energisch und perfekt gesungen – offenbar handelt es sich um eine sehr energiegeladene Beziehung, in der die Funken fliegen. Es ist bei jedem Wiederhören zu spüren: „Running up that hill“ ist besonders, ungewöhnlich. Hinter dem Kleid einer Hitsingle versteckt sich etwas Tiefergehendes. Ulf Urbanke fasst das sehr gut zusammen [1]: „Der Überhit „Running Up That Hill“ wartet mit einer der prägnantesten Synthie-Hooks aller Zeiten auf. Für diesen Deal mit Gott packt sie etwas Forderndes, nahezu Eiferndes in den Gesang. Das verleiht dem Song eine Intensität, die fast allen Pophits ganz und gar fehlt.“
Der Song behandelt einige der Grundthemen von Kate Bush – die Komplexität von Zweierbeziehungen, die Unterschiede zwischen Mann und Frau, die Angst vor dem Verlust, das gegenseitige Nichtverstehen.
„I am very excited about how it’s been received by people! It’s so rewarding after working for a long time to see that your work is being received with open arms. This song is very much about two people who are in love, and how the power of love is almost too big for them. It leaves them very insecure and in fear of losing each other. It’s also perhaps talking about some fundamental differences between men and women.“ [3]
Im Song sinniert die Protagonistin über diese schwierige Situation und erträumt sich eine radikale und ungewöhnliche Lösung – ein Handel mit Gott, um die Plätze zu tauschen und die Perspektive des Partners zu verstehen.
„I was trying to say that, really, a man and a woman, can’t understand each other because we are a man and a woman. And if we could actually swap each others roles, if we could actually be in each others place for a while, I think we’d both be very surprised! [Laughs] And I think it would be lead to a greater understanding. And really the only way I could think it could be done was either… you know, I thought a deal with the devil, you know. And I thought, „well, no, why not a deal with God!“ You know, because in a way it’s so much more powerful the whole idea of asking God to make a deal with you.“ [4]
„Deal with God“ sollte der Titel auch heißen – aber hier sah sich Kate Bush mit einem ganz anderen Problem konfrontiert. „Gott“ im Titel einer Single – religiös geprägte Länder würden das angeblich nicht im Radio spielen.
„You see, for me it is still called „Deal With God“, that was it’s title. But we were told that if we kept this title that it wouldn’t be played in any of the religious countries, Italy wouldn’t play it, France wouldn’t play it, and Australia wouldn’t play it! Ireland wouldn’t play it, and that generally we might get it blacked purely because it had „God“ in the title. Now, I couldn’t believe this, this seemed completely ridiculous to me and the title was such a part of the song’s entity. I just couldn’t understand it. But none the less, although I was very unhappy about it, I felt unless I compromised that I was going to be cutting my own throat, you know, I’d just spent two, three years making an album and we weren’t gonna get this record played on the radio, if I was stubborn. So I felt I had to be grown up about this, so we changed it to „Running Up That Hill“. But it’s always something I’ve regretted doing, I must say. And normally I always regret any compromises that I make.“ [4]
Bei diesem Problem musste also selbst eine Frau mit einem so eisernen Willen wie Kate Bush einem Kompromiss zustimmen. Man kann in jedem ihrer Worte spüren, wie wenig ihr das gefällt. So kam der Song also zu seinem Titel „Running up that hill“ und „A deal with god“ taucht nur noch als Untertitel auf.  Für mich passt der neue Titel aber auch sehr gut, weil er die Grundstimmung des Songs wiedergibt: „It’s meant to be the positivism of going somewhere. Climbing up a mountain, going up. It might be hard but you are getting there.“ [5]
Bei Textzeilen wie „You never understood me, you never really tried“ kam natürlich in den Interviews die Frage nach einem autobiographischen Hintergrund auf. Wie immer bei solchen Fragen verneint das Kate Bush.
„I think everyone at some times feels misunderstood. But I can’t think of any song that I would say was truly autobiographical. There’s something of me in every song, in that I’m expressing something I’m hoping is interesting. But I don’t think they’re truly autobiographical comments in any way.“ [6]
Der Beginn beschwört die Stimmung einer heidnischen Zeremonie hervor. Ein sirenenhafter Synthesizer-Klangteppich blendet auf, bildet dann einen permanenten Hintergrund, der beständig in der Art eines Orgelpunkts durchgehalten wird und nur ab und zu akzentuiert wird. Dieses Aufblenden zu Beginn ist, als ob der Zuhörer zugeschaltet oder einbezogen wird. Dazu ertönen permanente, drängelnde Trommeln und schließlich das so charakteristische Eingangssignal. Dies ist ein magischer Ritus. Diese Eingangstakte bildeten auch die musikalische Keimzelle des Songs.
„I had an idea of what I wanted to say in the song and I actually asked Del to write me a drum pattern, and he wrote this great pattern in the drum machine. So I just put the Fairlight on top of it and that was the basis of the song, with the drum, which played quite an important part. “ [4]
Die Singstimme ist meist sehr energisch und durchsetzungsfähig, ist aber auch zu fast zärtlichen Tönungen fähig („It’s you and me“). Ein stimmloser Chor singt dazu und bildet einen weiteren Teil des Klangteppichs im Hintergrund. Das ganze Lied sprüht vor Energie, es reißt einen mit, ist ein energiegeladenes, entschlossenes Vorwärtsdrängen. Bei „Let’s exchange the experience, oh…“. brechen plötzlich Trommelschläge herein wie eine Eruption. Dieser Effekt wird dann mehrmals wiederholt, dies steigert das energische Vorandrängen noch. Zum Schluss übernehmen E-Gitarren-ähnliche Töne die Aufgabe der drängenden Trommeln. Die Chorus-Stimmen werden wilder und ekstatischer, sie werden auch präsenter und individualisiert. Es ist nicht mehr nur ein Klangteppich, Einzelstimmen heben sich ab. Der Klangteppich klingt zum Schluss solo einfach aus und der Schluss bildet so ein Spiegelbild des Beginns. Die Zeremonie ist zu Ende.
Auch die tonale Gestaltung ist wieder sehr interessant (die folgenden Details aus [7]). Das ganze Lied über wird ein strikter 4/4-Takt durchgehalten, es gibt kein Ausweichen vor dem energischen Vorwärtsdrängen. Die Tonart ist ein  c-Moll; As-Dur-Akkorde, B-Dur-Akkorde und g-Moll-Akkorde kommen zum c-Moll-Akkord dazu. Diese vier Akkorde prägen das ganze Lied, angeordnet in den Akkordfolgen As-Dur/B-Dur/c-Moll und As-Dur/B-Dur/c-Moll/g-Moll. Auf „You. It’s you and me wont’t be unhappy“ kommt es zu einer Ausweitung, es kommen der Es-Dur-Akkord und der f-Moll-Akkord hinzu und ergeben eine neue Färbung. Hier ist die Akkordfolge As-Dur/Es-Dur/f-Moll. Diese drei Akkordfolgen aus verschränkten Dur/Moll-Parallelen (B-Dur/g-Moll, Es-Dur/c-Moll, und As-Dur/f-Moll sind jeweils Dur/Moll-Parallelen) bilden das Gerüst des Songs. Sie enden immer auf einem eher pessimistischen Moll-Akkord. Die strikte Verwendung dieser drei Akkordfolgen verstärkt das Beschwörende, intensiviert die rituelle Komponente des Songs.

Hält man sich an die Tonartencharakteristiken von Hermann Beckh [8], so sieht man, dass hier ganz weit auseinanderliegende Gefühlwelten miteinander verbunden werden. Die Protagonistin ist in ihren Gefühlen hin und her gezogen. Es-Dur und c-Moll haben einen starken, positiven, kämpferischen Charakter. C-Moll steht von allen Tonarten am festesten auf der Erde, es steht für eigene Kraft und Stärke, für Verwurzelung auf dem Boden, aber auch für die Tragik des Irdischen. Es ist die Haupttonart des Songs und drückt klar dessen kämpferischen Charakter und die Stärke der Protagonistin aus. Wie später in „The Fog“ und „Lily“ wird diese Tonart auch hier im Zusammenhang mit einer Anrufung der positiven Mächte benutzt. Es-Dur ist die Tonart der Feier, die geistige Sonne scheint hier am hellsten. „Das Schauen der Sonne um Mitternacht“ nennt das Beckh.

F-Moll ist tonartlich das Düsterste, was es in der Musik überhaupt gibt. Es steht für die Todesahnung, den Todesschatten. Es symbolisiert die Nacht, in der es keine Erlösung mehr gibt, das Unerlöste, nicht mehr zu Erlösende. Die Dur-Parallele As-Dur ist dagegen das Licht in der Finsternis, es ist eine mystische Tonart. Ein Licht beginnt aufzuleuchten, wo wir bisher nur Dunkel vermuteten.
B-Bur ist halbdunkel, helldunkel, es ist eine Liebestonart, steht aber auch für feste Glaubenszuversicht. Bezeichnenderweise erklingt der B-Dur-Akkord immer zum Wort „God“ [7]. G-Moll ist im Gegensatz dazu klagend, mehr tragisch; es fehlt die Ahnung und Hoffnung auf Licht, die B-Dur erahnen lässt.

In den Akkordfolgen wird die Zerrissenheit der Situation deutlich. Die Folge As-Dur/B-Dur/c-Moll lässt zu Beginn ein Licht in der Finsternis aufleuchten (die Beziehung ist komplex und verworren) und drückt dann die feste Zuversicht in die Liebe aus (es ist verworren, aber sie lieben sich dennoch). Es folgt das Bauen auf die eigene Stärke und das Vertrauen auf die eigene Stärke (die Protagonistin will und wird die Probleme lösen). Kommt dann noch der g-Moll-Akkord als Abschluss dazu, dann verliert sich die Protagonistin dennoch in Zweifeln.
Die Akkordfolge As-Dur/Es-Dur/f-Moll zu „You. It’s you and me wont’t be unhappy“ ist zerrissener. Das aufleuchtende Licht in der Finsternis führt zur Siegeszuversicht, zum Erahnen der Sonne in der dunklen Nacht. Aber es folgt der tiefe Absturz, es ist trotzdem Nacht, die Nacht, in der es keine Erlösung gibt. Die Tonarten dieser Akkordfolge deuten an, dass die Beschwörung der Protagonistin vielleicht doch keinen Erfolg haben wird. Gott antwortet nicht in dieser Musik. Zum Glück endet der Song auf einem lang angehaltenen c-Moll-Akkord. Das Vertrauen in die eigene Stärke siegt (aber vielleicht ist die Beziehung nicht zu retten).

Ich kann nicht über den Song reden, ohne zum Schluss auf das Video einzugehen. Es gehört für mich zu den schönsten Musikvideos überhaupt. Passagen aus klassischem Tanz werden mit surrealen Sequenzen gemischt, in denen Kate Bush und ihr Tanzpartner Michael Hervieu den Weg zueinander suchen durch eine Menge von maskierten Fremden. Zum Höhepunkt befinden sich sie weit von einander entfernt in einer Menge von Menschen, die jeweils das Gesicht der beiden Partner als Maske tragen.
MTV hatte 1985 offenbar Schwierigkeiten mit einem so ambitionierten Video. „MTV chose not to show this video (at the time of its original release) and instead used a live performance of the song recorded at a promotional appearance on the BBC TV show Wogan. According to Paddy Bush, ‚MTV weren’t particularly interested in broadcasting videos that didn’t have synchronized lip movements in them. They liked the idea of people singing songs.'“ [9]
Dieses Ersatzvideo zählt für Kate Bush nicht. Es ist eine „TV performance that we did in England to promote the single. And I don’t do very many TV performances. It concerns me that to try and to do everything you can and put as much effort into it, and sometimes its very difficult to make things look good in TV situations. But that was a live TV and we presented it that way for the British audience. It wasn’t my intention that that clip would be shown anywhere else at all, apart from that one live performance in England. And it was something that the record company wanted to use here, and that’s why you’re seeing that. From my point of view, the expression visually that goes with that song is the film that we made that is the dance video. And the other one is really for me just a one-off TV.“ [6]
Das ursprüngliche Musikvideo ist als klarer Gegenentwurf zu den damals üblichen Videos gedacht, die nach Kate Bushs Einschätzung die Möglichkeiten des Tanzes nicht ausschöpfen. „During the gap between the last and this album, I’d seen quite a few videos on television, that other people had been doing. And I felt that dance, something that we’d be working in, particulary in the earlier videos in quite a foreway, was being used quite trivially, it was being exploited: haphazard images, busy, lots of dances, without really the serious expression, and wonderful expression, that dance can give. So we felt how interesting it would be to make a very simple routine between two people, almost classic, and very simply filmed. So that’s what we tried, really, to do a serious piece of dance. [10]
Der Dreh des Videos erforderte intensives Training und eine sorgfältige Vorbereitung. „The video took eight weeks: six weeks‘ training and choreography working with Dyane Gray, and three days shoot, plus editing and various meetings.“ [11] Die surrealen Details kamen dann im Laufe der Vorbereitung hinzu. Die Frage nach dem Ursprung der Masken erläuterte Kate Bush in einem Interview: „Well that was very much a coincidence, where the director was talking about these masks and I had a film on video that we’d taped that had a section where people were wearing these photographic masks. And we just felt that it was a really interesting idea, this crowd that would suddenly sorta rush in through the dance sequence. And the idea of the crowd being the force of either the man or the woman and so the faces change from the man to the woman. And then the idea of drowning in yourself. Just sorta those kinda plays on things. [6]
Herausgekommen ist ein Video, das auch heute noch beeindruckt. Ich bewundere die Tanzszenen, da ist für mich pure Schönheit, traumverlorene Emotion, zwei Personen als Einheit. Hier ist die Zerrissenheit aufgehoben.
„Running up that hill“ ist ein zeitloser Klassiker, ewig jung, nicht alternd, ein Juwel. Das sehen nicht nur die eingeschworenen Fans von Kate Bush so – er dürfte auch heute noch der am meisten im Radio gespielte und am meisten gecoverte Klassiker von Kate Bush sein. Ich muss los .. muss ihn wieder hören … brauche Musik, deren Energie mich zerreißt … tschüss!     (© Achim/aHAJ)
[1] Ulf Kubanke: Zu monumental für jede Kategorisierung. http://www.laut.de/Kate-Bush/Alben/Hounds-Of-Love-17081  (gelesen 08.09.2017)
[2] Graeme Thomson: Graeme Thomson: Kate Bush. Under the ivy. 2013. Bosworth Music GmbH. S.258
[3] Kate Bush: Hounds Of Love songs. KBC article Issue 18.
[4] Richard Skinner: Classic Albums interview: Hounds Of Love. Radio 1. Interview gesendet 26.01.1992.
[5] Phil McNeil: Kate Bush Isn’t Your Everyday Songwrite. Star Parts(?). Datum unbekannt.
[6] J.J. Jackson: Uneditet. MTV. November 1985
[7]  “Kate Bush Complete”. EMI Music Publishing / International Music Publications. London. 1987. S.142ff
[8] Hermann Beckh: Die Sprache der Tonart in der Musik von Bach bis Bruckner. Verlag Urachhaus. Stuttgart 1999. S.124-126 (Es-Dur/c-Moll). S.196-198 (As-Dur/f-Moll), S.245-248 (B-Dur/g-Moll)
[9] https://en.wikipedia.org/wiki/Running_Up_That_Hill  (gelesen 08.09.2017)
[10] Good Rockin Tonight. Nan Devitt(?). November. 1985
[11] Kate Bush: An Interview With Auntie Hetty. KBC article Issue 20.

Paddy im Interview: Kate arbeitet an einem neuen Projekt

Foto: Stefan Franzen

Im zweiten Teil des Interviews mit Paddy geht es nochmal um die Musik Madagaskars, um Paddys musikalischen Projekte, um seinen Beitrag zu den Before the dawn-Konzerten und die wichtigste Frage überhaupt – wie sieht es mit einem neuen Kate-Projekt aus?

Kehren wir nochmal zur madagassischen Musik zurück. Du bist einer der wenigen Europäer, wenn nicht der einzige, der die madagassischen Instrumente spielt. Was macht es für Europäer so schwierig, sie zu spielen? Sind das wirklich bloß die Rhythmen?

Paddy: Die Rhythmen sind unglaublich schwierig. In traditioneller europäischer Musik gibt es immer eine Wechselbeziehung zwischen den Beats und den betonten Noten der Melodie. Du schlägst also automatisch mit dem Fuß den Takt. So aber funktioniert madagassische Musik nicht. Die Betonung des Beats kann sich verschieben. Die Madagassen verstehen das, Leute von auswärts nicht. Die Madagassen schlagen den Takt an einer ganz anderen Stelle als da, wo die Europäer den Rhythmus hören. Es dauert unglaublich lange, bis man lernt, wie man die Betonung verschiebt. Nur wenn du madagassische Perkussion studierst, kannst du das schaffen. Die Musik der Tromba wird immer von einer Rassel namens Kaiamba begleitet, ein verschobener Rhythmus. Du denkst, du hörst die starke Zählzeit, aber der Rhythmus liegt auf dem nächsten Beat. Vielleicht zählen sie für einen 12/8-Takt also vier Gruppen von drei. Die erste Note des Songs ist oft gar nicht hörbar, die letzte Note einer Melodie kann die erste sein. Eine magische Symmetrie. Ich habe zwei Alben mit einem sehr talentierten madagassischen Musiker namens Paskaal Japhet produziert. Ein sehr cleverer Perkussionist und Komponist. Als Bezahlung für die Produktion bat ich ihn, mir die Rhythmen in all meinen Lieblingsstücken seit den 1980ern zu markieren. Das war die Hölle!  Keines der Stücke, die ich gelernt hatte, hatten die Rhythmusbetonung dort, wo ich sie vermutet hatte. Den Paddy, den du heute vor dir siehst, ist ein bisschen wie ein Phönix, der aus der Asche aufgestiegen ist. Denn ich hab die madagasssiche Musik drei mal aufgegeben. Das letzte Mal, das ich sie aufgegeben hatte, war ich so desillusioniert, dass ich stattdessen anfing, Glasbearbeitung zu lernen. Eine Sache, die die Ahnenverehrung begleitet, ist die: Für deine Probleme verschreibt man dir bestimmte Perlen. Die Ahnen kennen deine Probleme, und wenn du an einer Zeremonie teilnimmst, dann werden sie dir verschiedene Perlen verschreiben, und die haben fantastische Namen. Es ist wie Schmuckmedizin. Die Namen, die sie tragen, sind etwa: „Lass dich nicht herumschubsen“ oder „König der Welt“ oder „Zusammenhalt“, es gibt Hunderte von ihnen und die Madagassen kennen sie alle auswendig. Doch seltsamerweise sind sie alle aus Plastik. Diese Perlen beschützen dich, geben auf dein Vieh acht, bringen Liebe in dein Leben, bewahren dich vor dem Bösen. Doch auf meiner gesamten Reise habe ich nie eine einzige Perle aus Glas gesehen. Plastik ist halt billiger. Wenn du also deine Liste von verschriebenen Perlen mit auf den Markt nimmst, dann gehst du in den Teil wo sie Kräutermedizin verkaufen. Viele Leute tragen diese Perlen, aber niemals aus Glas. Als die madagassische Musik mir also zum dritten Mal eine Niederlage zufügte, habe ich sie komplett aufgegeben, zwei Jahre lang, und ich habe mich total auf die Herstellung von Perlen aus Glas konzentriert. Die wurden sehr erfolgreich in Madagaskar. Ich hatte eine hochbegabte Lehrerin namens Diana East. Ihr brachte ich die madagassischen Plastikperlen und fragte sie, wie man die aus Glas machen könnte.

Was hat dich dann doch wieder zur Musik zurückgebracht?

Paddy: Eines Tages ist etwas passiert. Ich spielte bei einer Aufnahme mit einer Rassel mit. An der Rassel zeigt sich, ob du madagassische Rhythmen verstehst oder nicht. Wegen dieser verschobenen Zählzeiten wurde ich jedes Mal, wenn ich die Musik hörte, ängstlich, denn ich verstand sie nicht. Ich fühlte mich wie ein Heuchler, als würde ich diese Musik nur imitieren, wie ein Chinese, der einen Elvis Presley-Song singt, nur dass das hier auch noch in einem spirituellen Kontext geschah. Sie sagten zu mir: „Paddy, wir sehen ja, dass du die Rhythmen nicht verstehst. Aber was du mitbringst, ist Liebe! Und die hören wir, wenn du spielst. Und eines Tages wirst du die Rhythmen verstehen.“ Eines Tages also spielte ich mit der Rassel und mir fiel etwas auf, was ich zuvor nicht bemerkt hatte: Der Rhythmus der Rassel schien sich zu verschieben. Und irgendetwas in mir, was nicht intellektuell war, fand seinen Weg. Ich fühlte mich, als würde ich zuhören und nicht, als würde ich es beeinflussen. Ich wurde mir bewusst, dass ich eine unglaubliche Ignoranz gegenüber der Formbarkeit von Rhythmus hatte. Die ganze Zeit kamen meine Wurzeln aus der Folkmusik zurück und zwangen meinen Fuß, den Takt falsch zu schlagen. Und ich fragte meine madagassischen Freunde: „Wie könnt ihr da den Takt klopfen und hier spielen? Und sie lachten einfach. Aber als es das erste Mal klappte, da war es mehr als magisch. Der ganze intellektuelle Scheiß wurde ausgeblendet und plötzlich hatte ich eine ganz andere Beziehung zum Rhythmus. Es hat alles verändert. Ich habe erneut die Stücke von Pascal angehört und bekam keine Angst mehr. Denn ich konnte den Beat hören und er war schon vor dem Einsatz der Rassel da. Er ist an einem unsichtbaren Platz. Endlich hat der Rhythmus zu mir gesprochen. 25 Jahre habe ich gebraucht, um die madagassische Musik zu verstehen. Die Musik in Madagaskar unterscheidet sich von Region zu Region so stark, dass die Menschen die Traditionen ihrer Nachbarregionen nicht verstehen. Sie verwenden die gleichen Rhythmen und Skalen, aber sie können sie nicht verstehen. Als Justin zum ersten Mal die Musik der Vezo-Fischer aus dem Südwesten hörte, dachte er, dass es nicht ein Solist auf der Marovany sei sondern zwei. Der Gitarrist hat ihn darauf aufmerksam gemacht: „Justin, das ist ein einziger Typ, der das spielt!“ Justin pfiff durch die Zähne und schaute ziemlich verzweifelt. Die Leute vom Hochplateau verstehen nicht unbedingt die Rhythmen aus dem Süden und umgekehrt. Aber es gibt eine Art magische Brücke zwischen der Musik der Küstenregion und der des Hochplateaus, und das ist Rakotozafy. Jeder liebte Rakotozafys Melodien. Die Merina-Leute sagten: „Ok, er ist nicht von hier, aber er hat wirklich sehr schöne Melodien.“ Das gleiche gilt für die Leute an der Küste: Sie denken, er lebt noch, obwohl er 1970 gestorben ist.

Wie siehst du deine Rolle als Produzent von madagassischer Musik? Wolltest du mit den Alben, die du für Justin und Paskaal Japhet gemacht hast, die madagassische Musik in die Zukunft bringen, sie zugänglicher für Europäer und vielleicht sogar für die madagassische Jugend machen?

Paddy: Ich denke, das stimmt. Ich sehe meine Rolle als Produzent wie ein unsichtbares Bindeglied zwischen dem Musiker und seiner Musik. Justin oder Pascal sind vertraut mit der Arbeit in einem Vielspurstudio. Ich wollte nicht, dass sie sich zu sehr mit der technischen Seite befassen. Alle frühen Alben von Kate sind ja entstanden wie die Malerei in der Decke der Sixtinischen Kapelle. Da passiert so viel auf den verschiedensten Ebenen! Die 1970er waren voll mit Alben, die im Studio zusammengesetzt wurden, das war das Handwerk, das wir gelernt haben. Madagassische Musiker mit ins Studio zu nehmen und mit ihnen das Gleiche zu tun, hat ihre Musik in einer Art und Weise befreit, zu der sie vorher nicht fähig gewesen wären. Aber ich muss sagen, auch wenn es fantastisch ist, die Sixtinische Kapelle im Studio zu malen, ist es kein Ersatz für eine wirklich herausragende Liveperformance, wie zum Beispiel einige Sachen, die ich im Vortrag  gespielt habe, zum Beispiel Justin Renés Akkordeon. Kein Multi-Tracking, kein Hall, nichts. Für mich ist es eine atemberaubende, fantastische Sache, dass es Musiker gibt, die zu so etwas fähig sind, mit nichts anderem als ihrem Instrument. Sie nehmen dich an einen Ort mit, und egal, wie viele Sixtinische Kapellen du gestaltet hast, das kannst du nicht vergleichen mit so mancher Musik in Madagaskar. Für mich hat das die Musik von allen anderen Orten der Welt verdorben, nichts klingt so gut, wie die madagassische Musik. O.k., nicht alles aus Madagaskar klingt fantastisch. Es gibt furchtbares Zeug. Ein Genre, das Justin liebt und ich nicht ausstehen kann. Eine Art milde klassische Musik, in der mehrstimmiger Gesang vorkommt, der sehr schmalzig ist, für mich eine Folter. Aber Justin liebt es und ich schaue ihm gern zu, wie er darauf reagiert! Und es gibt auch schlimme Popmusik. Ich habe davon gesprochen, wie bedroht madagassische Tradition ist, da die Musik von woanders so beliebt ist. Aber die Madagassen spielen immer noch ihre madagassische Musik. Sie spielen sie auf Gitarren und Keyboards, und statt der Rassel haben sie nun einen ganzen Schlagzeugaufbau. Doch die Musik, die sie damit mache,n ist immer noch ein Teil der lebendigen Tradition, sie spielen sie halt auf westlichen Instrumenten.

An dieser Stelle macht Paddy einen langen Exkurs über die madagassische Spiritualität, der in einer unglaublichen Anekdote gipfelt: Als eine große Anzahl von Riesenschildkröten aus einer Aufzuchtstation gestohlen wurde, hat er diese mithilfe eines Mediums wiedergefunden, das ihm den exakten Aufenthaltsort des Diebesgutes auf der Insel La Réunion verriet. Die Polizei wollte den Angaben zunächst gar nicht nachgehen, doch die mit einer Nummer gekennzeichneten Tiere waren tatsächlich dort. Ich schwanke mittlerweile zwischen Faszination über seine Geschichten und einem ständigen Unbehagen über die fortgeschrittene Zeit. Schließlich wartet seine Freundin Eva Keller schon lange auf die Abfahrt…Und so wage ich die Schlusskurve mit einigen wenigen Fragen zur Gegenwart und Zukunft.

Paddy, du hast heute Abend im Vortrag „Love And Anger“, „Eat The Music“ und „The Red Shoes“ gespielt, sehr hörbare Einflüsse auf die Musik von Kate. Wie sieht es heute aus? Bist du immer noch als musikalischer Ratgeber für sie tätig?

Paddy: Vor drei Jahren haben wir zusammengearbeitet. Für „Before The Dawn“ lud sie mich ein, einigen beteiligten Musikern bei bestimmten verwendeten Instrumenten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Jetzt gerade arbeiten wir an völlig verschiedenen Sachen. Was Kates Projekt betrifft, darüber kann ich dir nichts sagen, das ist geheim. Das tut mir sehr leid! Ich selbst arbeite an zwei CDs, die 2018 veröffentlicht werden, eine neue CD mit Justin Vali und ein neues Bushtucker-Album mit meinem Freund Colin Lloyd-Tucker. Da freue ich mich sehr drauf, denn beim ersten Album hatten wir eine Plattenfirma, die nicht gerade aufrichtig war. Wir wissen, dass wir einen Haufen Platten verkauft hatten, und sie haben uns die exakten Zahlen verheimlicht. „Skypscraping“ war ein absolutes finanzielles Desaster. Dieses werden wir ganz unter unserer Kontrolle halten. Das Justin Vali-Album wird sich aus dem Material heraus entwickeln, das wir für die BBC gemacht haben. Wir haben ein paar Stücke für sie aufgenommen, die auf dem „10 Years of World Routes“ drauf sind. Mein Albtraum war es, dass die BBC mich fragen würde, live zu spielen. Lange im Voraus hatte ich ihnen gesagt, dass ich das niemals tun würde. Und dann kamen wir zum Festival und der Produzent sagte: „Würde es euch was ausmachen, eine Livenummer zu spielen? Und ich konnte mich selbst sagen hören: „Kein Problem!“ Da waren wir also und spielten dieses wunderbare Stück. Und in dem Moment fühlte ich, wie es im ganzen UK aus den Radios kam, im schottischen Hochland, im Süden, und wie es über den World Service der BBC in die ganze Welt ausgestrahlt wurde. Es war ein wunderschönes Gefühl, es fühlte sich richtig an. Im Unterschied zu allem, was ich in der Folk-Welt oder im Popmusikgeschäft getan hatte, ist das Musik, die etwas ganz Besonderes in sich trägt. Wenn du einmal eine Vorliebe für madagassische Musik entwickelt hast, dann klingt alles Andere nicht mehr so gut. Also: Diese beiden Sachen werden nächstes Jahr rauskommen.

Ich glaube jeder, der bei einer der „Before The Dawn“-Shows dabei war, wird sein Leben lang davon erzählen. Was hat dir an den Konzerten am besten gefallen?

Paddy: Kate hat die „Before The Dawn“-Shows vor allem gemacht, um das unglaubliche Talent ihres Sohnes Bertie zum Leuchten zu bringen. Ich bin wahnsinnig stolz auf ihn, er ist ein ganz außergewöhnlicher Mensch. Er studiert im Moment Physik in Oxford auf einem sehr hohen Level. Für mich ist er der perfekte Renaissance-Mann, es gibt nichts, was er nicht tun kann: Bertie kann schauspielern, er kann Instrumente spielen, er kann singen, tanzen und er kennt sich mit Astrophysik aus. Zum Geburtstag habe ich ihm die Feynman Lectures geschenkt, das sind sehr komplexe physikalische Theorien, Bücher so dick wie Telefonverzeichnisse voll mit Formeln. Ich habe sie ihm gekauft, um zu testen, wie ernsthaft sein Interesse an Physik tatsächlich ist. Er hat das in ein paar Tagen durchgeackert und alles verstanden. In diesen Konzerten gab Kate ihm also die Gelegenheit, seine Talente vorzustellen. Er hat eine große Zukunft.
Aber natürlich ging es in den Konzerten nicht nur darum, es gab auch andere wunderbare Momente, aber Kates Liebe für ihren Sohn war nur eines der Dinge. Die Zeitlupenfilme, die sie verwendete, als die den Flug der Vögel zeigte, Vögel, die spirituelle Wesen wurden. Diese wunderbaren slow motions, die perfekt mit ihrer Musik verschmolzen sind. Fantastisch. Und der Minimalismus und die Strangeness, die die Kulisse ausstrahlte, die Bühne hatte eine einfach umwerfende Atmosphäre. Die größte Magie in diesen Shows für mich war aber Kate, wie sie da am Klavier saß und sang. Das ist die wahre Kate Bush, die ich kenne. Die Muse, die bei ihr ankam, als sie zehn Jahre alt war. Die Beziehung, die sie zum Piano hat, ist etwas, das so grundlegend und tief ist. Sie ist eine wunderbare Tänzerin und Schauspielerin, aber die Krönung für mich war, wie Kate am Piano sitzt. Diese Momente aus den Konzerten gehen mir immer noch im Kopf herum. Das war so wunderschön. © Stefan Franzen

Paddy im Interview: Violinen mit Armen und Beinen und das Geheimnis der Cutty Sark (Teil 1)

Paddy und Stefan im Forum Schlossplatz, wo nach dem Vortrag die Gelegenheit zum Interview bestand.

Die Schlusstakte von „The Red Shoes“ verklingen, Paddy beantwortet ein paar Fragen und ich blicke unruhig auf meine Uhr. Er sei etwas müde, denn um in die Schweiz zu kommen, war er sehr früh aufgestanden, hat man uns am Anfang schon gesagt. Zudem hat er deutlich die vorgesehene Zeit seines Vortrags überschritten. Im Geiste schreibe ich das versprochene Interview schon ab, oder stelle mich darauf ein, dass ich mich mit einem Viertelstündchen begnügen muss. Doch nach etlichen Handshakes und Selfies mit den Gästen stellt mich Eva Keller ihm vor, und er setzt  überhaupt keine zeitliche Begrenzung. Er hat nur eine Bitte: Eine Tasse Tee möchte er gerne haben. Und so sitzen wir in gemütlichen Ledersesseln in einem hohen Raum mit einem bemalten Fries unter der Decke und starten. Vielmehr: Paddy startet, denn wie sich schnell herausstellt, kann man diesen unvergleichlichen Geschichtenerzähler wenig lenken und erst recht nicht stoppen. Aus dem befürchteten Viertelstündchen werden sagenhafte 70 Minuten, während derer ich meinen Fragezettel bald wegwerfe und einfach zuhöre. Wie wir auf das Eingangsthema kommen, ist mir im Nachhinein schleierhaft: Weit holt Paddy aus über die Unterschiede des Musizierens zwischen den 1920ern und 1960ern. Die Uilleann pipes (der irische Dudelsack) und die sardischen Launeddas klingen auf alten Aufnahmen sehr kantig, Staccato-haft, in den Sechzigern sei dann plötzlich ein Flow in die traditionelle Musik hineingekommen, an vielen Orten der Welt unabhängig voneinander. Ein Bewusstseinssprung, wie mit den Affen, die Kartoffeln waschen, werfe ich ein. Ja, oder wie mit den Schafen in Wales, die gemerkt haben, dass sie über das cattle grid rollen können und dann in die Gärten der Nachbarn eingedrungen sind, um sie zu verwüsten, sagt Paddy. Das wird ein lustiges Gespräch, denke ich mir. Und nutze eine Sekunde, in der er am Tee nippt, um ihn zu fragen, wie er denn ursprünglich zur Musik gekommen ist.

Paddy: Auf der Seite meiner Mutter gab es viele traditionelle Musiker aus Irland. Mein Großvater war auch ein Instrumentenbauer. Sie waren arm, um also Zugang zu bestimmten Dingen zu bekommen, mussten sie sie selbst herstellen. Und ich vertrete die gleiche Sichtweise: Einige Dinge, an die du nicht rankommst, musst du dir eben selbst bauen.

Keltische Musik war also der Startpunkt für dich?

Paddy: Es war das Folkrevival der 1960er, das für mich den Ausgangspunkt bildete. Ich machte meine erste Feldaufnahme von traditioneller englischer Tanzmusik als ich dreizehn war. Ich hatte ein Tonbandgerät, das unglaublich viele Batterien verbrauchte, aber Aufnahmen von fantastischer Qualität machte. Das war noch das Zeitalter vor den Kassettenrekordern. Ich habe traditionelle Musik immer geliebt und hatte immer eine sehr fixierte Sicht auf Musik als die einzig wahre Religion. Aber es kamen eben immer wieder Dinge vorbei, die meinen Glauben komplett zerstört haben. 1960 sangen wir alle Folksongs ohne Begleitung. Als ich dann zum ersten Mal bulgarische Musik gehört habe, konnte ich das nicht glauben. Diese Tiefe der Gefühle hat mich erschreckt! Es war, als ob unsere eigene Musik keine Gefühle hätte! Trotzdem muss ich sagen, dass einige der bulgarischen Texte nicht an die Melodien herankommen. Es kann also passieren, dass du wegen einer Melodie anfängt zu weinen, aber wenn du dann den Text übersetzt, dann ist das überhaupt nicht interessant. Als ich es schaffte, das Trio Bulgarka zu einer Zusammenarbeit mit Kate zu bewegen, kam ich im Studio an und die Damen nahmen mich in ihre Arme und fingen ganz nahe an meinen Ohren an zu singen. Sie haben nicht aufgehört, bis ich in Tränen ausbrach. Das war ihre Art, danke zu sagen. Das werde ich nie vergessen, diese unglaublich schöne Musik. Doch das Gleiche war mir eben früher auch mit der irischen Musik meiner Familie passiert. Die Familie meiner Mutter kam aus dem County Waterford im Südosten. In London ging ich in eine Schule, die voll mit Söhnen irischer Eltern war. Einer dieser Jungen war der irische Fiddler Kevin Burke, der Tanzmusik aus Sligo spielte (Anmerkung des Autors: Kevin spielte später bei der irischen Supergroup Planxty und ist der Fiddler auf „Violin“). Ich will die Musiker aus Waterford nicht verunglimpfen, aber mein Gott, dieser Typ konnte spielen! Ich ging eines Tages an der Schule entlang, und aus dem Gebäude kam diese Musik. Ich dachte, ich würde halluzinieren. Kevin war ein Wunderkind, er war damals gerade 15, 16 Jahre alt und spielte diese komplexe, phänomenale irische Fiddlemusik. Der Flow war unglaublich, die Komplexität der Rolls und Triolen verblüffend. Ich wurde süchtig nach dem Fiddlestil aus Sligo. Zwei Jahre habe ich gebraucht, um gerade einmal eines der grundlegenden Ornamente zu lernen, den Roll. Nur unter großen Mühen machte ich Fortschritte. Aber ich hatte die Vorstellung, dass es doch toll wäre, an einer der irischen Tanzmusikwettbewerbe teilzunehmen, einfach zum Spaß. Also fragte ich Kate, ob sie ein paar Akkorde auf dem Klavier lernen würde. Es gab diese fantastischen Aufnahmen von traditioneller irischer Tanzmusik mit einem Klavier im Hintergrund. Alle Folkies haben sie gehasst, das Piano war für sie des Teufels, es musste eine Gitarre dabei sein bei den Puristen. Da gab es diese Frau namens Bridie Lafferty und sie spielte ein grauenhaftes Piano zu der unglaublichen Fiddle, oft in einer völlig anderen Tonart. Also fragte ich Kate: „Kannst du bitte lernen, wie Bridie Lafferty zu spielen? Mein Vater zeigte ihr daraufhin einige Akkorde auf dem Klavier, eigentlich nur zwei, und sie hat das unglaublich schnell kapiert, ganz anders als ich auf der Geige.

Wie alt war sie da?

Paddy: Sie muss da ungefähr zehn Jahre alt gewesen sein und ich fünfzehn. Was passierte, ist, dass es ihr langweilig wurde darauf zu warten, dass ich mal irgendwann den Fiddlepart spielen konnte. Denn ich habe einfach zu spät angefangen. Wenn du anfängst Geige zu spielen, dann brauchst du einen Onkel, der dir eine Kopfnuss gibt, wenn du falsch spielst. Und du musst jung anfangen, damit sich die Knochen in deinem Handgelenk noch ein bisschen verformen können und du nicht das Gefühl in allen Fingern verlierst, wenn du spielst. Mit all diesen Problemen hatte ich zu kämpfen. Kate wurde also überdrüssig mich zu begleiten, sie rann davon und fing an, ihre eigenen Sachen zu schreiben. So kam sie zum Songwriting! Es hat für uns alle mit der keltischen Musik angefangen und sich dann in eine völlig andere Richtung entwickelt.

Aber die irische Musik kommt ja immer wieder hoch in ihren Songs, etwa in „Night Of The Swallow“ oder im „Jig Of Life“, wo sich Irisches mit einer griechischen Melodie verknüpft. Dieser Song interessiert mich sehr, da er einer meiner Liebelingssongs von Kate ist. Hast du diese Melodie entdeckt?

Paddy: Oh ja, habe ich, eine Melodie aus dem Anastenaria-Ritual. Ich erzähl dir, wie der „Jig of Life“ zustande kam: Anastenaria ist ein außergewöhnliches Ritual, dass in Nordgriechenland und Bulgarien praktiziert wird. Das Verblüffende ist, dass diese alten Leute auf dem Feuer tanzen, und zwar minutenlang. Es ist nicht wie der jamaikanische Feuertanz, den ich im Fernsehen gesehen habe, wo die Leute einfach mal drei kurze Schritte übers Feuer tänzeln und das war‘s. Diese Leute schlurfen richtig in den Flammen herum. Dass sie das können, liegt am Timing mit der Musik und an ihrem tiefen Glauben. Dieses Ritual geht weit, weit zurück bis in dionysische Zeiten. Ich verfiel diesem Rhythmus, der auf der Tupan gespielt wurde. Eine außergewöhnliche Trommel, bei der ein dünner Schlegel auf der Seite ruht und der andere Schlegel spielt, das gibt einen rasselnden Effekt wie bei der Snare Drum. Für mich hört sich das an, als würde das ganze Haus knarren und sich bewegen. Dazu tanzen die Leute und halten diese wunderschönen Ikonenbilder im Namen des Heiligen Konstantin.

Wie hat sich dann die ursprüngliche Musik aus den Ritualen zu dem entwickelt, was wir auf „Hounds of Love“ hören? Hast du das arrangiert?

Paddy: Ich habe es nach Irland mitgenommen und es einer Gruppe von irischen Musikern gelehrt. Bill Whelan wurde als Produzent ausgewählt, um sie zu gruppieren. Meine Aufgabe war im Grunde, drei Tage nach Irland zu gehen und Bill Whelan diese Melodie beizubringen.

Ich möchte dich unbedingt etwas über deine seltsamen Instrumente fragen, die man ja auch auf Kates Alben hört, wie zum Beispiel das ominöse Strumento de Porco auf „Kashka From Bagdad“ und „Egypt“ (hier zeigt Paddy es bei 13‘06). Mit den ganzen Instrumenten, die du gebaut hast, hättest du ja eigentlich viel mehr CDs veröffentlichen können als du es getan hast. Sind das also eher Auftragsarbeiten für andere Musiker gewesen?

Paddy: All diese Instrumente habe ich gebaut, als ich Instrumentenbau studiert habe. Das waren alles Projekte aus Leidenschaft. Was das Strumento de Porco angeht: Sie wollten, dass wir eine Kantele bauen, eine finnische Kastenzither. Aber das war mir zu simpel, ich wollte etwas Komplizierteres bauen. Ich schaute ein mittelalterliches Stundenbuch aus Italien durch und fand eine Illustration, auf der ein Engel ein Instrument spielte, das da „Strumento De Porco“ genannt wurde und tatsächlich die Form eines Schweins hatte, im Grunde war es ein Psalterium. Es ist verrückt: In London liegt seit den 1960ern ein Schiff aus dem 19. Jahrhundert namens Cutty Sark in den Docks, ein Klipper, der im Einsatz war, um Tee aus China zu transportieren. Ich liebte dieses Schiff, und eines Tages ging ich dort spazieren und sah, dass sie Restaurierungsarbeiten vornahmen. Sie ersetzten einige Stücke, die in die Planken hineingehen, um sie wasserfest zu machen. Sie brachen die alle raus und arbeiteten sich immer weiter im Rumpf nach unten vor. Es wurde Abend und niemand war mehr in der Umgebung zu sehen. Also kletterte ich rein, mit dem Schatten dieses gigantischen Schiffsrumpfes über mir, und ich stahl fünf oder sechs dieser Stücke, die aus Eisenholz gefertigt waren, ein so hartes Holz, das jede Säge davon stumpfe Zähne bekommt. Die Rückseite des Strumento de Porco ist aus dem Holz der Cutty Sark gemacht. Das habe ich bisher niemandem erzählt. Naja, die Teile lagen da halt rum und ich dachte, sie schmeißen sie ohnehin weg. Das war eine wertvolle Quelle: Holz, das vielleicht Hunderte von Malen nach China und zurück gereist war, über die verrücktesten Meere der Welt.

Würdest du sagen, das war das verrückteste Instrument, das du gebaut hast?

Paddy: Möglich. Aber es hat einen schönen, sanften Sound, es klingt manchmal fast wie eine elektrische Klingel, denn es wird ja mit kleinen Hämmerchen gespielt.

Hast du denn deine Instrumente mal ausgestellt?

Paddy: Die Dinge haben sich auf eine etwas seltsame Weise verselbstständigt. Es war sehr frustrierend, diese Instrumente zu bauen. Unsere Standards für die Konstruktion waren sehr hoch, denn diese Instrumente waren seit ihrer Originalzeit nicht mehr gebaut worden, wir waren die ersten, die eine Rekonstruktion versuchten. Um die Unverhältnismäßigkeit zwischen der Zeit des Baus und dem Ergebnis zu verändern, fing ich an, Instrumente mit anderen Materialien zu bauen, Materialien, mit denen es schneller ging. Ich baute zum Beispiel eine ganze Serie von Instrumenten aus Filz, die sahen aus wie Barockinstrumente, waren aber dazu gemacht, um mit ihnen zu schmusen, Kuschelinstrumente. Es war wunderbar, diese Instrumente zu bauen und sie unglaublich schönen Frauen zu schenken. Die saßen dann da und haben diese schönen Instrumente gestreichelt, die ich in nur wenigen Tagen fertig bauen konnte. Ich baute also plötzlich Instrumente, die Arme und Beine hatten. Eines Tages bot man mir an, eine Ausstellung in der White Chapel Art Gallery zu machen, das war 1975 oder 1976. Ich habe wirklich eine Menge ungewöhnlicher Instrumente gemacht. Violinen mit Armen und Beinen, für die ich ein Kamasutra geschrieben habe. Es war ein Riesenspaß, diese Ausstellung zu machen. Das Tolle an Ausstellungen ist: Nicht jeder weiß, dass du der Künstler bist. Du kannst also rumstehen und die Reaktionen der Leute auf deine Arbeiten beobachten. Das ist eine schöne, indirekte Kommunikation mit den Menschen. Also: Das Strumento de Porco ist nicht das verrückteste Instrument, da sich gemacht habe! Und einige davon bringen nicht einmal Musik hervor. Aber sie machen die Menschen glücklich – oder bringen sie zum Lachen. © Stefan Franzen

Kate ist für die Rock’n’Roll Hall of Fame nominiert

Lange hat es gedauert und nach heftiger Kritik in den vergangenen Jahren ist es jetzt endlich soweit: Kate Bush ist zur Aufnahme in die Rock’n’Roll Hall of Fame im kommenden Jahr nominiert worden. Ebenfalls auf der Liste stehen unter anderem Nina Simone, die Eurythmics, Radiohead, Dire Straits, Rufus featuring Chaka Khan, Depeche Mode und Bon Jovi. Die Rock’n’Roll Hall of Fame wurde auf Anregung des Gründers von Atlantic Records gegründet. Seit 1986 wird jährlich eine begrenzte Zahl neuer Mitglieder für ihre Verdienste um die Rockmusik geehrt. Das entsprechende Museum wurde 1995 in Cleveland (Ohio) eröffnet. Auf der Internetseite der Hall of Fame heißt es zur Nominierung von Kate: „Kate Bush gave popular music a new palette of techniques, crafting unorthodox performances that are part sonic experiment, part theatre. Bush draws us into the world of her imagination through complex arrangements, striking visual presentations and inventive use of technology.” Welche der nominierten Musiker tatsächlich aufgenommen werden, entscheidet eine Jury. Das Ergebnis wird im Dezember bekanntgegeben. Es gibt zudem eine Publikumsabstimmung. Wer für Kate seine Stimme abgeben möchte, kann das hier tun. Die offizielle Aufnahmezeremonie erfolgt dann am 14. April 2018.

„Fantastischer Klangkosmos“

Foto: © Hannes Caspar

Einige Monate ist es nun schon her, dass Thomas sich mit Lea W. Frey in einem Berliner Café zum Interview getroffen hat. Im Mai gab es den ersten Teil des Interviews. Es ging damals hauptsächlich um Kate und nur kurz um die Arbeiten an Leas neuem Album, das am 6. Oktober erscheint. Rechtzeitig zum Release von „Plateaus“, ausschließlich mit eigenen Stücken, kommt nun also der zweite Teil des Interviews und eine Rezension. Dazwischen lag eine wirklich beeindruckende Album-Pre-Listening-Session an einem der höchsten und geschichtsträchtigsten Orte der jüngeren Berliner Vergangenheit. Lea und Band hatten im Juni auf den Teufelsberg eingeladen, in die verlassenen Abhörstationen der britischen und amerikanischen Alliierten zur Zeit des kalten Krieges und der Berliner Teilung. Ein Ort, an dem Lea sehr viel liegt. Und, wie passend, ein Plateau von etwa 48.000 qm. Begonnen hatte die Session mit einem Live-Part in der intakten Kuppel einer Radarstation nach langem Aufstieg über dunkle Treppen. Es war absolut beeindruckend, den Unterschied zwischen Sprech– und Singstimme zu erleben. Leas Worte der Begrüßung waren kaum zu verstehen ohne Mikrofon. Umso faszinierender, wie klar, kräftig und deutlich der Gesang dann durch die Kuppel hallte.

Lea, Du stellst mit deiner Band das neue Album „Plateaus“ auf dem Teufelsberg vor. Warum gerade dort?

Lea W. Frey: Der Berg hat für mich eine ganz besondere, sehr starke Atmosphäre. Zum einen dieser Trümmerberg aus dem Schutt des zweiten Weltkriegs. Dann die verlassene Radarstation aus dem kalten Krieg, alles etwas spooky und geheimnisvoll. Dies alles umgeben vom Wald. Und im Gegensatz zum rasanten Wandel in der Stadt ist hier ein wenig die Zeit stehengeblieben. So eine richtige Gentrifizierungsoase.  Ich denke, ich werde einen Teil meines nächsten Albums auch dort oben schreiben.

Erzähl uns doch bitte noch etwas mehr zu deinen Musikern auf dem Album.

Lea W. Frey: Zunächst einmal: die Band ist organisch gewachsen über Freundschaften, Kontakte, familiäre Bande. Es sind keine für ein Projekt gecasteten Musiker. An den Synthesizern die Wahlberlinerin Liz Kosack, Peter Meyer, der jetzt auch für den Jazz-Echo nominiert ist, an den Gitarren, Bernhard Meyer, der auch stark an der Produktion des Albums beteiligt war, spielt den Bass, Andi Haberl, festes Mitglied bei The Notwist an den Drums, Drum Machine und Glockenspiel. Sie alle komponieren auch selbst eigene Stücke und sind in der Jazzszene verwurzelt. Es ist meine absolute Traumband.

Gibt es ein Konzept hinter dem Album oder ist es eher eine Sammlung solitärer Songs?

Lea W. Frey: Ich würde schon sagen, dass die Stimmung sich durchzieht. Als ich die Stücke geschrieben habe, war ich einer bestimmten Zeit in meinem Leben, einer Art Umbruchphase. Man sollte sich das Album ruhig komplett anhören. Es hat einen Grund, welcher Song an welcher Stelle steht.

Wird es Videos zu Songs von „Plateaus“ geben?

Lea W. Frey: Ja. Wir haben ein ganz tolles Team für den Videodreh gehabt. Auch das ist zusammengewachsen, zum Teil durch schöne Zufälle. Im Herbst letzten Jahres sind wir für zwei volle Tage mit zehn Leuten raus gefahren ins brandenburgische Müncheberg und haben für einen Song einen Clip gedreht. Mir war wichtig, dass alle in dem Team auch die Musik verstehen. Man soll wirklich sehen können was wir spielen, nicht nur hören. Es sind wunderbare Bilder entstanden, und sie haben uns für die ganze Zeit ihr Herz gegeben. Es war eine tolle Erfahrung. Das Video wird dann zum Release veröffentlicht.

Gibt es eine Tour zum Album?

Lea W. Frey: Ja, die Termine für Oktober und November stehen fest und sind auf meiner Facebookseite zu finden. Wir werden die Stücke in ihrer Dichte auch live genauso umsetzten. Natürlich wird auf der Bühne dann noch viel improvisiert, so dass die Songs an den verschiedenen Abenden durchaus unterschiedliche Färbungen erhalten können.


Lea W. Frey: Plateaus (Enja & Yellowbird Records)

Ist dieses Album Jazz, Pop oder Indie-Rock? Gibt es einen Begriff für eine Melange aus allen drei Richtungen? Egal eigentlich, denn was Lea W. Frey und die Band hier liefern, ist in sich ein faszinierendes Album mit sphärischer Dichte und Weite. Die traumklare Stimme von Lea W. Frey liegt nicht über den Instrumenten, degradiert die Musiker nicht zu reinen Begleitern sondern ist meist mittendrin, und ist dennoch die Guideline der Songs über Veränderungen, Umbrüche, Umwelt und Beziehungen. Die Band ist quasi ein gewachsener Organismus, jeder Einzelne sehr präsent aber nie dominant. Mit Arrangements, die an Jazz orientiert aber immer noch sehr griffig sind wird eine wahrhaft magnetische Aura erzeugt. So wirkt “Waters Ember“ auf mich gleichzeitig schwerelos und erdrückend. Bei „Plateau“ denkt man anfangs an The Smiths um den Gedanken dann nach einer Minute zu verwerfen, später doch wieder Anklänge zu hören, um dann im langen Noise-Outro dem Heulen des Windes zu folgen. Sicher funktionieren die Stücke auch jedes für sich, das poppige „Plateau“ und „Dylan“ haben sich sofort festgehakt. Wenn man sich aber die Zeit und Muße nimmt die das Album braucht, schwebt man durch einen fantastischen Klangkosmos, in dem alle Genregrenzen irrelevant sind.  Thomas

Die Konzerttermine: 17.10.2017 – Radio EINS, Dachlounge; 20.10.2017 – Wiesbaden, Rudersport; 21.10.2017 – Brelingen, Brelinger Mitte; 27.10.2017 – Magdeburg, Moritzhof; 28.10.2017 – Bielefeld, Ulmenwall; 31.10.2017 – Berlin, Berghain Kantine; 04.11.2017 – Eberswalde, Guten Morgen; 05.11.2017 – Weimar, Mon Ami; 15.11.2017 – Traunstein, Tropical; 16.11.2017 – Ingolstadt, Tagtraum; 30.11.2017 – Nürnberg, Z-Bau; 01.02.2018 – Kassel, Theaterstübchen; 23.03.2018 – Leipzig, Telegraph; 25.03.2018 – Ludwigsburg, Fetzerei; 07.06.2018 – Lauenau, Kesselhaus; 10.06.2018 – Kiel, Kulturforum.

Paddy Bush und die Musik Madagaskars (Teil 2)

Foto: Forum Schlossplatz/Nadine Schneider

Auf der Leinwand erscheint ein Bild aus den Love & Anger“-Sessions: Dave Gilmour ist zu sehen, und er selbst an der Marovany. „Hier seht ihr eine andere Version von Paddy“, meint er mit einer augenzwinkernden Anspielung auf seine physiognomische Veränderung. „Mein Vater hat beim Akkordeonspielen immer den Mund weit offen gehabt und im Rhythmus geatmet. Das sah wirklich ein wenig doof aus. Ich habe mir schon als Kind geschworen: Wenn ich mal Musiker werde, dann mache ich das nicht!“ Nun, Paddy hat auf dem Foto den Mund weit offen. Und dann erklingt „Love & Anger“, das er stolz als das erste Stück aus der Geschichte der Popmusik ankündigt, in dem ein traditionelles madagassisches Instrument verwendet wurde.
Paddys Marovany-Bau blieb nicht ohne Folgen. 1992 war ein schwieriges Jahr für die Bush-Familie, denn Mutter Hannah starb. „Kate und ich waren in tiefer Verzweiflung“, erinnert er sich. „Ich hatte in Paris gerade eine CD mit dem Projekt Spondo um Hughes de Courson und Ivan Lantos gemacht. Sie riefen mich an, dass ich nochmals rüberkommen sollte, damit sie von mir ein Foto fürs CD-Cover machen könnten. Ich sträubte mich, denn ich war so verheult von der ganzen Trauer, dass ich nicht fotografiert werden wollte, aber sie bestanden drauf. Als ich dann da war, sagte der Toningenieur der Band zu mir: ‚Du, da ist ein madagassischer Musiker, der im New Morning gespielt hat und der hat gehört, dass du eine Marovany nachgebaut hast. Er möchte dich kennenlernen.“
Dieser Musiker war kein anderer als Justin Vali, der im Begriff war, einer der Stars der gerade blühenden Weltmusikszene zu werden. Die beiden verstanden sich blendend, und Paddy nahm Justins aktuelle CD „Rambala“ mit nach England, wo er sie Kate vorspielte. „Wir waren beide immer noch im Zustand tiefer Verzweiflung und hörten diese Musik, in der uns die Sphäre der Fröhlichkeit wieder berührte. Die tiefe, ehrliche Fröhlichkeit, die die Madagassen haben, nichts Aufgesetztes. Kate hat sich sofort in das Stück  ‚Soratra Masina‘ verliebt. Am Ende singt Justin einen Vers, der bedeutet: ‚Lass Fröhlichkeit aus uns zu euch hinüberfließen.‘ Kate war völlig fixiert auf diese Phrase, sie liebte sie so sehr. Und sie sagte zu mir: ‚Paddy, bring Justin hier her, ich will unbedingt mit ihm arbeiten.“

Der Bugatti-Rennwagen des Zither-Gottes

Foto: Forum Schlossplatz

Der Rest ist Legende. Im Studio entstand „Eat The Music“, eigens für Justin geschrieben, der nicht nur Valiha spielte, sondern schließlich auch den Chorus sang. Paddy schätzt, dass sich die Auskopplung vier Millionen Mal verkauft hat, wohl wissend, dass nur einem Bruchteil der Leute der madagassische Hintergrund des Songs bewusst war. Für Paddy war das der endgültige Startschuss für ausführliche geographische und musikalische Exkursionen in die Seele Madagaskars. Um für die Valiha einen neuen Kontext zu kreieren, der sie in die Popmusik des Landes hineinbringen sollte, produzierte er mit Justin die Scheibe „The Sunshine Within“. Ein Stück, auf dem alle existierenden Valiha-Varianten vorgestellt werden, gelangte zu Berühmtheit im madagassischen Fernsehen, wurde für Werbeclips verwendet. Über eine Reise zu Justin Valis Familie und seinem kulturellen Umfeld auf dem Hochplateau drehte er 1994 mit dem Filmemacher Christian Passuello die Dokumentation „Rambala“, die er in einem wunderbar singenden Französisch moderiert (hier ein Ausschnitt: http://www.christianpassuello.com/films/rambaladm.html). Und zwei Jahre später begab er sich für die Doku „Like A God When He Plays“ auf die Suche nach dem halbmythischen Marovany-Virtuosen Rakotozafy (diesen Film gibt es hier komplett).
„Rakotozafy hat ein riesiges Instrument gebaut, es sieht aus wie ein Bugatti-Rennwagen. Er stammte aus einer Gegend, die in Madagaskar einen ähnlichen Ruf hat wie bei uns die Umgebung des Dracula-Schlosses. Als wir sagten, dass wir dahin gingen, hat man uns etwas ironisch viel Glück gewünscht. Ich fragte: ‚Warum?‘ Sie sagten: ‚Dort praktizieren sie Hexerei. Sie tun dir Sachen ins Essen und können dich verrückt machen. Wenn ich du wäre, dann würde ich da nicht hingehen.‘ Dass Paddy sich mit seinem Team trotz der Warnungen in das Gebiet wagte, hat sich gelohnt. Die Doku ist eine bewegende Reise zum Grab seines Vorbilds. Rakotozafy starb schon in den 1970ern unter sehr traurigen Umständen. Sein Sohn brach auf der Bühne zusammen und das hat den Musiker seelisch zerstört. Innerhalb weniger Wochen starb er an Herzversagen. Paddy kam gerade rechtzeitig zu einer Zeremonie, in der der Musiker in einem Famadihana geehrt wird. Dabei wird der Leichnam kurz dem Grab entnommen, damit die Lebenden Kontakt herstellen können und so neue Kraft und Inspiration von den Ahnen finden. Paddy sucht auf seine Weise den Kontakt auch in Aarau: Seine zweite Live-Einlage während des Vortrags ist dem „Zither-Gott“ gewidmet.

Die Theatertruppe des Königs

Und nun folgen Klangbeispiele Schlag auf Schlag –  man wird sich klar darüber, welche Fülle an Klängen Madagaskars birgt. Viele der musikalischen Einblicke stammen aus der fünfteiligen Radioserie „World Routes“, die Paddy vor einigen Jahren mit der Musikjournalistin Lucy Duran für die BBC erstellt hat, und die auf der Seite von BBC Radio 3 immer noch komplett zu hören ist. Er stellt den großartigen Akkordeonvirtuosen Justin René vor. Ja, die Valiha werde durch die Gitarre und eben vor allem durch das durchsetzungsfähige, laute Akkordeon bedroht und verdrängt, aber diesen ansteckenden, „engelsgleichen“ Klängen könne sich niemand entziehen. Das Akkordeon im Beispielstück wird von einer Blechbüchsen-Rassel namens Kaiamba begleitet: „Ich bin durch die Hölle gegangen wegen dieses Rhythmus‘. Es gibt Babys, die diesen Rhythmus schon in der Wiege mit dem Fuß schlagen. Du musst zu einem Kolben in einem Motor werden, wenn du das exakt spielen willst. Die rhythmische Exaktheit madagassischer Musiker ist unglaublich.“
Mein persönliches Lieblingsbeispiel aus Paddys Fundus ist der Hira Gasy: Das Genre entstand im 18. Jahrhundert und wurde vom damaligen König persönlich ins Leben gerufen. „Sie waren Botschafter des Königs, sind auf dem Hochplateau herumgereist, um Verkündigungen des Palastes zu Gehör zu bringen. Heute reisen die verschiedenen Gruppen, die den Hira Gasy ausüben in allen Regionen Madagaskars herum und bekommen riesige Zuschauermengen.“ Monarchie gibt es auf Madagaskar nicht mehr, die Hira Gasy-Truppen kommentieren stattdessen mit beißender Ironie den Alltag, üben etwa Kritik an der Kirche, die sich mit der Ahnenreligion nicht immer verträgt. „Lass nicht zu, dass deine Ahnen in Düngemittel für Kartoffeln umgewandelt werden“, heißt es in dem Stück das wir hören: Schneidende, helle Stimmen, werden da von einem Ensemble begleitet, in rasender Präzision. Man kann sich die Massenwirkung dieser Musik sofort vorstellen.

Vier Hölzer und der Weckruf an den Waldgeist

Und Paddy führt weiter durch die madagassischen Musikwelten, weckt die Faszination für vier Frauen aus dem Süden, die aus nichts als vier Holzstöcken namens Atranatrana eine polyrhythmische Fülle herausholen. Er macht bekannt mit dem Musiker Sambiasy aus der Kriegerkaste des Antandroy-Volkes im Süden, der eine Marovany aus drei verschiedenen Hölzern spielt und die Waldgeister herbeiruft. Sein persönliches Lieblingsstück allerdings stammt von einem Zitherspieler namens Bekamby, den er mit dem BBC-Team während eines achtstündigen Tromba-Rituals traf. Wie sich Melodie und komplexe Rhythmik ineinander verschlingen, das lässt einen in der Tat nicht mehr los. „Selbst wenn ich 100 Jahre übe, das werde ich mir nie draufschaffen können. Ein Beispiel dafür, wie man als Hörer Feuer fangen kann, wenn man eine Melodie hört.“ Es besteht kein Zweifel: Viele der Zuhörer in Forum Schlossplatz haben Feuer gefangen nach den 90 Minuten. Und viele aus der „Generation Kate Bush“, die vielleicht nur aus Neugier über die prominente Schwester gekommen sein mögen, haben einen lebendigen Einblick in eine andere Musikkultur bekommen, dank der ansteckenden, warmherzigen Art des Referenten. Zum Ende erklingt „The Red Shoes“, ein Stück, das ja auch genau so zustande kam: weil sich da jemand von Paddy anstecken ließ. © Stefan Franzen

Mit herzlichem Dank an Paddy Bush, Eva Keller und Nadine Schneider vom Forum Schlossplatz!

…to be continued: Im Interview nach dem Vortrag erzählt Paddy unter anderem, wie Kate wirklich zum Klavier kam, er berichtet über seine Experimente im Instrumentenbau, erklärt, warum er vom Zitherspiel auf die Fertigung von Glasperlen umstieg, was ihn an der „Before The Dawn“-Show am meisten faszinierte – und er macht neugierig auf seine und Kates musikalische Zukunft.

Paddy Bush und die Musik Madagaskars (Teil 1)

Foto: Forum Schlossplatz/Nadine Schneider

Bis in die letzte Stuhlreihe ist der kleine Saal im Forum Schlossplatz besetzt. Als ein „Ort der Reflexion und Debatte“ stellt sich die seit 1994 im schweizerischen Aarau bestehende Einrichtung dar. Das Publikum soll hier “zur Auseinandersetzung mit kulturellen und gesellschaftlichen Fragen der Gegenwart“ angeregt werden. Dafür haben die Macher aber auch wirklich eine schöne Stätte gefunden: eine alte Villa, die hoch über der Aare thront, am Eingang zur Altstadt der Aargau-Metropole mit ihren trutzigen Häusern. Was hier gleich passieren wird, darauf weisen in diesem schönen Saal mit seinen knarrenden Dielenböden und dem Kronleuchter zwei Dinge hin: Vorne, auf einem kleinen Podest, ruht ein länglicher Metallkasten mit Saiten, den man als Experte vielleicht als die Zither Marovany erkennt. Und an der Wand ist eine kleine Karte von Madagaskar festgepinnt.
Von hinten erschallt ein „Good Evening“ und ein Mann mit grauem Wuschelkopf nimmt im Schneidersitz an der Marovany Platz. Im nächsten Moment ist der Raum erfüllt von filigranen Tongirlanden, die nicht nur Weltmusikfreaks bekannt vorkommen. Auf Kates Alben „The Sensual World“ und „The Red Shoes“ kann man solche auch entdecken. Kein Wunder, denn besagter Herr mit dem grauen Wuschel und dem fast zarten Lächeln ist ihr Bruderherz Paddy Bush. Klar, er hat sich schon ein wenig verändert, seit er in der Fernsehfassung von „The Wedding List“ den Bösewicht spielte oder auf den Werbefotos für The Red Shoes“ posierte, doch man erkennt ihn sofort. Was um Himmels willen tut er mitten in der Schweiz? Die Antwort ist denkbar einfach: Er möchte Begeisterung wecken für seine größte Leidenschaft seit Jahrzehnten, die Musik Madagaskars. Zu den Eidgenossen hatte ihn eine gute Freundin, die Ethnologin Eva Keller gelockt. Sie ist auf Madagaskar spezialisiert, hat im Erdgeschoss der Villa eine Ausstellung namens „Teny – Tany – Tantara“ mit einem außergewöhnlichen Konzept kuratiert: Man erschließt sich an etlichen Lausch-Stationen die Rieseninsel ganz über den Hörsinn. Nachdem schon der große Röhrenzither-Virtuose Justin Vali im Rahmen der Ausstellung ein Konzert gegeben hat, passt es wunderbar, dass Justins Kumpel Paddy sich nun auch die Ehre gibt. Sein Vortrag heißt „The Beauty and Complexity of Malagasy Music“, wird immer wieder von Klangbeispielen und Anekdoten durchzogen – und einige davon berühren natürlich auch die Arbeit mit seiner Schwester.
Von Beginn an ist klar: Paddy ist ein großartiger Geschichtenerzähler. Wenn er seine Biographie anhand der madagassischen Töne entrollt, kann man gar nicht anders, als sich von der Begeisterung anstecken zu lassen. Wenn er spricht, tänzelt er manchmal vor Enthusiasmus, wenn er der Musik zuhört, hat er ein fast hingebungsvolles Lächeln auf den Lippen. Er hat diese charakterstarke, britisch distinguierte Stimme, die jetzt im etwas fortgeschritteneren Alter (der Mann wird demnächst 65) an eine mildere Ausgabe des deutschen Synchronsprechers Christian Brückner erinnert. Auf fast unheimliche Weise wird mir bewusst, an wie vielen Stellen er nicht nur singend und spielend, sondern auch sprechend auf Kates Alben vertreten ist. Das wäre doch mal eine schöne Aufgabe, denke ich mir während des Vortrags: Eine Liste aller Passagen von „Never For Ever“ bis „50 Words For Snow“ erstellen, in denen Paddy Bush einen Sprechereinsatz hat.

Valiha – Bambus kontra Metall

Und schon sind wir mittendrin in der Materie. Paddy zeigt auf die Landkarte: „Madagaskar ist eigentlich so etwas wie die Vereinigten Staaten des Indischen Ozeans. In den letzten 2000 Jahren wurde es von Menschen aus dem gesamten Indischen Ozean besiedelt. Sie sehen sich alle als madagassisch an, nicht aus Afrika, Indonesien oder aus Borneo.“ Übers Meer kam auch der Bambus, der schließlich in riesigen Wäldern an der Ostküste wuchs und aus dem die Röhrenzither Valiha gefertigt wurde. Man schnitt Kerben in die Haut, schälte so die Saiten heraus. Vergleichbare Instrumente gab es zuvor schon bei Ureinwohnern im Regenwald des heutigen Chinas. Es könnte das älteste Instrument der Welt sein. „Tausende von Jahren wurde die Valiha so gespielt, dann kamen die Franzosen auf die Insel, brachten Fahrräder mit, und die Leute kamen auf die Idee, die Saiten aus den Bremskabeln herzustellen.“ Wie silbrig und kristallklar dadurch plötzlich der Sound wurde, demonstriert Paddy an einem Klangbeispiel des Virtuosen Sylvestre Randafison. Die wunderbar fließenden Linien hören sich fast wie eine klassische Konzertharfe an. Doch wie kam er eigentlich selbst zur madagassischen Musik?
Sein Urerlebnis geht tatsächlich bis ins Jahr 1972 zurück. Paddy studierte damals bei der Ethnomusikologin Jean Jenkins, und die brachte eines Tages die Platte „Musiques Malgaches“ mit, die Charles Duvell fürs Label Ocora in den 1960ern aufgenommen worden war. „Ich war neunzehn, und das Stück ‚Ianao Ve De Roso‘ veränderte mein Leben“, sagt Paddy, während wir zwei schnarrende Männerstimmen hören, die sich über einem Riff von Klängen der Lokanga Voatavo-Zither  abwechseln. „Für mich hörte sich das wie ein Bob Dylan-Song mit komplizierten Rhythmen an, von dem ich kein Wort verstand. Sehr alt und doch irgendwie zeitgenössisch.“ 1972 war es noch fast unmöglich, Musik aus Madagaskar zu finden, und es dauerte weitere neun Jahre, bis er wieder auf madagassische Töne stieß.

Nackt-Yoga in Glastonbury

„Ich bekam einen Anruf von Michael Eavis, dem Chef des Glastonbury-Festival. Er wollte, dass Kate dort auftritt. Doch wir hatten zwei Jahre zuvor die Tour Of Life beendet, sie war in der Produktion von „The Dreaming“ und es war unmöglich, jetzt wieder etwas auf die Bühne zu bringen. Ich teilte Michael das mit, und er erzählte mir, dass sie gerade dabei waren, fürs 10-jährige Jubiläum in Glastonbury eine neue Bühne zu entwerfen. Ich sagte zu ihm: ‚Michael, warum baust du nicht eine Pyramide?‘ Einige Zeit später rief er mich wieder an und sagte: ‚Paddy, wann kommst du vorbei und schaust dir deine Pyramide an? Und übrigens: Hat Kate ihre Meinung geändert?‘ Nein, hatte sie nicht. Aber ich ging zum Festival, und das war ein großartiges Jahr, denn ich fand dort diese Platte.“ Paddy zeigt ein Cover, auf dem ein Musiker vor einem Metallkasten mit Saiten sitzt. Er, der in den 1970ern Instrumentenbau und -technologie studiert hatte, liebte seltsame Instrumente – allein deshalb musste er die Platte kaufen. Und sofort hören. Doch wie, wenn auf dem ganzen Festivalgelände kein Plattenspieler aufzutreiben war? „Ich traf eine Freundin, die war gerade dabei, Nackt-Yoga zu praktizieren. Sie sagte: ‚Kein Problem, ich zieh mir nur gerade Stiefel an und du klemmst dich hinten auf mein Motorrad. Bei mir zuhause können wir sie hören.‘“
Auf dieser Ocora-LP namens „Airs à Dancer pour Cithare Sur Caisse de Sud Ouest de Madagascar“ waren unter anderem Stücke der Ahnenverehrung namens Tromba zu finden, und sie faszinierte Paddy so, dass er sie Hunderte von Malen hörte. „Was ich bis dahin an Geistermusik gehört hatte, war Voodoo, verrückt, wild, mit Trommeln. Doch das hier war weich, zärtlich, und eine sehr hoch entwickelte Musik.“ Paddy war so im Bann dieser Musik, dass er die Metallbox, die der Musiker Robert Rindy aus dem Fischervolk der Vezo im Südwesten Madagaskars auf dem Cover spielte, nachbauen wollte. Als Maß diente ihm der Fuß des Musikers auf dem Bild. Und so schaffte er es tatsächlich, seine eigene Version der Marovany aus plattgehämmertem Wellblech herzustellen. „Zehn Jahre später habe ich Robert auf einem meiner Trips ausfindig gemacht. Bernhard Koechlin, der ihn in den 1960ern aufgenommen hatte, hatte ihm auch eine Platte geschickt. Aber leider gab es bei Robert weder einen Plattenspieler noch eine Nackt-Yogi, die ihn zu einem bringen konnte. Also spielte ich ihm seine eigene Aufnahme auf einem winzigen Kassettenrekorder vor. Ich werde den Tag nie vergessen, wie er das hörte und mit leuchtenden Augen sagte: ‚Das bin ich!‘“ Paddy blieb ein paar Wochen bei Robert und ging in die Marovany-Lehre. Doch die Madagassen bringen einem die Musik eigentlich nicht bei, sie monieren lediglich, wann man etwas falsch spielt. Für Paddy eine große Herausforderung, trotzdem ließ er sich nicht ermutigen. Und so kam es, dass auch wir bald in den Genuss seines Zitherspiels kamen… © Stefan Franzen

Kate in Polaroids: Oktober

Running Up That Hill

Running up that hill, erzählt MIchael, „war eines der ersten Lieder von Kate, die ich bewusst wahrgenommen habe. Alleine der Synthyklang zu Beginn des Liedes ruft bis heute freudige Erinnerungen hervor. Und er schlägt für mich die Brücke zu den ersten Polaroids: Viele Erfahrungen sind gemacht. Aber diese muss ich nun nicht mehr alleine machen. Es gibt jemanden, der sie mit mir teilt. Mit dem ich sie austauschen kann. Der mich hält. Und das tut sehr gut.” Let’s exchange the experience. Dabei gesteht MIchael ein, dass es eine Umdeutung des Songs sein könnte: „Vermutlich geht meine Interpretation in diesem Foto völlig an der Intention von Kate Bush vorbei.“ Kate hat sich vergleichsweise oft zu dem Song geäußert. „So what that song is about is making a deal with God to let two people swap place so they’ll be able to see things from one another’s perspective“, sagt sie in einem Interview. Es geht also um eine Beziehung, um Missverständnisse, die auftauchen können, und den Wunsch, mehr über die Sichtweise des Partners zu erfahren. All‘ das versucht auch Michael in seiner Deutung unterzubringen: die Partnerschaft, die Freude darüber einen Menschen gefunden zu haben. mit dem er seine Erfahrungen austauschen kann, teilen will, weil nur der dauerhafte Austausch eine Partnerschaft erhalten kann. Ob bewusst oder unbewusst greift er dabei zudem abstrakt auf einen Ausschnitt eines bekannten Motivs zurück: Die Erschaffung Adams von Michaelangelo aus der Sixtinischen Kapelle. Was könnte besser passen bei einem Song, der eigentlich „A Deal With God“ heißen sollte?!

Ein Interview mit dem Fotografen gibt es hier; seine Webseite hier.

Neu in der Sammlung: Rubberband Girl

Rubberband Girl habe ich schon immer innigst geliebt – vom Original bis zur extended Version und der dahingeschrammelten und genuschelten Director’s Cut-Version. Die hat es sowieso in sich, auch wenn sie höchst umstritten ist. „I thought the original ‚Rubberband‘ was… Well, it’s a fun track. I was quite happy with the original, but I just wanted to do something really different. It is my least favourite track. I had considered taking it off to be honest. Because it didn’t feel quite as interesting as the other tracks. But I thought, at the same time, it was just a bit of fun and it felt like a good thing to go out with. It’s just a silly pop song really, I loved Danny Thompson’s bass on that, and of course Danny (McIntosh)’s guitar“, hat Kate 2011 zu der DC-Version im Mojo-Interview erzählt. Dabei spielt der Gitarrenpart von Danny zum  Schluss kaum mehr eine Rolle, weil stattdessen die Mundharmonika einsetzt. Und erst das US-Video. Kate ganz cool abwechselnd in der Lederjacke, mit Sonnenbrille, in der Zwangsjacke oder die große Showbühne herunter steigend. Wundervoll. Um so mehr freue ich mich, dass ich neulich auf Ebay die Picture-Vinyl ergattern konnte. Irgendwie werde ich doch mit und mit zum Sammler…

Selbstgemachte Glasperlen von Paddy Bush

Foto: Lucy Hunt

Dass Paddy Bush ein Faible für Weltmusik hat, sich insbesondere für die Musik auf Madagaskar interessiert, sich als Instrumentenbauer betätigt, als Musiker unter anderem zur selben Zeit mit Colin Lloyd-Tucker ein Album herausgegeben hat, als der wiederum für Kate beim Album „The Red Shoes“ bei zwei Songs mitgesungen hat – all das war hier passend zum Auftritt von Paddy am Donnerstag im schweizerischen Aarau bereits ein Thema. Erst recht, dass er Kates Musik nicht ganz unwesentlich mit beeinflusst hat. Über eine ganz andere Seite von Paddy erfährt man eher weniger: Seit dem Jahr 2000 beschäftigt er sich intensiv mit der Herstellung von Perlen aus Glas. Auf Madagaskar haben solche Glasperlen eine religiöse Bedeutung. Das oben abgebildete Objekt ist vor 2008 entstanden und war 2010 sogar in einer Ausstellung im Glasmuseum in Immenhausen (Hessen) zu bewundern. Laut Beschreibung ist das 3,2 Zentimeter hohe Glasperlen-Ei von „Ariel’s opening speech“ inspiriert. Ariel ist im Theaterstück „The Tempest“ (Der Sturm) von Shakespeare der Luftgeist, der dem Herrscher Prospero dient. Dem entliehen ist auch der Titel für dieses Mini-Kunstwerk: „… to dive into the fire, to ride on the curl’d clouds'“, eine Textzeile aus dem Theaterstück von Shakespeare. Das rot-orangene Glas zeigt die zündelnden Flammen, die sich zum Himmel hoch strecken, bis zu den Wolken, die schwarzen Flecken symbolisieren den schwarzen Rauch. Erstmals gezeigt wurde das Objekt auf der British Glass Biennale 2008. Paddy selbst hat 2011 noch in einer irischen Gallerie ausgestellt und dort neben seinen selbstgebauten Instrumenten und Bildern zu seinen Madagaskar-Reisen auch seine Glasobjekte präsentiert – unter anderem verschiedene Versionen von dem „Ariel-Ei“.

Nie war sie wütender: The Dreaming wird 35

Ich bin in bester Gesellschaft! Für mich, für Musiker wie Björk, Big Boi und zahlreiche andere, ist „The Dreaming“ das beste Kate Bush-Album. Zum damaligen Zeitpunkt von der Presse belächelt (‚jetzt ist sie vollkommen verrückt geworden‘), von der Plattenfirma fallen gelassen (‚das verkauft sich nie‘), von Kritikern zerissen, wurde „The Dreaming“ mittlerweile vollkommen von den Medien rehabilitiert und wird heute von vielen Kritikern als innovativ und wegweisend in den Himmel gelobt. Völlig zu Recht – mit „The Dreaming“ war Kate Bush ihrer Zeit ganz weit voraus. „A theatrical and abstract piece of work,“  „a brilliant predecessor to the charming beauty of 1985’s Hounds of Love“, „a delirious, head-spinning experience“ sind nur einige der Lobeshymnen, die heute auf das Album gesungen werden. Ohne „The Dreaming“ wäre „Hounds of Love“ nicht möglich gewesen, deshalb gibt es gleich zwei Gründe zu feiern! Zu den schönsten Sammlerstücken gehören wohl die beiden Promo Sampler aus Kanada und den USA, sowie die 7″ Single „Night of the Swallow“ aus Irland. „The Dreaming“ wurde übrigens auch auf pinkfarbenem Vinyl gepresst, leider nur als Testpressung und limitiert auf fünf Stück. Happy hunting, und Happy Birthday „The Dreaming“! Michael Guth