Trevor Leighton öffnet sein Archiv

Fotos: Trevor Leighton

Der englische Fotograf Trevor Leighton hat in den letzten Wochen gleich zwei bisher unbekannte Bilder mit Kate aus den Aerial-Fotosessions aus dem Jahr 2005 veröffentlicht. Leighton hat zuletzt die Bilder für die Ankündigung der Before the dawn-Konzerte beigesteuert, war aber auch an Cover und Booklet des Album 50 Words for Snow beteiligt, während die Bilder zu Director’s Cut von Tim Walker stammten. Dass Leighton 15 Jahre nach den Originalaufnahmen unbekannte Kate-Bilder veröffentlicht, ist fast schon schnell. Gered Mankowitz, der 1978 mit die ersten Bilder von Kate produziert hat, bestreitet heute noch Bücher aus seinem offenbar reichhaltigen Fundus, ebenso Guido Harari, der Kate von 1982 bis 1993 – also bis zur Pause vor Aerial – begleitet hat. Das angekündigte neue Buch von Gered Mankowitz „Symphony of you“ steht allerdings nach wie vor noch aus. Ein weiteres Buch will der Fotograf Max Browne veröffentlichen. Er hatte Kate 1979 auf Konzerten ihrer „Tour of life“ begleitet und vor rund einem Jahr die ersten Bilder gepostet. Zuletzt hat Browne die Zeit der Pandemie genutzt, die Negative einzuscannen und zu bearbeiten. Dabei konnte er auch einige Bilder dank digitaler Technik retten, die im Original falsch belichtet waren – etwa ein Foto von Kate im Duett mit Peter Gabriel. Die Bilder von Browne gibt es hier, ein passendes Video auf youtube hier.    

Das Song-ABC: Violin

In diesen merkwürdigen Zeiten sind Songs genau richtig, die über die Stränge schlagen. „Violin“ ist unter den Songs von Kate Bush vielleicht der, der darin am extremsten ist. Er schafft es, jeden trüben Gedanken aus dem Hirn herauszuprügeln. Kate Bush hatte diesen Eindruck beabsichtigt. Der Song sollte extrem sein und den Eindruck von Wahnsinn erwecken. Ein Spaß, ohne tiefere Bedeutung: „It was meant to be very fun, nothing deep and serious, nothing really meaningful, just a play on the fiddle, the things it represents, its madness.“ [1]
Bei solchen beschwichtigenden Äußerungen traue ich Kate Bush inzwischen aber nicht mehr über den Weg! Der Text setzt diesen „Spaß“ adäquat um, er ist gespickt mit Anspielungen, die in Richtung musikalischen Wahnsinns weisen – wir finden Paganini, den Teufelsgeiger, wir finden Nero, der zu Musik Rom niederbrennt. „[We] wanted to make it very bizarre and very very up and the idea was the mad fiddler, not so much the violinist in the orchestra but the mad fiddler like Paganini or Nero watching the city burn.“ [1]
Die Vermutung liegt nahe, dass Kate Bush genau die Gefahren kennt, die in exzessiver Musikausübung liegen. Die Protagonistin im Song wurde offenbar durch Geigenspiel verrückt gemacht. Die Besessenheit wird durch diffizile Wortspiele visualisiert. Da gibt es die vier Seiten der Violine über dem Steg, die die Protagonistin in die Bar bringen und dann betrunken schwindeln lassen („Four strings across the bridge / Ready to carry me over / Over the quavers, drunk in the bars / Out of the realm of the orchestra“). Dazu erklingt Musik, die heraus aus dem Reich der wohligen, schönen Klänge führt. Wir sind nicht mehr im Orchester-Reich mit seinen harmonisch klingenden Violinen. Es geht hinaus in eine Folk-Punk-Wildnis. Vielleicht ist die Protagonistin nicht nur besessen, vielleicht ist sie eine Hexe. Warum sollte sie sonst die Todesfeen der keltischen Mythologie, die Banshees, anrufen, damit diese die „Backing Vocals“ singen? „Give me the Banshees for B.V.s“.

Möglicherweise gibt es einen biographischen Hintergrund für den Song. Kate Bush hatte sich in der Kindheit an der Violine versucht, aber das dann zugunsten des Klaviers aufgegeben: „Well, I did when I was a child, yes, I learnt it for a few years but while I was learning it I discovered the piano, I couldn’t really relate to it in the same way.“ [1] Das ist wieder sehr zurückhaltend ausgedrückt. Jeder weiß, dass der Klang einer Geige in den Händen eines unerfahrenen Spielers schrecklich ist. Es ist nicht mit dem Klang eines Klaviers oder einer Gitarre zu vergleichen, wenn ein Anfänger damit übt. Es ist nicht schwer, sich zu diesen Klängen die wütende und frustrierte ewige Perfektionistin Kate Bush vorzustellen. Vielleicht ist all diese Wut dann in diesen Song geflossen. Eine erste Demoversion [5] stammt aus der Zeit vor „The Kick inside“, ist also möglicherweise kurz nach Abschluss der Schule entstanden. „What does a punk do at school? Maybe break a few windows and receive detention. […] There’s no stopping a goddamn banshee.“ [6]
Produziert wurde der Song als einer der ersten für das Album „Never for ever“. „The first stage of making Never For Ever happened last summer, when I actually decided to be brave enough to go ahead and „produce“ with Jon Kelly […]. We put down Blow Away, Egypt, Violin and The Wedding List at Air Studios […].“ [4] Die Arbeit ging dabei offenbar schnell voran, vielleicht war in der Demoversion schon alles Wesentliche gesagt. „Having been rehearsed with the band for two days, the tracks went down, and our first ‚productions‘, with the help of ideal musicians, were a success.“ [4]

„Violin“ ist der Song, in dem Kate Bush dem New Wave und dem Punk recht nah kommt und natürlich wurde sie dazu auch in Interviews befragt. Sie wies das zurück, gab aber ihre Bewunderung für die Wildheit und Rauheit dieser Musik zu: „I’m not projecting myself as a new wave person and people wouldn’t accept me as such because my music is generally not in that area. But I love the energy, I love the power and the rawness – I love raw music, it’s very primitive, it’s what so much of our music is about.“ [1] Ich glaube aber doch, dass es einen gewissen Einfluss gab. Vielleicht verweisen die Banshees nämlich auch auf „Siouxsie and the Banshees“, eine 1976 gegründete Band der Post-Punk- und Dark-Wave-Bewegung [7]. Auch die zeitliche Übereinstimmung zum Entstehen der Demoversion könnte passen. Einfluss ja oder nein, Kate Bush lässt auf jeden Fall vokal die Sau raus. Christine Artemisia Kelley drückt das in einer sehr schönen Besprechung des Songs wunderbar aus [6]: „In the chorus Bush completely lets herself go, gutturally howling “get the bow going/let it SCREAM to me” in her most punk moment ever, a massive departure from her previous singing. Is it any wonder John Lydon is a Kate Bush fan when she does songs like “Violin,” with vocals closer to „Never Mind the Bollocks“ than Pink Floyd’s „Animals“?“
Wahnsinn durchdringt jede Sekunde des Songs und nichts verdeutlicht das besser als Kate Bushs Auftritt mit diesem Song in der „Xmas Special“-Show, in der sie mit Fledermausflügeln tanzt und mit riesengroßen Geigen kämpft, um am Schluss erschöpft oder tot niederzusinken [8]. Besessenheit oder Hexerei – ich kann mich nicht entscheiden.
Auch musikalisch ist der Song bemerkenswert. Er kommt wie ein richtiger Rocksong daher, im marschierenden 2/2-Takt [2]. Es erklingen nur Dur-Akkorde, das ist geradeheraus, fast fröhlich, tanzbar. Aber die Tonart ist ein ganz unerwartetes H-Dur [2]. Warum unerwartet? Weiter weg von konventioneller Rockmusik kann eine Tonart kaum sein. H-Dur wird in der Musik selten verwendet und das hat seinen Grund. Es ist die Tonart des Übergangs ins Überirdische [3]. Der Liebestod aus „Tristan und Isolde“ steht in dieser Tonart, ebenso der Karfreitagszauber aus dem „Parsifal“ [3]. Es ist nach Beckh eine Tonart, die nicht mehr ganz im Irdischen verankert ist, es ist „die Vorahnung des Hinübergehens“. Überirdisch-verklärt und „Violin“, „Parsifal“ und Punk – größer könnte ein Kontrast für mich nicht sein. Aber vielleicht ist Musik für Kate Bush sowohl ein überirdisches Reich als auch ein Reich des Wahnsinns. Wie so oft sagt bei Kate Bush die Tonart mehr aus als das, was sie in einem Interview zu einem Song zugibt. © Achim/aHAJ

[1] NfE Interview – EMI (London)
[2] „Kate Bush Complete”. EMI Music Publishing / International Music Publications. London. 1987. S.162
[3] Hermann Beckh: Die Sprache der Tonart in der Musik von Bach bis Bruckner. Verlag Urachhaus. Stuttgart 1999. S.171ff
[4] Kate Bush: „Them Bats and Doves“. Artikel KBC Ausgabe 7. September 1980.
[5] https://www.katebushencyclopedia.com/violin (gelesen 09.12.2020)
[6] https://katebushsongs.wordpress.com/2018/09/26/violin/ (gelesen 14.09.2020)
[7] https://de.m.wikipedia.org/wiki/Siouxsie_and_the_Banshees (gelesen 26.12.2020)
[8] https://youtu.be/GoQHVEXODgg (gesehen 26.12.2020)

42 Bilder für Schnee-Synonyme

alle Fotos: Michael Dörr
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Wer mehr über den Fotografen Michael Dörr wissen will, muss sich in seiner Vita mit drei Sätzen zufriedengeben: „‚Ernsthafte‘ Fotografie seit 2009. Zunächst digital, dann wieder zurück zum analogen Material. Seit 2014 regelmäßige Ausstellungen, sowohl Einzel- als auch Gruppenausstellungen.“ So liest es sich auf „Polaroid-Gentleman“, einer Webseite von ihm. Den Begriff „Fotokünstler“ findet man da noch, alles andere muss man sich selbst erarbeiten. Zum Beispiel, dass Michael gerne mit analogen Kameras und Filmmaterial arbeitet, überwiegend in schwarz/weiß fotografiert. 2017 hatte Michael für morningfog.de zwölf Polaroids zu Songs von Kate produziert, die er später auch bei den Wiesbadener Fototagen im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst präsentiert hat. Vorab hatte er sich an einem anderen Projekt versucht. „Kate Bush veröffentlichte 2011 den Song 50 words for snow auf dem gleichnamigen Album, in dem sie 50 Synonyme für ‚Schnee‘ durch Stephen Fry vortragen ließ. Die Idee war es also, für jedes dieser ‚Synonyme‘ genau ein Foto zu machen, bis der Film voll ist. Dies dauerte über drei Jahre, da bei uns mittlerweile so gut wie nie mehr Schnee liegt“, erklärt Michael sein Projekt, mit dem er 2013 schon begonnen hatte. Ausgewählt hatte er eine Kleinbildkamera, weil die „anstelle der üblichen rechteckigen Fotos quadratische Bilder macht. Daher passen auf einen normalen Film (36 Aufnahmen) 54 Aufnahmen.“ Hätte also für die anvisierten 50 Schneebilder gereicht. Weil Michael der Effekte wegen gerne auch mit abgelaufenen Filmen arbeitet, hat er einen abgelaufenen SW-Film in die Kamera eingelegt. Bis Bild Nummer 42 ging auch alles gut. „Leider war die Kamera defekt, so dass der Film zwischendurch riss und sie gegen Ende des Films keine Bilder mehr aufgenommen hat. Ich war so frustriert, dass ich den (entwickelten) Film erst einmal in die Ecke warf“, erzählt er. Da blieb er dann vier Jahre liegen, bis er vor Kurzem die 42 Fotos entwickelt und aus seiner Seite eingestellt hat, wo sie hier zu bewundern sind – 42 gut gelungene Versuche, Kates Synonyme für Schnee in Fotoform abzubilden.

Frohe Weihnachten

Mit einem Gruß zu Weihnachten auf ihrer Internetseite hat sich Kate zu Wort gemeldet:
Hi everyone,
There’s very little that hasn’t already been said about 2020… I just hope you’ve managed to cope and to stay safe through all the ins and outs of lockdown.
Without the key workers on the front line, this year would’ve been so very different. A huge thank you to them, especially those working in the health services.
Wishing you all the best possible Christmas in such difficult circumstances and hoping there’s a much happier and brighter year ahead.
Kate

Auch wenn es keinen Hinweis auf neue Musik von Kate im kommenden Jahr gibt, bin ich trotzdem optimistisch, dass wir in 2021 von Kate hören werden.
Ich wünsche Euch allen frohe Feiertage und alles Gute für 2021. Bleibt gesund und passt auf Euch auf.
Burkhard

12 Kate-Momente: Dezember

© bugi

I sit here in the thunder
The green on the gray
I feel it all around me
September 2019. Der kleine Ort Sainte-Hélène am Golf von Morbihan im Garten des Ferienhauses.
Go into the garden, go under the ivy
Go under the leaves with me
An einem Baum schlängelt sich das Efeu empor. In dem Song geht es um einen Rückzugsort, vielleicht ein Ort aus der Kindheit. Das Ferienhaus und der Garten sind ein Rückzugsort auf Zeit, viel zu kurze Zeit.
I’ll be waiting for you
It wouldn’t take me long
To tell you how to find it…

Das TKI-Überraschungspaket

Ich habe mich mal wieder auf Ebay getummelt, weil ich meine deutsche „The Kick Inside“-Pressung gegen ein besseres Exemplar austauschen wollte. Was mir der Postbote dann brachte, hat mich dann doch aus den Hausschuhen geschossen. Beim Auspacken hab ich schon gemerkt, dass da was nicht stimmt. Mit der Zeit bekommt man ein Gefühl dafür, dass in einem Cover mehr steckt, als da eigentlich drin sein soll. Das Cover hat sich irgendwie dicker angefühlt. Als ich mir die LP dann ansehen wollte, rutschte mir schon die Pressemappe entgegen und beim Öffnen der selbigen musste ich mich dann doch setzten. Eine komplette Pressemappe mit Promo-Info und Foto plus dem Promo-Poster zu „The Kick Inside“! 42 Jahre schlummerte die Mappe unberührt in dem Cover – unglaublich! Genauso lange hab ich auch nach diesem Poster gesucht, das mittlerweile fast unmöglich zu bekommen ist, und wenn, dann nur zu horrenden Preisen. Was ich für die LP mit dem Press Kit bezahlt habe, nehme ich mit ins Grab, nur soviel – es war nicht der Rede wert. Happy hunting! Michael Guth

12 Kate-Momente: November

© bugi

November 2013. Sri Lanka, am Strand von Aluthgama. Eine Szene wie gemalt. Die Sonne geht langsam unter, taucht den Strand in honiggelbes Licht. Could be in a dream. Die Stimmung ist einzigartig. The sky’s above our heads, the sea’s around our legs, in milky, silky water. Es ist keine Mitsommernacht, es ist nicht der Atlantik, aber das ist egal. No one, no one is here. We stand in the Atlantic. We become panoramic. Ein unvergesslicher Moment, den man gar nicht auf Foto hätte bannen müssen, um ihn immer präsent zu haben. A diamond night. A diamond sea. And a diamond sky. Erst Zuhause sehe ich das, was das Foto so besonders macht. Fußabdrücke. The prints of our feet lead right up to the sea. Nocturn nimmt Gestalt an.

12 Kate-Momente: Oktober

© bugi

Unterwegs in der Nähe von Paimpont, westlich von Rennes, in der Bretagne. Der Wald von Paimpont ist berühmt für die Schauplätze aus der Sage um König Artus und des Zauberers Merlin. Mein Kate-Moment. It’s in the trees. It’s coming. Natürlich ist es nicht so gruselig dort wie es scheint. Oh, here I go. It’s coming for me through the trees. Oh help me someone, help me please. Aber Hilfe kann man immer gebrauchen. Oh help me darling, help me please. Do you know what I really need?

Neues Mojo-Heft: 132 Seiten über Kate

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Im Rahmen ihrer The Collectors’ Series hat das englische Mojo-Magazin zum 1. Oktober ein neues Heft veröffentlicht: : KATE BUSH DIRECTOR’S CUT 1958-2020. Das 132-seitige Magazin basiert auf Mojos vielen exklusiven Interviews mit der Sängerin im Laufe der Jahre sowie einer Fülle von Archivfeatures und seltenen Bildern. Zudem wird Kates bemerkenswerte Geschichte aus ihren Tagen vor dem Ruhm nachgezeichnet, in denen sie Demos mit David Gilmour von Pink Floyd aufgenommen und mit Wuthering Heights und The Kick Inside den Durchbruch erzielt hat. Der Bogen spannt sich bis zur Entstehung des Meisterwerks Hounds Of Love Mitte der 1980er Jahre und bis zu ihrer musikalischen Rückkehr in den 2000er Jahren und zur Live-Performance mit den atemberaubenden Before The Dawn-Shows von 2014. Zusätzlich gibt es das Sounds-Interview von Phil Sutcliffe von 1980, einen Artikel über das vierstündige Treffen von Tom Doyle mit Kate 2005 nach der zwölfjährigen Pause zur Präsentation des Albums Aerial, einen Countdown der Top 50-Songs von Kate und einen Leitfaden zu ihren Schlüsselaben. Das Heft kostet knapp 15 Euro und ist hier erhältlich.

I Wanna Be Kate: Sieben neue Songs

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Das 1998er Album „I Wanna Be Kate: The Songs Of Kate Bush“ ist neu aufgelegt worden. 17 Musiker und Bands vorwiegend aus Chicago haben damals 17 Songs von Kate gecovert und auf sehr unterschiedliche Art und Weise interpretiert. „I Wanna Be Kate“ war das erste Tribute Album und fiel vor allem zeitlich in die lange Pause zwischen The Red Shoes von 1993 und Aerial von 2005. Logistisch war das Projekt schon damals eine Herausforderung: 71 Musiker, 19 Toningenieure, Aufnahmen in 13 Plattenstudios. Und über allem schwebte der Wunsch, den Songs von Kate gerecht zu werden. Und das ist schon damals beeindruckend gut gelungen. Egal ob die dahinschmelzende Version von And Dream Of Sheep oder das ziemlich abgedrehte Running Up That Hill – die vollkommen unbekannten Musiker haben eine exzellente Arbeit abgeliefert. „We have been awed and inspired over and over again and all the songs have been made with love and gratitude for Kate Bush and her genius. EAT THE MUSIC! Mmmm…yes!“ heißt es im Text zum Album. Frisch remastered und ergänzt um sieben neue Songs gibt es die Cover nun als digitales Album und als Limited Edition 12″ Vinyl EP mit den sieben neuen Songs plus einem der ursprünglichen CD. Die Vinylversion „pressed on translucent aqua vinyl“ erscheint am 28. Oktober und kann über bandcamp bestellt werden oder hier. Die einzelnen Tracks: L’Amour Looks Something Like You / The Sensual World / Hounds Of Love / The Man With The Child In His Eyes / There Goes A Tenner / The Saxophone Song / You’re The One / Coffee Homeground / Jig Of Life / The Kick Inside / Running Up That Hill / Home For Christmas / Suspended In Gaffa / Kashka From Baghdad/Babooshka / Love And Anger / And Dream Of Sheep / Not This Time. Die neuen Songs: Top Of The City / You Want Alchemy / Cloudbusting / Joanni /Among Angels / A Coral Room / Nocturn. Bei Bandcamp kann man die einzelnen Tracks hören. An der Neuauflage hat als Co-Produzent diesmal auch Seán Twomey vom englischen Forum mitgewirkt.

12 Kate-Momente: September

© bugi

Juni 2006. Aerial ist gerade acht Monate auf dem Markt – nach zwölf Jahren des Wartens. Joanni hatte mich schon beim ersten Hören vollkommen beeindruckt, die schleppenden, scheppernden Beats, Kates betont langsamer Gesang.
Joanni, Joanni wears a golden cross
And she looks so beautiful in her armour
Joanni, Joanni blows a kiss to God
And she never wears a ring on her finger
Im Juni 2006 bin ich in Marseille und stehe vor der Eglise Saint-Vincent-de-Paul. Pompös mit zwei Türmen und fast schon ganz unscheinbar läuft mit Jeanne D’Arc über den Weg, ohne goldenes Kreuz, ohne Rüstung.
Who is that girl? Do I know her face?

In Kate we trust

Sie sammelt Schallplatten und sie näht leidenschaftlich gerne. Und vor allem hat Elsa Kuhn, gelernte Schneiderin, es geschafft, beide Leidenschaften miteinander zu verbinden. Elsa kreiert unter dem Motto „In felt we trust“ Schallplattencover aus Filz. Mit dabei: The Kick Inside und The Red Shoes von Kate. Überhaupt hat Elsa einen exquisiten Plattengeschmack. Da findet sich Bowie neben The Jam wieder, Björk neben The Velvet Underground oder Aretha Franklin neben Françoise Hardy. Das Elsa ihren Job gelernt hat, sieht man den Covern aus Filz an: sie sind überaus detailreich gestaltet, jede Linie, jeder Buchstabe sitzt. Elsa, die übrigens in Paris lebt, kombiniert dabei Stick- und Schneidtechniken. Die Cover hat sie zuletzt in Paris und Bordeaux ausgestellt, man kann bei ihr auch Arbeiten in Auftrag geben. Ihre Instagram-Seite gibt es hier.

Das Song-ABC: Oh To Be In Love

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„Oh to be in Love“ wurde von Kate Bush zuerst im Sommer 1976 als Demo-Version aufgenommen [1], da war sie 17 oder 18 Jahre alt. Seine offizielle Premiere hatte der Song dann auf dem Debutalbum „The Kick inside“. Die Demo-Version ist auf zahlreichen Bootleg-CDs und auf der Bootleg 7‘‘-Single „Cathy Demos Volume Two“ zu finden [1], das als Hinweis für Sammler. Als Single wurde er nicht veröffentlicht, aber er schaffte es auf eine EP mit vier Tracks für den brasilianischen Markt, die EP ‚4 Sucessos‘ [1]. Meines Wissens ist es der einzige Song von „The Kick inside“, den Kate Bush nie live gesungen hat. Warum eigentlich nicht? Er hat Charme, er ist ganz lebensnah. Aber er ist vielleicht lebensnaher, als es ein normales Pop-Publikum damals gewohnt war. Auf dem Album reiht sich der Song ein in eine Folge von Liedern, die verschiedene Facetten der Liebe betrachten. Vielleicht bilden „Feel It“, „Oh To Be In Love“ and „L’Amour Looks Something Like You“ eine Art Einheit, aber sie lassen sich auch einzeln gut betrachten.
In „Oh to be in Love“ kommen zwei Menschen zusammen zu einem Date. Die ersten beiden Strophen schildern die Situation aus der Sicht der Protagonistin. Aus dem Text spricht ein bisschen ein „Was mache ich hier?“-Gefühl („How did I come to be here, anyway? / It’s terribly vague, what’s gone before“). Offenbar war es eine Zufallsbekanntschaft, etwas Spontanes („I could have been anyone / You could have been anyone’s dream“). Der Text ist voll von Zweifeln, von Unsicherheit über die Situation. Der folgende Chorus („Oh, to be in love / And never get out again“) wird zweimal gesungen. Hier ist ist eine männliche Stimme dabei – Frau und Mann haben zusammengefunden. Zwischen den beiden Chorus-Passagen nimmt ein musikalisches Zwischenspiel die Musik der Strophen auf. Es ist eine wortlose Strophe, Worte sind offenbar nicht mehr nötig.
In der dann nach dem zweiten Chorus folgenden dritten Strophe hat sich die Welt verändert. Alles sieht anders aus und neu („All the colours look brighter now / Everything they say seems to sound new“). Liebe hat die Welt verwandelt. Mit einem weiteren Chorus klingt der Song aus.
„Oh to be in Love“ ist ein zärtlicher Titel, fast eine Ballade, aber mit viel vorwärtstreibender Energie. Das Balladenhafte und Romantische wird durch dezente Chorbegleitung in den Strophen unterstrichen. Auch die für spätere Songs von Kate Bush so typischen exotischen Instrumente sind schon zu finden – Paddy Bush spielt Mandoline. Passender für ein zärtliches Ständchen geht es nicht. Musikalisch ist der Song sehr interessant – zur Analyse orientiere ich mich an [2]. Der Song ist in Ges-Dur komponiert, aber verwendet die Tonart auf unkonventionelle, etwas ungewöhnliche Weise. Dur-Akkorde herrschen vor, aber auch leitereigene Moll-Akkorde werden verwendet. Der B-Moll-Akkord erklingt z.B. auf den Schlusstönen von „It‘s terrible vague what‘s gone before“ und „Why did you make it so unreal?“. Der Es-Moll-Akkord erscheint im Chorus.

Leiterfremde Dur-Akkorde aber heben die Musik heraus aus der Normalität und geben dem Song etwas von bebender Erwartung, von Spannung. Der verminderte Dreiklang auf F zum Beispiel ist durch einen E-Dur-Dreiklang ersetzt, der der Tonart ganz fremd ist. Statt des leitereigenen As-Moll-Akkords erklingt der As-Dur-Akkord. Das erste Mal erscheint dieser „fremde“ Akkord auf dem „hits“ in „As the light hits you“. Im Chorus erklingt dieser Akkord auf dem „Love“ in der ersten und zweiten Zeile „Oh to be in love and never get out again“, in der dritten dieser Zeilen erklingt auf dem „Love“ der leitereigene As-Moll-Akkord. Die Spannung und Ungewissheit der ersten zwei Chorus-Zeilen ist weg. In dieser dritten Zeile ist zudem die Singstimme eine Oktave höher und die Melodie auf dem „Love“ ist ausgeschmückter.
Wenn man die Tonartenbedeutungen gemäß Beckh [3] heranzieht, dann muss man bewundern, wie feinsinnig dies Kate Bush hier hinbekommen hat. Ges-Dur ist die Tonart der errettenden Liebe, der über die Schwelle führenden Venus. As-Dur ist das Licht in der Finsternis. „Ein Licht beginnt aufzuleuchten, wo wir bisher nur Dunkel vermuteten“ – so beschreibt es Beckh. E-Dur schließlich steht für Herzenswärme, Herzensinnerlichkeit und Liebeswärme. Passendere Tonarten für diese Geschichte sind kaum denkbar. Ich bewundere es jedesmal, wie treffsicher und subtil Kate Bush schon auf ihrem ersten Album die Tonarten verwendet, das ist schon außerordentlich. 
„Oh to be in Love“ ist erstaunlich reif für eine so junge Sängerin. Ich bewundere seine sensible Darstellung davon, wie sich ein Zufalls-Date in Liebe verwandelt. Zur Interpretation möchte ich nicht zu sehr ins Detail gehen, das würde etwas pornographisch. Ich fasse die Strophen als die Gedanken der Protagonistin auf. Zuerst ist die Situation unsicher, es ist ja ein Zufallsdate. Wie wird es ausgehen? Dann kommt der erste Chorus, sie haben Sex miteinander. Offenbar kommen Beide zum Höhepunkt (die veränderte Färbung auf dem dritten „Oh, to be in love / And never get out again“). Das Zwischenspiel ist ohne Worte, jetzt macht sich die Protagonistin keine zweifelnden Gedanken mehr. Ein zweiter Chorus folgt (noch einmal Sex), wieder mit Höhepunkt. Ein gutes Date, wie die Protagonistin in der dritten Strophe bestätigt!
„Oh to be in Love“ ist eine hinreißend realistische Schilderung des Zusammentreffens zweier Menschen. Der Song ist eine erstaunlich präzise Schilderung und schafft es, sein Thema ohne jeden erhobenen Zeigefinger zu präsentieren. Der Song ist unplakativ, direkt und ehrlich – einfach schön! © Achim/aHAJ

[1] https://www.katebushencyclopedia.com/oh-to-be-in-love (gelesen 26.05.2020)
[2] „Kate Bush Complete”. EMI Music Publishing / International Music Publications. London. 1987.  S.134f
[3] Hermann Beckh: Die Sprache der Tonart in der Musik von Bach bis Bruckner. Verlag Urachhaus. Stuttgart 1999.  S.106 (Ges-Dur), S.198f (As-Dur), S.263 (E-Dur)

Neues Album: Waterboys covern Kate

Mike Scott von den Waterboys hat Kates Song Why Should I Love You? neu eingespielt. Kate hatte den Song im Original mit Prince eingesungen und 1993 auf ihrem Album The Red Shoes veröffentlicht. Die Version von den Waterboys findet sich auf dem Album Good Luck, Seeker wieder, das am heutigen 21. August veröffentlicht wotrden ist. Scott scheint ein besonderer Fan des Songs zu sein. Bereits 1997 hatte er WSILY als Solokünstler zu einer richtig flotten Nummer eingespielt. Veröffentlicht wurde der Song damals auf dem Sampler Come Again zum 100-jährigen Bestehen von EMI. Auf Good Luck, Seeker ist nun eine neue Version zu hören.

The Other Sides im Fünferpack

Bei Ebay in Frankreich hat ein Verkäufer vermeintliche Mini-LP CD-Promos des Albums „The Other Sides“ angeboten. Die CDs sehen täuschend echt aus, dürften aber eher Bootlegs sein. Im Original besteht „The Other Sides“ aus einer CD mit fünf 12“ Mixen, den zwei CDs „The Other Side 1“ und „The Other Side 2“ mit je zehn Songs plus der CD „In Others‘ Words“. Die vermeintliche Promo-Reihe besteht bei den 12“ Mixen aus zwei CDs und beinhaltet als zusätzliche Songs: Rubberband Girl (Extended Mix), Eat The Music (12“ Version), Moments Of Pleasure (Techno Remix), Candle In The Wind (Instr.), Shoedance, Cloudbusting (Video Mix) und Rubberband Girl (US Mix). Da gibt es gleich die erste Ungewöhnlichkeit: ein Techno-Remix von MOP dürfte kaum auf einem offiziellen Kate-Album landen und warum es ausgerechnet ein MOP-Remix ist, der da Verwendung findet, erschließt sich auch nicht auf Anhieb. Die Songliste der vier The Other Side-CDs lautet wie folgt:
The Other Side 1:
A: The Empty Bullring, Ran Tan Waltz, Passing Through Air, December Will Be Magic Again, Warm And Soothing. Lord Of The Reedy River
B: Dreamtime, Ne T’Enfuis Pas, Un Baiser D’Enfant, You, Another Day, Jeux Sans Frontieres, The Magician
The Other Side 2:
A: Burning Bridge, Under The Ivy, The Handsome Cabin Boy, My Lagan Love, Not This Time
B: Don’t Give Up, Experiment IV, Wuthering Heights (New Vocal), Sister And Brother, The Seer

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The Other Side 3:
A: Walk Straight Down In The Middle, The Sensual World (Instr.), Be Kind To My Mistakes, I’m Still Waiting, Ken
B: The Confrontation, One Last Look Around The House Before We Go, Rocket Man, Candle In The Wind, Brazil
The Other Side 4:
A: Show A Little Devotion, You Want Alchemy, Moments Of Pleasure (Instr.), Home For Christmas, The Man I Love
B: Mna Na H’Eirean, Out Of The Storm, Sexual Healing, Lyra, Running Up That Hill (2012)
Auch wenn das Kate-Programm an raren Tracks hier deutlich vollständiger ist und die Kooperationen mit anderen Künstlern beinhaltet, gibt es doch einige Unstimmigkeiten. So ist beispielsweise der Songtitel „Walk Straight Down In The Middle“ falsch, das „in“ taucht im Original nicht auf. Dass ausgerechnet die einzig echte Rarität mit „Humming“ bei den vier CDs fehlt, verwundert ebenso wie der Umstand, dass zwar viele Songs mit anderen Künstlern vertreten sind, hier aber beispielsweise „My Computer“ mit Prince fehlt. Angaben, ob die Songs remastered sind (schließlich ist The Other Sides Teil der Remaster-Serie), habe ich nicht entdecken und kann ich leider auch nicht überprüfen – bei den Geboten auf die CDs war ich leider nicht erfolgreich.