Das Phänomen ist erstaunlich: 37 Jahre nach seiner Veröffentlichung führt Kates Hit Running Up That Hill weltweit die Charts an und wird in den Billboard Global 200 auf Platz 1 gelistet. Ausgelöst wurde der Hype durch die 4. Staffel der Netflix-Serie Stranger Things, in der der Hauptcharakter Max (gespielt von der 20-jährigen Schauspielerin Sadie Sink) den Song immer wieder auf ihrem Walkmann hört. Die Schlüsselszene macht überdeutlich, dass der Seriencharakter nur Dank dieses Liedes überlebt. Die Ausstrahlung der Folgen hat bei einer Generation, die zu Kate Bush überhaupt keinen Bezug hat, einen Ansturm auf ihre Musik ausgelöst. RUTH ist der weltweit am meisten gestreamte Song und findet sich inzwischen in zahlreichen Ländern auf Spitzenpostionen in den Charts wieder – Platz 1 in Australien, Nummer 1 in England, Norwegen, Österreich, Island, Belgien, Schweiz, Luxemburg… Noch beeindruckender: RUTH steht auf Platz 4 der amerikanischen Billboard-Charts und könnte sogar noch an die Spitze klettern. Und das wohlgemerkt mit einem 37 Jahre alten Song bei einer Künstlerin, die in den USA nur bei Musikkennern bekannt ist.
Die Medien überschlagen sich ob des Erfolgs. MTV spricht vom „Revival einer Legende“, die Neue Zürcher Zeitung titelt: „Die mystische Sängerin, die von Neuem in die Charts rennt“, die Tageszeitung die Welt betont: „Wie anziehend das Lied ist, zeigen auch die Cover-Versionen von „Elestic Band“ und „Placebo“. Und es berührt die Jugend auch heute noch. Das Lied ist eben ein Klassiker. Und das Grundprinzip von Klassikern: Sie sind zeitlos.“ Und selbst der wie üblich mäkelnde Spiegel kommt nicht umhin einzugestehen, dass es sich bei RUTH um einenb „Jahrhundert-Song“ handele, der jetzt wieder- oder neu entdeckt werde: „Denn der ist natürlich große Kunst, eine schmerzhafte Bestandsaufnahme einer Beziehung, in der nichts mehr geht, in der Kommunikation unmöglich geworden ist. »Ist da so viel Hass für die, die wir lieben? Sag mir, es geht doch um uns, oder nicht?«, singt Kate Bush, und dazu hämmert unnachgiebig dieser hypnotisierende Beat, als wolle er Schmerz und Verzweiflung immer tiefer unter die Haut treiben.“
Dabei hatte RUTH in der Tat schon diverse Revival erlebt, erst mit dem Cover von Placebo, dann mit dem Remix, der 2012 zur Abschlusszeremonie der Olympischen Spiele in London aufgeführt wurde. Damals war im Vorfeld spekuliert worden, Kate könnte den Song sogar live spielen. Stattdessen hat sie ihn dann neu eingesungen. Warum blieb allerdings unklar. Die Live-Version kam dann zwei Jahre später bei ihren unerwarteten Before the dawn-Konzerten. Der Erfolg jetzt toppt allerdings alle bisherigen Chart-Platzierungen. Das hat zu einer weiteren Kuriosität geführt: Wenn Medien Kate beschreiben, wird immer erwähnt, dass sie zurückgezogen lebt, ist von seltenen Statements die Rede. Der Hype um RUTH hat jetzt dazu geführt, dass sich Kate seit dem Erfolg des Songs bereits drei mal auf ihrer Internetseite zu Wort gemeldet hat: „Ihr habt vielleicht gehört, dass der erste Teil der fantastischen, fesselnden neuen Staffel von ‚Stranger Things‘ neulich auf Netflix veröffentlicht wurde. In ihr kommt der Song ‚Running Up That Hill‘ vor, der von jungen Fans, die die Serie lieben, zu neuem Leben erweckt wird – ich liebe die Serie auch! ‚Running Up That Hill‘ ist daher weltweit in den Charts und ist in Großbritannien auf der acht gelandet. Es ist sehr aufregend! Vielen Dank an alle, die den Song unterstützt haben. Ich warte gespannt auf den Release des Rests der Serie im Juli.“ Das war noch ganz am Anfang. Jetzt hat sich Kate noch einmal ausdrücklich dafür bedankt, dass ihr Song auch in den USA so hoch in den Charts platziert ist: „Ich möchte einfach allen in den USA ein wirklich großes Dankeschön sagen, die den Song unterstützt haben.Es ist das erste Mal, dass ich dort drüben eine Top-Ten-Single habe, jetzt ist der Song sogar unter den Top 5!“ Und das Ende ist noch nicht absehbar. Weitere positiver Nebeneffekt: Nicht nur die KIds, auch die Medien entdecken Kate neu. Standard war: Kates Musik ist typisch 80er oder 90er. Danach ist sie bekanntlich in der Versenkung verschwunden und man konnte schon froh sein, wenn in der Berichterstattung ihre 2014er Konzerte überhaupt Berücksichtugung fanden. Jetzt finden sich in Artikeln Verweise auf Songs wie Somewhere In Between, Sunset, Lake Tahoe oder natürlich Misty, wenn es um skurrile Geschichten gehen soll.
Bemerkenswert ist, dass mit dem Ansturm auf RUTH auch Kates Alben, vor allem natürlich Hounds of Love und The Whole Story neu entdeckt werden, aber auch diverse andere Songs auf den Streaming-Plattformen deutlich öfter angeklickt werden. Aber was hört man, wenn man als 20-Jähriger Kate so gar nicht kennt als nächsten Song von ihr? Cloudbusting? Babooshka? Wuthering Heights? Im schon erwähnten MTV-Beitrag „Revival einer Legende: Die besten Songs rund um Kate Bushs Running Up That Hill-Comeback“ gibt es dazu den erfrischendsten Vorschlag überhaupt: Get Out Of My House! Das ist mal ein Statement.
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