Von Brasilien nach Ägypten

mapWer von Brasilien nach Ägypten fahren will, hat’s leicht: man nehme einfach die Brontë-Linie und ist elf Stationen später da. Koplizierter wird es, wenn man gemeinsam mit dem smarten Schiffsjungen rechtzeitig zu Weihnachten zu Hause sein will und vorher noch Ken, Lily und Joanni abholen muss – immerhin gibt wenigstens den soeben neu veröffentlichen Plan für die Londoner U-Bahn, so dass man sich im Großstadtdschungel perfekt zurechtfinden kann. Sehr schön – wer auch immer den entworfen hat.

Zwei Nominierungen für die Q Awards

q350Die Londoner Konzerte haben Kate gleich zwei Nominierungen für die Q Awards eingebracht. Der Preis des englischen Musikmagazins „Q“ wird in diesem Jahr zu 25. Mal verliehen und gilt in England als eine der bedeutendsten Auszeichnung für Musiker.

Kate wurde in der Kategorie „Bester Live Act“ nominiert, zusammen mit Arcade Fire, den Arctic Monkeys, Kasabian und
Jack White. Eine weitere Nominierung erhielt sie in der Kategorie „Best Act in the World today“ – neben den Arctic Monkeys, Pharrell Williams, Arcade Fire sowie Kasabian. Beide Preise sind Zuschauerpreise, dementsprechend kann man hier und hier für Kate abstimmen und mit etwas Glück auch Karten für die Preisverleihung gewinnen. Die Gewinner sollen am 22. Oktober bekanntgegeben werden.

Kate wurde zuletzt 2001 – also vier Jahre vor der Veröffentlichung ihres Albums Aerial – mit einem Q Award in der Kategorie „Best Classic Songwriter“ geehrt und erschien tatsächlich zur Preisverleihung. Die nutzte sie, um nach langer Wartezeit ein neues Album anzukündigen: “This is just great, I am making an album but it is just taking a little longer than I thought and I have been having a great time with my son.

Aufmarsch der Promis im Hammersmith Apollo

kyliebigboiEin Drittel der Konzerte ist durch und die Liste der Promis, die sich für Kate in die Warteschlange einreihen, wird immer länger. Beim Auftaktkonzert wurden unter anderem Dave Gilmour, Lily Allen, Marc Almond und Holly Johnson (Frankie goes to Hollywood) gesichtet. Björk ließ sich später blicken und wurde von einem Fan prompt auf einem Foto verewigt. Inzwischen wurden auch Keira Knightley, Big Boi, Boy George, Natasha Khan, Jimmy Page, Jude Law, Rupert Everett, Toni Collette und Steve Coogan (Alan Partridge) vor Ort gesehen.

Autogramm für Big Boi

Big Boi postete anschließend ein Foto von einer von Kate bjoerk400signierten The Whole Story-CD – er muss Kate also vor oder nach dem Konzert noch getroffen haben. Am Samstag veröffentlichte dann Gitarrist David Rhodes auf seiner Facebook-Seite, dass Sir Elton John, Peter Gabriel, Stella McCartney, Kylie Minogue und Kate Moss beim Konzert waren. Kylie Minogue war offensichtlich begeistert. Auf Twitter schrieb sie: „THAT. WAS. AMAZING.“

Keine Bestätigung gibt es bisher dafür, dass auch David Bowie, Madonna, Chrissie Hynde und Grace Jones bei einem der Konzerte gewesen sein sollen, was gerüchteweise immer wieder auftaucht. Ansonsten scheinen sich viele englische B- und C-Promis im Hammersmith Apollo zu tummeln…

Neues Cover von Love and Anger


Beim jährlichen Kate-Tribute in der Chicagoer Kult-Kneipe „The Whistler“ ist am 3. September auch die Band “Savage Sister” aufgetreten, die bereits mehrere Alben veröffentlicht hat. Die Truppe besteht aus Chloe Lundgren (Vocals/Synths), Caitlin Klask am Bass und Michael Tenzer (Synth/Guitar). Drei Kate-Songs haben sie gespielt: “Hounds of Love”, “Wuthering Heights” and “Love and Anger”. Das Cover von „Love and Anger“ gibt’s jetzt auch auf Soundcloud.

Shopping-Tour mit Kate

btd-jackebtd-rescueJacke, T-Shirts, Tourbook, Kaffeetasse, Anstecknadeln, Poster, Drucke – für den Kate-Fan gibts am Merchandising-Stand bei den Konzerten alles, was das Sammlerherz begehrt. Während das Tourbook mit 15 Pfund durchaus günstig ist, sind die Preise für T-Shirts oder Jacke schon etwas heftiger. 60 Pfund muss man für die Kapuzenjacke hinlegen, T-Shirts kosten immerhin 25 Pfund. Zu den Kostbarkeiten zählen numerierte Kunstdrucke (das Ticket-Motiv; ist aber wohl schon ausverkauft), das Rescue-Kit und angeblich kann man für stolze 500 Pfund auch einen Fish-People-Kopf kaufen (der dann geliefert wird). Das Angebot ist etwas unübersichtlich, weil nicht immer alles ausliegt bzw. offensichtlich auch neue Fanartikel hinzukommen, so zum Beispiel das Life Jacket Shirt für 25 Pfund, das es am Amfang noch nicht gab. In der 20-minütigen Pause ist der Merchandising-Stand im Foyer vollkommen umlagert, etwas leichter ist es nach dem Konzert. Bezahlung mit Kreditkarte ist natürlich möglich. Wer nur das Tourbook will, hat es einfacher: einzelne Mitarbeiter rennen mit dem Tourbook durch den Saal und auch durchs Foyer. Wer das Hospitality-Ticket hat, kann übrigens am bequemsten einkaufen – in der Kirche gibt es auch einen Verkaufsstand. Man muss dann allerdings natürlich alles mit ins Konzert schleppen und gut drauf aufpassen.

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„Es gibt keine adäquate Reaktion, nur das Staunen bleibt“

btd-tnw620Von Werner Huemer
Freitag, 29. August 2014, Eventim Apollo, Hammersmith, London. Das „Warten auf Kate“ endet um 19.45 Uhr. Pünktlich und unspektakulär marschieren sieben Musiker auf die Bühne und greifen nach ihren Instrumenten. Applaus tost auf. Dann, barfuß (oder jedenfalls schuhlos), langhaarig, in einem dunklen Mantel, Kate Bush selbst. Der Applaus wächst zum Orkan an. Standing ovations als Willkommensgruß für die 56jährige Ausnahmekünstlerin, die nach 35 Jahren für 22 Shows in Folge erstmals wieder auf der Bühne steht, nach einem halben Menschenleben, in dem sie durch ihre wundervolle Musik immer irgendwie, aber nie wirklich präsent war.
Es gibt sie also tatsächlich. Kate Bush ist doch nicht nur die Märchenfee auf vergilbten Bildern und Postern, alten Videos und Plattenhüllen. Die Realität erscheint surreal, die frenetische akustische Umarmung will nicht enden – bis die Musik die gereifte Künstlerin aus der Umklammerung des Publikums befreit:

„Lily“, „Hounds of Love“, „Joanni“, „Running Up That Hill“, „Top of the City“ … Es hat etwas Magisches, diese Titel erstmals live zu hören – und ausgerechnet hier, in jenem Theater, in dem vor 35 Jahren die einzige Konzert-Tournee Kate Bushs gefilmt wurde: Im Londoner „Hammersmith Apollo“ endete die „Tour of Life“ der damals 20-jährigen.

Das Konzert

Die Songs ziehen unmittelbar in den Bann, und ohne Zweifel agieren hier Weltklassemusiker allererster Sahne, jeder für sich eine Solo-Institution, gemeinsam ein Sound-Maschinerie, die den Bush-typischen Bogen von zarter Melodik zu stampfenden Beats, von Jazz- und Klassik-Anklängen bis zu rockiger Ekstase mühelos schlägt. Als Herz der Band pumpt Drummer Omar Hakim seine Rhythmen in den Raum. Er hat mit Jazz- und Popgrößen von Miles Davis bis Michael Jackson, von den Dire Straits bis Madonna, von Bobby McFerrin bis Bruce Springsteen gearbeitet – und selbst schon ein halbes Dutzend CDs veröffentlicht. Hakim gilt international als einer der wichtigsten Schlagzeuger der letzten Jahrzehnte. Unterstützt wird er von seinem französischen Kollegen Mino Cenelu – Percussionist, Komponist, Musikproduzent. An den Keyboards (sowie am Akkordeon und am Dudelsack) agiert Kevin McAlea, der Kate Bush schon 1979 auf ihrer „Tour of Life“ begleitet hatte, am Bass John Giblin (Simple Minds, Peter Gabriel etc.). Und dann wären da noch zwei Spitzen-Gitarristen: David Rhodes (der über viele Jahre mit Peter Gabriel arbeitete) und der isländische Singer-Songwriter Frissi Karlsson, der von José Carreras über Tom Jones bis hin zu Cliff Richard oder Madonna ebenfalls schon mit zahllosen Größen aus der Musikbranche zusammengearbeitet und auch einige Solo-Alben veröffentlicht hat.
Kate Bushs Stimme ist über die Jahre etwas erdiger geworden, harmonisiert mit ihrer weniger ätherisierten, mehr urmütterlichen Erscheinung. Immer wieder Standing ovations, unglaubliche Begeisterungsstürme. Und doch … nach dem vierten oder fünften Titel wächst die Erwartung, dass da noch etwas kommen sollte. Klasse Sound-Orchester, traumhafte Stimme, perfekte Technik – schön und gut. Aber wir erleben hier nicht nur ein herausragendes Popkonzert. Das ist Kate Bushs Welt. 1979 setzte die 20-Jährige mit ihrer damaligen Bühnenshow für zwei Künstlergenerationen Standards. Jeder einzelne Song eine Inszenierung, eine Mischung aus Musik, Tanz, bunt schrägen oder einfach bezaubernden Requisiten. Sollte es diesmal bei einem simplen Konzert bleiben?

The Ninth Wave

„King of the Mountains“ folgt – Kate Bushs eigenwillige Erinnerung an Elvis Presley. Aber dann, am Ende des Songs – „the wind ist whisteling“ –, wirbeln mächtige Wind- und Nebelmaschinen kleine Zettelchen von der Bühne in den Raum. Ein Gedicht des britischen Poeten Lord Alfred Tennyson (1809–1892) ist darauf zu lesen: die alte Seemannserzählung von der „neunten Welle“. Auf stürmischer See wächst Welle um Welle an, bis die letzte, überwältigend große, die neunte, sich langsam erhebt und brüllend zusammenstürzt – „und die Welle war in Flammen“ … „The Ninth Wave“ – ein Zyklus aus Kate Bushs frühem Meisterwerk „Hounds of Love“.
Das Vorspiel ist zu Ende, die Show beginnt. „And Dream of Sheep“ … „Under Ice“ … „Waking The Witch“ … „Watching You Without Me“ … „Jig of Live“ … „Hello Earth“ … „The Morning Fog“ – die Geschichte einer Frau, die nach einem Schiffsunglück auf offener See ums Überleben kämpft, sich im Ertrinken aus ihrem Körper löst und sich bei ihrem Sohn (gespielt von Bushs Sohn Bertie McIntosh) als „Poltergeist“ meldet – musikalisch in prächtige, erweiterte Arrangements gekleidet. Und optisch: Eine unvergleichliche, schlicht atemberaubende Collage aus Theater-, Film- und Musikelementen. Da schwirrt ein Teil der Beleuchtung als Suchhubschrauber durch den Saal; eine Filmzuspielung (gedreht in der Wasserbühne der durch die James-Bond-Produktionen bekannten „Pinewood“-Studios) zeigt die Protagonistin, wie sie auf offener See treibt (Kate Bush singt im Wasser übrigens „live“, also ohne Playback); ein grandioses Bühnenbild geht ins nächste über, die Leinwand zeigt die Realität, die Bühne den Traum; Lichtbänder und Lichtwolken tragen Rhythmen, Melodien und Chöre und umgekehrt. Eine einstündige kreative Explosion, für die neben dem Regie-Duo Kate Bush und Adrian Noble (ehemaliger Chef des Theaterensembles der „Royal Shakespeare Company“) der Set Designer Dick Bird (der als Ausstatter international schon zahlreiche Opern-, Theater- und Ballettproduktionen kreiert hat), die Kostümbildnerin Brigitte Reiffenstuel (tätig unter anderem für die Metropolitan Opera New York) sowie der renommierte Licht-Designer Mark Henderson (er betreute unter anderem zahlreiche West-End- und Broadway-Produktionen) verantwortlich zeichnen.
Wunderbarerweise lenkt der ungeheure szenische Aufwand nicht im Geringsten von der Musik ab, sondern führt, ganz im Gegenteil, mitten in sie hinein. „Kate sieht ihre Musik ebenso, wie sie sie hört“, sagt Tim Walker, der die Szenen für das Programmheft fotografierte. „,Before the Dawn‘ erlaubt dem Publikum einen Einblick in das, was Kate sah, als sie die Musik komponierte.“
Immer wieder Szenenapplaus und Standing Ovations … bis die „neunte Welle“ schließlich abebbt. Eineinhalb Stunden sind vorüber, eine übliche Konzertlänge. Aber diese Show geht erst in die Pause. Rechts oben ist eine überdimensionale Feder an den Bühnenvorhang projiziert. Wir haben das Element Wasser verlassen, nun steht wohl ein „luftiger“ zweiter Konzertteil bevor  – und lässt mich vorsichtig auf das eigentlich Unvorstellbare hoffen, das bisher Erlebte könnte noch einmal überboten werden. Denn Kate Bushs spätes Meisterwerk „Aerial“, das sich damit ankündigt, gehört für mich zum Allerschönsten, was in den letzten Jahrzehnten komponiert wurde.

A Sky of Honey

Aber wie kann man Luft in Szene setzen? In „Sky of Honey“, einem Teil ihres Doppelalbums „Aerial“, erzählt Kate Bush von der Verbindung zwischen dem Licht und dem Gesang der Vögel. Warum, fragt sie sich, löst das Morgenlicht das Singen aus? Und warum endet es, wenn das Licht am Abend stirbt? „Sky of Honey“ erzählt auch von der Faszination der Naturbeobachtung. Von den Empfindungen, die der Zauber des Lebens erweckt.  Von einem Maler, der die Farben des Lichts an seine Leinwand heftet, bis der Regen sie zärtlich mit sich spült. Von dem Menschen, der die Natur wie Peter Pan mit kindlichem Gemüt als Märchenwelt erlebt, Moment für Moment.
„Prelude“ … „Prolog“ … „An Architect’s Dream“ … „The Painter’s Link“ … „Sunset“ … „Aerial Tal“… „Somewhere in Between“ … „Nocturn“ … Magische Ruhe im Einklang mit hypnotisierender Intensität … möge diese Musik, mögen diese Lichtfluten nie enden! Etwas wie Ergriffenheit, vielleicht auch Ratlosigkeit lagert über dem Publikum. Applaus, Standing Ovations, Bravo-Pfiffe … nichts würde diesen Augenblicken gerecht. Es gibt keine adäquate Reaktion, nur das Staunen bleibt. Wir alle sind Peter Pan.
Auf der Bühne tappt, lugt, tanzt Peter als kindgroße Holzpuppe vor der Leinwand des Malers und zwischen den Musikern umher. Alles ist eins. Hochzeit von Künstlern und Publikum. Den Maler Ivan Aivazovsky spielt und singt Bertie McIntosh. Kate Bush hat ihrem Sohn mit „Tawny Moon“ ein eigenes Stück geschrieben.
Vielleicht tatsächlich noch grandioser als im ersten Teil des Abends wirkt im Songzyklus „Sky of Honey“ das Sounddesign von Greg Walsh. Der renommierte Toningenieur und Musikproduzent hat mit Luciano Pavarotti ebenso gearbeitet wie mit Tina Turner oder Pink Floyd. Sein Name ist auf mehr als 50 Millionen Tonträgern zu finden. Nicht allein Kate Bush liebt die Perfektion. Und wenn sie hier, „ehe der Morgen dämmert“, gemeinsam mit den Vögeln lacht und „Aerial“ schließlich in einem finalen musikalischen Showdown endet (wobei Kate Bush selbst vom Bühnenboden abhebt; aber über solche Momente wird sich zu diesem Zeitpunkt wohl niemand mehr gewundert haben), dann braucht dieses Live-High-Tech-Surround-Erlebnis klanglich in keinem Moment den Vergleich mit Bushs Studioalben zu scheuen.
Dann, nach fast drei Stunden Show, schließt sich der Himmel aus Honig. Noch einmal entladen sich die Emotionen. Rufe, Pfiffe, Getrampel in fast unerträglicher Lautstärke. Es gibt jetzt keine 40-, 50- oder 60-Jährigen mehr im Saal, es gibt nur noch diesen alle Alter vereinenden Moment.
Und dann noch einen.

In Search of Peter Pan

Kate Bush setzt sich für eine Zugabe allein an den Flügel – oder ist es gar keiner? Irgendwann während der Stürme der letzten Stunde muss sich irgendwie ein Baum durch das Instrument gebohrt haben. Mir wird dieses Detail der Show erst jetzt bewusst … viele andere sind mir wahrscheinlich ganz entgangen. Also ein Klavier mit Zubau? Egal. Völlig gleichgültig, denn die Show ist zu Ende. Nur noch eine feine Stimme durchdringt den Raum. Überirdisch. Kate Bush singt „Among Angels“ ganz im Stil der Klavier-Solostücke ihrer ersten beiden Alben – ausdrucksstark, nuancenreich, weich und höhensicher. Und das nach dieser Tour de force. Unglaublich.
„Cloudbusting“, noch einmal gemeinsam mit Band und Chor (hatte ich den erwähnt?), schließt den Abend ab. Chor sind nun Tausende. Jeder kennt den Song. „I just know that something good is gonna happen“. Ja, ohne Zweifel.
Was bleibt? Gefilmt und fotografiert habe ich, dem Wunsch der Künstlerin entsprechend, nicht. Kate Bush bat schon im Vorfeld ihrer Shows, wie es eine Journalistin sinngemäß formulierte, „in der nettesten Art“, darum, iPhones und iPads, Foto- und Filmkameras ausgeschaltet zu lassen, um ganz den Moment erleben zu können. Auch in den internationalen Fernsehberichten zur Premiere waren keine Live-Bilder zu sehen, und die wenigen YouTube-Schnipsel waren bald wieder aus dem Netz verschwunden.Jedenfalls bleibt die Erinnerung an ein in seiner Schönheit nachhaltig berührendes Gesamtkunstwerk. „Ich habe nur zweimal geweint“, behauptete ein Musikjournalist nach der Show. Das war wohl feiner britischer Humor. Oder können Männer wirklich so hart sein?
Und es bleibt das Programmheft. Ein kleiner 15-Pfund-Luxus, den ich mir als Erinnerungshilfe geleistet habe. Erst jetzt, nach Tagen, entdecke ich, dass die „Background“-Berichte in dem Heft tatsächlich – auch drucktechnisch – einen „Hintergrund“ haben. Die Blätter dieses Heftteils sind gefaltet gebunden, die Rückseiten erscheinen auf den ersten Blick nur ganzflächig schwarz. Wer genauer hinschaut, kann in diesem versteckten Druck allerdings ein paar Grafiken und Textzitate erspähen. Doch müsste man die Seitenkanten mit dem Messer aufschneiden, um die „inneren Geheimnisse“ des Progammheftes genau sehen zu können. Damit würde man es zerstören.
Ein schönes Gleichnis. Der wahre Peter Pan muss nicht alles beleuchten und analysieren. Er lässt das Geheimnis einfach Geheimnis sein, unzerstört. Und bewahrt es damit für immer.
„Before the Dawn“ wird ein großes Geheimnis bleiben.
(Mit freundlicher Genehmigung von Werner Huemer.)

Das Foto des Monats: September

september620You’re here in my head, like the sun coming out

Was passt im Moment besser als ein Bild zu dem Song, mit dem sich Kate auf der Bühne von ihren Fans verabschiedet? 1985, als der Song veröffentlicht wurde, gab es noch kein Internet und Xavier war auf britische Musikmagazine angewiesen, wenn er mehr über Kate erfahren wollte. Die gab es in einigen öffentlichen Büchereien. Mit dem Text von „Cloudbusting“ hatte Xavier zunächst Verständnisprobleme, bis er Jahre später die genauere Geschichte über Peter und Wilhelm Reich erfuhr. „In den Momenten, in denen ich den Song hörte, war ich immer von der Strophe Every time it rains / You’re here in my head / Like the sun coming out fasziniert. Speziell die Übereinstimmung von Musik und Text hat Xavier beeindruckt. Und durch die zum Schluss zu hörende  Lokomotive, die ihre Fahrt drosselt, hat ihn das musikalische Arrangement auch immer ein bisschen an einen Zugführer erinnert, der durch den Song steuert. Mit dem Text in der Hand, hat sich aber gleichzeitig auch ein festes Bild in seinem Kopf verselbstständigt: ein stürmischer Himmel, der sich verflüchtigt und der Sonne Platz macht. „Immer, wenn es nach einem Regen aufklart, habe ich seitdem diesen Song in meinem Kopf – aber aufmunternd und positiv, immerhin singt Kate ja: I just know that something good is going to happen. Das Bild hat Xavier in Paris geschossen, genau in so einem Moment, wo die Sonne durch die Wolken brach. Um den dramatischen Eindruck zu verstärken, hat er es dann noch leicht bearbeitet.
Wer den Beitrag über Xavier Recasens verpasst hat, findet den Text hier.

„Stimmlich nah am Original“

martinaVon Martina Schuch

Es ist genau eine Woche her, das große Ereignis. Am 27. September war ich mit meinem Lebensgefährten auf dem Kate Bush-Konzert. Am Dienstag sind wir nach London geflogen und im Alice Hotel abgestiegen, dieses Hotel in Hammersmith ist vom Hammersmith Apollo ca. 5 Minuten entfernt (zu Fuß). Zuerst sind wir natürlich zu dem Ort des Geschehens und haben die noch nicht vorhandene Schlange begutachtet.
The KT Fellowships presents – BEFORE THE DAWN –  Sold out, stand da angeschrieben.
Oh wie aufregend. Wir sind aber erst morgen dran…
Also erst mal eine kleine Sightseeing-Tour mit dem Doppeldeckerbus. Es hat ja die ganze Zeit geregnet.
Am nächsten Vormittag sind wir als erstes in den Pup „The Swan“ gegangen und haben englisch gefrühstückt. Hier wollten sich ja die Kate Bush-Fans vor dem Konzert treffen. Martin’s Kate Bush Meet Up-Group aus Facebook. So früh war natürlich noch keiner da.Gegen Abend war es aber schon voller, und als wir sagten, dass wir zu Kate gehen, war das ein großes Hallo und man kam gleich ins Gespräch. Es waren allein vier Frauen extra aus den USA angereist. Ich hatte aber nicht die Nerven, so lange dort zu bleiben und wir sind recht bald zum Apollo und haben uns in die Schlange eingereiht. Ein Kamerateam war da und hat die Leute interviewt. „Dreaming“ hat gesungen. Und alle waren ganz aufgeregt und haben sich über Kate unterhalten.
Zuerst habe ich mir ein Tourprogramm gekauft. Dies ist wirklich sehr aufwändig gemacht. Einige Seiten sind noch nicht aufgeschnitten, zuerst dachte ich, es wäre ein Fehler und man müsste sie noch aufschneiden.
Aber es ist so gewollt. Wenn man hinein linst, sind kleine Botschaften zu entdecken. Eigentlich sollte man sich zwei Tourprogramme kaufen, eins zum Schmökern und eins zum Sammeln.
Kate erzählt in dem Tourenprogramm die Entstehungsgeschichte der Konzerte.
In March of 2013, I said to Bertie, „Shall we do some live Shows?“ He said, „Yes. Absolutely!“ I really wanted to do something different from working on another album and felt a real desire to have contact with the audience that still liked my work.
Nach einigen guten Unterhaltungen mit anderen Kate Fans ging es dann endlich los. Brav wie ich bin, habe ich keine Fotos gemacht. Kate kam auf die Bühne und das Publikum hat vor Freude getobt. Was mich sehr überrascht hat, war die kräftige Stimme von Kate. Gerade bei „Lilly“ ist das sehr aufgefallen.
Die Reihenfolge der Lieder sind ja bereits eingehend beschrieben worden. Ich werde deshalb nicht auf die einzelnen Lieder eingehen. Kate machte den Eindruck, viel Spass zu haben. Sie hat die ganze Zeit gestrahlt und auch mit dem Publikum kommuniziert und sich immer wieder bedankt. Sie hat auch erklärt, warum sie nicht möchte, dass Fotografiert wird. Durch die Bühnenaufbauten sei es gefährlich, wenn die Akteure durch Fotoshootings abgelenkt werden.
Gegen Ende des ersten Aktes, nach „King of the Montain“, wurde eine Art Konfetti Richtung Publikum gepustet. Kleine, gelbe Zettelchen mit einem handschriftlich wirkenden Aufdruck „Wave after Wave….“ Davon habe ich mir in der Pause ein paar eingesammelt.
Bei der gefilmten Szene in „The ninth Wave“ hat man gesehen, dass Kate wirklich sehr gefroren haben muss. Sie hat total gezittert und eine ganz rote Nase gehabt. Das Ganze hat sehr real gewirkt. So, als wäre sie wirklich kurz vor dem Ertrinken. The Ninth Wave war ja natürlich der absolute Höhepunkt der Show. Hier hat sie sich stimmlich und musikalisch sehr an das Original gehalten. Die Darstellung war so, dass man sich, auch wenn man die Stücke nicht kennt, sehr gut die ganze Geschichte vorstellen konnte.
In der Pause haben sich unsere Sitznachbarn, drei Jungs aus Liverpool, ganz aufgeregt unterhalten und immer nach vorne links gedeutet. Björk sitzt da vorn…. Aha, mit Björk und Kate in einem Raum, wer hätte das gedacht. Aber ich habe sie nicht gesehen. Es hat sich auch keiner getraut, sie anzusprechen.
Nach der Pause gab es einen ganz neuen Bühnenaufbau. „A Sky of Honey“ wird aufgeführt.
Hier treten auch der große Bertie als Maler und der kleine Bertie in Form einer von einem Puppenspieler geführten Holzpuppe in Größe eines etwa vierjährigen Kindes auf.
Als die CD Aeriel entstanden ist, muss Bertie wohl auch in diesem Alter gewesen sein. Ich kann mir richtig vorstellen, wie der Kleine immer zwischen den Instrumenten umhergelaufen ist und gespielt hat. Der große Bertie hat seinen großen Auftritt und singt ein neues Lied „Tawny Moon“. Sehr gut für einen 16-Jährigen, ich muss sagen, er hat eine große Bühnenpräsenz! Zum Schluss von Honey kann die kleine Holzpuppe auf einmal alleine laufen. Springt und tanzt herum. Bertie ist groß geworden und kann alleine laufen. Der absolute Höhepunkt ist, als Kate einen mit Federn bestückten Flügel anhat und etwa zwei Meter hoch in die Luft gezogen wird. Ich hatte den Eindruck, die Musik im dritten Teil ist etwas mehr improvisiert. Kate gibt einige Stimmakrobatik zum Besten und einmal singt sie kurz eine leicht arabisch klingende Melodie. Mein Gedanke war natürlich gleich, dass so etwas auf einer neuen CD zu hören sein könnte. Standing Ovations nach dem Dritten Teil. Das Publikum ist begeistert.
Als Zugabe dann „Among Angels“ mit Kate am Klavier. Ein Traum! Und als letztes Lied „Cloudbusting“. Dann ist das Konzert zu Ende. Fast drei Stunden. Drei Traumhafte Stunden.
Das ist jetzt eine Woche her. Vieles habe ich schon wieder vergessen. Ich wünschte, ich hätte noch ein Ticket für eine weitere Show. Einige, mit denen ich gesprochen hatte, gehen zwei oder drei mal hin. Ich war damals froh, überhaupt für mich Karten bekommen zu haben. Aber jetzt im Nachhinein denke ich, ich hätte doch noch versuchen sollen, noch Karten für ein weiteres Konzert zu bekommen. Deshalb hoffe ich auf die DVD vom Konzert.

Bring it. Shake it down. Bring it out. Let it in.

aerialEvery sleepy light
Must say goodbye
To the day before it dies
In a sea of honey
A sky of honey

 

Der Vorhang fällt. Er ist blutrot, eine Feder ist zu sehen. Was jetzt folgt, ist klar: A Sky of Honey. 45 Minuten der wundervollsten Musik, die man glaubt in- und auswendig zu kennen. Und wie fängt A Sky of Honey an? Falsch! Die ersten leisen Töne passend zum Bühnenset mit rieselnden Schneeflocken stammen vom Titelsong von 50 Words for Snow. Die ersten Tauben gurren, Mummy? Daddy? The day is full of birds… erklingt. Bertie mit junger Stimme vom Band, eingestreute Disharmonien bei Prelude, während Prologue komplett runderneuert ist. It’s gonna be soo good. Der Puppenspieler betritt die Bühne, bewegt die hölzrne Puppe, groß vielleicht wie ein sechsjähriges Kind, vorsichtig über die Bühne, ist neugierig, geht zum Klavier, legt Kate eine Hand über die Schulter. Am Ende der Show bei Aerial ein vollkommen unerwarteter Effekt, der fast untergeht: die Puppe rennt alleine weg… Prologue ist in der neuen Version fast zehn Minuten lang und hat einen komplett neuen Teil erhalten, der durch Glocken eingeläutet wird. Einfach umwerfend. Bring it. Shake it down. Bring it out. Let it in. Bei An Architect’s Dream betritt bertieBertie wieder prominent die Bühne, fängt an, auf einem riesigen Monitor als Painter das Bild zu malen und bei The Painter’s Link sieht man, wie die Farben verschwimmen. Mit Sunset steuert Sky auf den nächsten Höhepunkt zu. Sanft mit Akkordeon-Klängen beginnt das Stück, plätschert verträumt dahin – Zwischenapplaus – und dann hält es niemanden mehr auf den Stühlen – die Halle tobt zu spanischen Rhythmen und kann kurz drauf bei Aerial Tal erleben, wie Kate sich mit den Vögeln unterhält und sie imitiert. Live!
Wenn ich einen Lieblingssong von Kate aussuchen sollte, wäre das mit hoher Wahrscheinlichkeit Rocket’s Tail. Somewhere in birdsBetween ist aber vermutlich dichter dran, als jeder andere Kate-Song. Ihre Liveversion ist unfassbar schön. Mit dem neuen Song Tawny Moon, den Bertie präsentiert, steuert Sky auf das Finale zu: Nocturn und Aerial. Bei Nocturn taucht plötzlich eine Passage aus Waking the Witch auf, bis sich der Song immer mehr steigert und übergangslos Aerial angestimmt wird. Glocken läuten wieder, David Rhodes grätscht dazwischen und Omar Hakim ist es dann wieder, der das Startzeichen zum losrocken gibt. Dawn has come. Und dann geht alles viel zu schnell zum Schluss…die Puppe rennt weg, David Rhodes mit Vogelkopf verkleidet und Kate tanzen in Zeitlupe über die Bühne, Papiervögel fliegen durch die Luft, ein Baum kracht durch das Piano und ich bekomme es gar nicht mit, weil so viel gleichzeitig geschieht. Und ganz zum Schluss fliegt Kate mit Flügeln einfach davon….ATEMBERAUBEND.
Puh. Durchatmen. Ich bin klatschnass geschwitzt. Die Show ist fast gelaufen. Jubel ohne Ende. Und dann kommt Kate wieder auf die Bühne. Es ist einer der ergreifendsten Momente überhaupt. Sie setzt sich alleine ans Piano und singt Among Angels. Nur sie am Piano. Mit einer unglaublichen Stimme. Die sechs tränenreichsten Minuten. Vielleicht wird sie nie wieder eine Konzertreihe geben. Aber Among Angels ist der Beweis dafür, dass es nicht immer eine bombastische Show braucht, um Kates Lieder genießen zu können. Ein Piano reicht vollkommen aus. Danach steht sie vollkommen entspannt mit Band in einer Reihe mit ihren Background-Sängern und stimmt für George (vermutlich George Sinclair, Assistant Tour Director, zum Geburtstag mit dem ganzen Saal ein Happy Birthday an, bevor zum Abschluss eine entspannte, stripped-down Version von Cloudbusting folgt, die im Jubel fast untergeht. Die Show ist vorbei. Am liebsten würde ich bis zum nächsten Konzert einfach sitzen bleiben und diese opulente Show ein zweites, drittes und viertes Mal genießen. Diese Stimme. Unglaublich. Und diese Freude, die Kate ausgestrahlt hat…

There’s a ship out there in real trouble

tnw-zettelWave after wave, each mightier than the last,
Till last, a ninth one, gathering half the deep
And full of voices, slowly rose and plunged
Roaring, and all the wave was in a flame

King of the Mountain war schon furios und endet ebenso: mit einem Knall. Konfetti-Kanonen schießen kleine, gelbe Zettel durch den ganzen Saal, auf denen die bekannten vier Zeilen eines Gedichtes von Tennyson stehen, auf denen Kates 85er Songzyklus The Ninth Wave basiert. Standen im ersten Teil des Konzerts einzelne Songs im Mittelpunkt, beginnt jetzt das, was man kaum in Worte fassen kann und gesehen haben muss: eine szenische Umsetzung von den sieben Songs, die Kate in The Ninth Wave zusammengefasst hat. Nach dem Konfetti fällt der Vorhang, ein Video wird eingeblendet. Ein Anrufer alarmiert die Küstenwache, dass das Schiff Celtic Deep sinken würde, er gibt die Koordinaten durch, will aber seinen Namen nicht Preis geben. There’s a ship out there in real trouble. Er bittet und bettelt, man hört Stimmengewirr, die Leitung bricht zusammen. Plötzlich hört man das Signal der Rettungsweste, Kate wird auf einem Monitor mit Schwimmweste im Wasser eingeblendet und singt herzergreifend And dream of Sheep. Im Hintergrund erklingt immer wieder das Signal der Rettungsweste, man hört sie zwischendurch schwer atmen, es ist mucksmäuschen still im Saal und man steht staunend davor… Bei Under Ice wird sie aus dem Eis befreit, in dem sie gefangen ist, und wieder auf die Bühne hochgezogen. Waking The Witch gerät zum Tribunal vor einen Pfarrer. Ein Hubschrauber kreist plötzlich durchs Publikum und sucht das Meer wywmnach Vermissten ab, gibt die Suche auf und dreht dann wieder ab. Szenenwechsel: Bertie und Danny McIntosh sitzen in einem schwimmenden Wohnzimmer und streiten sich, was sie essen wollen und im TV gucken sollen. Eine Tür zum Nachbarzimmer geht zu – dahinter steht Kate und singt Watching you without me. Sie will ihren Sohn und ihren Mann berühren, sie sehen sie nicht. Listen to me. Talk to me. Eine perfekte Umsetzung des Songs. Man sieht Kate wieder im Wasser, sie erwacht und schreit ein LET ME LIVE heraus – zu einer Piano-Melodie, die auf The Ninth Wave nicht enthalten ist. Jig of Life gerät überaus furios, mit einem langsamen Intermezzo, bis es sich wieder steigert und Kates Bruder inselJohn Carder Bush eingeblendet wird, der die Zeilen „Can’t you see where memories are kept bright? Tripping on the water like a laughing girl…“ rezitiert. Noch furioser und dramatischer wird das Finale von The Ninth Wave. Bei Hello Earth versucht Kate eine Rettungsinsel zu erreichen. Sie wird schließlich von den Fish People geborgen und von der Bühne getragen – mitten durchs Publikum und durch den Seiteneingang hinausgebracht – direkt vor meiner Sitzreihe… eine Armlänge entfernt…ein unglaublicher Moment. Begeisterter Jubel erfüllt den Saal, während im Hintergrund schon eine leichte, beschwingte Folk-Version von The Morning Fog startet, mit Gitarre und Akkordeon, und Kate wieder unter Beifall die Bühne betritt. Eine Szene, bei der an diesem Abend nicht die letzte Träne gekullert ist. The Ninth Wave stellt alles in den Schatten, was ich bisher auf einer Bühne gesehen habe. Mir fehlen da schlicht die Worte, es treffend zu beschreiben: es ist eine Mischung aus Theater, Oper und Rockkonzert, die ans Herz geht und so viele Emotionen freisetzt, dass man Tage braucht, um das zu verarbeiten. Wäre das Konzert jetzt zu Ende gewesen, wäre ich schon der glücklichste Mensch der Welt gewesen. Gottseidank war es nur die Pause…

It’s you and me won’t be unhappy

btd77Oh thou, who givest sustenance to the universe
From whom all things proceed
To whom all things return
Unveil to us the face of the true spiritual sun
Hidden by a disc of golden light
That we may know the truth
And do our whole duty
As we journey to thy sacred feet

Das Licht geht aus. Oh Thou, who givest sustenance to the universe… Der Eingangsmomolog von Lily ist zu hören, die Band setzt ein, Drummer Omar Hakim gibt das nicht zu überhörende Startzeichen, und dann bricht der Jubel los: Kate kommt barfuß auf die Bühne, im wallenden Gewand, strahlend, sie führt die Background-Sänger an. Und Kate rockt los. Ausgerechnet Lily als Opener. Auf alles hätte ich getippt, niemals auf diesen Song. Die Stimme ist zum niederknien. Sie arbeitet sich regelrecht durch den Song, bei den Textzeilen „Child, you must protect yourself, I’ll show you how with fire“ und „Lily, Oh Lily I’m so afraid, I fear I am walking in the Veil of Darkness“ gibt es Szenenapplaus, weil sie den Text geradezu herausschreit, ganz so, als ob auch sie 35 Jahre darauf gewartet hat, wieder auf einer Bühne zu stehen. Der Song ist viel zu schnell vorbei und noch im Jubel erklingt schon mit „It’s in the trees, it’s coming“ der Einstieg zu Hounds of Love. And here I go… Kate tanzt leichtfüßig über die Bühne. Joanni startet mit einem Drum-betonten Intro, bis dann der Synthesizer einsetzt. Was dann folgt, ist Gänsehautfeeling pur: Top of the City. Die Tempi-Wechsel sind schlicht atemberaubend. Schon auf Director’s Cut war es für mich mit dem orchestralen Gewand eine der gelungensten Neuafnahmen, live kullern da schnell die Tränen über die Wange. Und noch ehe man auch nur eine kleine Chance hat, das alles zu verdauen und zu realisieren, dass man sich mitten in einem Kate Bush-Konzert befindet, wird man von Running up that Hill mitgerissen. It’s you and me won’t be unhappy. Das Publikum flippt aus und wird mit dem nächsten Highlight belohnt: David Rhodes zaubert ein Intro für King of the Mountain, das man so schnell nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Omar Hakim knallt einem die Drum-Töne nur so um die Ohren, Kate haucht ihr The wind is whistling through the house und man fragt sich, warum dieser Song nicht erfolgreicher war als Running up that Hill. 2005, als dieser Song das erste Lebenszeichen nach zwölf Jahren Wartezeit auf Kate war, hat er mich schon umgehauen, aber diese Live-Version stellt alles in den Schatten. Wenn es jemals eine Live-CD geben sollte, muss das die Single-Auskopplung sein.

Alle elf Alben in den Top 50!

charts620Nach der BBC4-Doku über Kate vermeldete officialcharts.com, dass alle elf Alben von Kate in die Top 100 eingestiegen sind. Das war am 26. August, genau an dem Tag, an dem Kate ihr erstes Konzert gab. Elf Alben in den Top 100 Verkaufscharts – wer soll sowas toppen? Die simple Antwort: Kate Bush, denn inzwischen sind alle elf Alben unter den Top 50! Die Reihenfolge: Das Best of-Album The Whole Story liegt auf Platz 6, gefolgt von Hounds auf Platz 9. Auf Platz 20 50 Words For Snow, 24 The Kick Inside, 26 The Sensual World, auf Platz 37 steht The Dreaming, auf 38 Never for Ever, Lionheart auf Platz 40, Aerial auf 43, Director’s Cut auf 44 und The Red Shoes auf Platz 49. Besser waren bisher nur Elvis (nach seinem Tod standen 12 Alben unter den Top 40) und die Beatles (mit elf Top 40-Plätzen 2009 zur Wiederveröffentlichung ihrer Alben).

Have you ever seen a picture of Jesus laughing?

ticket3008picknick1Um punkt 16 Uhr öffnen die Tore zum Ticketschalter. Und kurz drauf halte ich den addressierten Umschlag mit dem Ticket in der Hand. Endlich. Zwei Ehrenrunden um die Kirche, zurück ins Hotel, frisch machen und kurz drauf ab zum „Picknick“. Lecker. Sehr lecker. Aber ein zweites Ticket oder ein zweites Konzert wäre mir deutlich lieber gewesen. Links neben mir jemand aus dem englischen Forum, schräg gegenüber ein sehr nettes Paar aus Mainz, rechts ein netter Engländer. Und wir quatschen beim Essen. Mit dem Engländer über Faußball, aber natürlich auch picknick2pausenlos  über Kate – und man spürt deutlich, wie angespannt wir alle sind. Zur Begrüßung gab es schon ein Tourheft… um genauer zu sein ist es ein Buch. Wie liebevoll das gestaltet ist, entdecke ich erst nach dem Konzert. Ich traue mich nicht es auszupacken, hinterher landet noch was von dem Essen auf dem Buch und Rotweinflecken machen sich auch nicht so gut. Beim Merchandising-Stand gibt es alles, was das Fan-Herz begehrt: Poster, T-Shirts, Anstecknadeln. Eine Kaffee-Tasse und eine Kapuzenjacke landen in meiner kirche1Tasche und ein zweites Tourbook. Noch eine Stunde bis zum Konzert. Die Nerven flattern. Wird das Konzert so, wie ich es mir erträumt habe? Wie tritt jemand auf die Bühne, die 35 Jahre lang keine Konzerte mehr gegeben hat? Wie reagiert das Publikum? Wie hört sich Kate live an? Wie geht man mit all den Emotionen um, die da auf einen einprasseln? Kann man diese hohen Erwartungen überhaupt erfüllen? Irgendwann blicke ich mich in der Kirche um. Ich hab mich nicht getraut nachzusehen, aber die Liedzeile aus Why should I love you?  geht mir da schon nicht mehr aus dem Kopf. Und gelächelt hat er auch bestimmt. Und dann kommt das, was mich vollkommen umgehauen hat und mich Tage später noch nahezu sprachlos macht…

Irgendwo in der Tiefe gibt es ein Licht…

koreaPilotenstreik, Vulkanausbruch, Terrorwarnung – alles Peanuts. Richtig spannend wird es erst am Checkin-Schalter. Einchecken nicht möglich, die Systeme funktionieren nicht. Leichte Nervosität, zumal die auch fünf Minuten später noch nicht funktionieren. „Haben Sie schon eingescheckt?“ Was für ne blöde Frage, warum steh ich denn vor dem Schalter?? „Dann haben Sie noch keinen Sitzplatz!?“ Doch, habe ich. Steht schließlich auf dem Ticket drauf. 5F – 5. Reihe, Fenster. Und dann kommt die Nachricht, mit der ich nicht gerechnet hatte: Durch den Streik muss ein anderes Flugzeug eingesetzt werden, und das ist kleiner und überbucht. Ich bin auf der Warteliste und dem Nervenzusammenbruch ziemlich nah. Alles zetern, jammern und betteln hilft nichts. Auch nicht, dass ich zu einem Konzert muss, auf das ich seit drei Jahrzehnten warte. Wir sind übrigens zu dritt. Eine Frau, die ihre Tochter in London besuchen möchte und erstmals alleine fliegt („Da muss was schiefgehen“) und ein Pathologe, der zu einem fünftägigen Kongress nach London will. In Gedanken fahre ich schon nach Hause, um mich ins Auto zu setzen und nach London zu brettern. Oder ein Zug ab Köln, egal wie teuer. Im Standby-Modus geht’s zum Gate, einer nach dem anderen steigt ein – bis auf drei. Alle Plätze belegt. Tief durchatmen. Irgendwo in der Tiefe gibt es ein Licht. Auch für mich. Zurück zum Checkin-Schalter. Alle sind sehr bemüht. In zweieinhalb Stunden geht ein Flieger ab Düsseldorf. Die Airline ist großzügig, spendiert Geld, ein Frühstück und einen Taxigutschein, kümmert sich um das Gepäck. Das dauert. Und dauert. Hektische Blicke auf die Uhr, schnell ins Taxi, ab nach Düsseldorf. Ab in den Flieger, ab nach London. Mit der U-Bahn geht’s nach Hammersmith, ein Schritt vor die Tür und ich steh direkt vor der Halle. Und ich mache genau das, was alle anderen später auch machen werden: als erstes die Kamera zücken. Dann einmal um die Kirche, wo schon das Essen vorbereitet wird und ab ins Hotel. Ne Runde schlafen und ausruhen hatte ich mir fest vorgenommen. Schlafen? Nicht dran zu denken. Der Wecker könnte nicht funktionieren oder ich so tief schlafen, dass ich erst nach dem Konzert wach werde. Man darf sein Glück nicht herausfordern. Um 15.30 Uhr dann brav in der Warteschlange anstellen. Alle sind positiv angespannt. Ein Pärchen neben mir kommt aus Holland, ein junger Mann aus Michigan und einer ist aus Süd-Korea – ohne Ticket, trotzdem extra eingeflogen in der Hoffnung jemanden zu finden, der noch ein Ticket übrig hat.

Something good is going to happen…

something

Es sind nur noch wenige Stunden bis zum Flieger. Ich hab den Piloten-Streik meiner Fluggesellschaft überstanden. Der war gestern. Die beste Garantie dafür, dass ich heute nach London komme. Gestern morgen auf dem Weg zur Arbeit dann die Meldung über den Vulkan Bárdabunga auf Island. Der ist ausgebrochen. Kann ich grad überhaupt nicht gebrauchen. Immerhin ist er einigermaßen friedlich und dampft nur, statt Asche regnen zu lassen. Auf dem Weg nach Hause dann die Meldung, dass in Großbritannien die Terrorwarnstufe erhöht wurde. Heathrow, ich komme. In friedlicher Absicht.