The Dreaming: Alles musste sich ändern (1)

Eine Analyse zum Album „The Dreaming“ zu schreiben ist eine Herausforderung. Was kann noch geschrieben werden, was über die bereits existierenden Reviews hinausgeht? Beate Meiswinkel zum Beispiel hat in ihrem wunderbaren Rückblick für diese Webseite [1] alle wesentlichen Punkte zusammengefasst. Was also noch? Ich möchte mich darauf beschränken,  Informationen zur Entstehung zu geben, gefolgt von einem Versuch der Einschätzung und Einordnung. Nun gut – das wird trotzdem nicht kurz werden.
Zur Entstehungsgeschichte findet sich eine gute Zusammenfassung in der Biographie von Graeme Thomson [2]. Kate Bush fühlte sich offenbar zunehmend eingeengt durch die Art, in der die ersten drei Alben entstanden waren. Unzufriedenheit ist auch zu spüren über die Art, wie sie früher gesungen hat, Selbstzweifel waren da. Es fehlte zudem bisher aus ihrer Sicht die Fähigkeit, durch die Stimme die „Wahrheit“ auszudrücken [3]: „I think my writing and my voice have continually tried to get better, to be able to do something I actually like. And it’s very frustrating when you are writing songs and singing them, and you’re not enjoying what’s coming back. So hopefully, y’know, it will be become more pleasurable for me, the actual process, because it is painful to listen to things that sound awful, when you really wanted them to sound good.“
Ein grundsätzlicher Wechsel musste her, eine Weiterentwicklung, ein Abbiegen vor einer möglichen Sackgasse: „I couldn’t go on forever as the little girl with the ‚hee-hee‘ squeaky voice“ [4]. Eingeengt fühlte sie sich offenbar auch immer mehr dadurch, dass sie nicht die volle Kontrolle über ihre Musik hatte, auch dies änderte sich mit diesem Album [3]: „[…] and I think that perhaps the biggest influence on the last album was the fact that I was producing it so I could actually do what I wanted for the first time.“
Kate Bush befand sich also an einem aus ihrer Sicht kritischen Punkt ihrer Karriere. Alles musste sich ändern.
Einen wichtigen Anstoß gab die Zusammenarbeit mit Peter Gabriel. Kate Bush war während der Aufnahmesessions für Gabriels drittes Soloalbum dabei (sie arbeitete als Backgroundsängerin mit), in denen auch der charakteristische Drum-Sound für „In the air tonight“ von Phil Collins entwickelt wurde. Kate Bush gab selbst dazu ein paar Andeutungen [5]: „It’s great to hear some really good music coming back. Wasn’t ‪Phil Collins’s In the Air a masterpiece? Well, while I’m trying to organise some tracks to record, I hope you will be having a positive March forward.“. Die Teilnahme an diesem Prozess und der Einblick in die neuen technischen Möglichkeiten war für Kate Bush eine erregende Erfahrung [6]: „Seeing Peter working in the Town House Studio, especially with the engineers he had, it was the nearest thing I’d heard to real guts for a long long time. I mean, I’m not into rhythm boxes – they’re very useful to write with but I don’t think they’re good sounds for a finished record – and that was what was so exciting because the drums had so much power.“
Diese elektrisierenden Erfahrungen führten schnell zur Zusammenarbeit mit dem Toningenieur Hugh Padgham, der diesen Sound mit entwickelt hatte. Das erste Ergebnis war die Single „Sat in your lap“, die dann später auch auf dem Album erschien.
Die weitere Entwicklung des Albums scheint ein quälender Prozess gewesen zu sein. Kate Bush selbst gibt in [7] Einblicke, welche die Probleme zart andeuten (die folgenden Zitate sind aus diesem Bericht). Mit Hugh Padgham wurden die Titel „Get Out of My House“ und „Leave It Open“ aufgenommen. Padgham war noch in weitere Produktionen eingebunden („[…] however, Hugh was too busy to continue […]“), weiter ging es im Sommer 1981 mit Nick Launay („Houdini“, „All the Love“, „There Goes a Tenner“, „The Dreaming“ und „Suspended in Gaffa“). Die Aufnahmen fanden im Studio „The Townhouse“ statt und müssen wieder intensiv gewesen sein („We were working through the warm summer last year, and much dedication was required from all to stay in the studio all day without succumbing to the sun.“). Auch hier lief die Zeit davon („[…] we were all sad that Nick was too busy to continue and that the time at The Townhouse had run out.“). Weiter ging es in den Abbey Road Studios mit Haydn Bendall für „Night of the Swallow“ und „Pull Out the Pin“. Wieder reichte die gebuchte Zeit nicht („The two tracks are finished and Haydn’s time runs out too […]“). Nun stieß Paul Hardiman zum Team, bis Weihnachten 1981 wurde in den Odyssey Studios gearbeitet. Auch hier gab es Zeitprobleme, das Studio stand nicht mehr zur Verfügung. Im Advision Studio wurde schließlich in mühevoller Kleinarbeit das Album abgeschlossen („[…] and the three weeks we booked were to turn into more like three months.“). Offenbar gab es in diesen drei Monaten wenig Freizeit: „Dave [Taylor] was […] the maintenance engineer, and on quite a few nights, when we went home to bed, he would be up all night twiddling inside machines or trying to figure out why the digital machines weren’t working. Every night we ate take-away food, watched the evening news and returned to the dingy little treasure trove to dig for jewels.“ © Achim/aHAJ

[1] Beate Meiswinkel: „35 Jahre „The Dreaming“: Pressestimmen und Impression 1982-84“.  http://morningfog.de/?p=4857. (gelesen 01.01.2018)
[2] Graeme Thomson: Kate Bush. Under the ivy. 2013. Bosworth Music GmbH. S. 230ff
[3] N.N.: The New Music. 3./4. August 1985.
[4] Robin Smith: Getting Down Under With ‪Kate Bush. Unbekannte Quelle. 1982.
[5] Kate Bush: Letter from Kate. KBC article Issue 9. Frühling 1981.
[6] Paul Simper: Dreamtime is over. Melody Maker, 16. Oktober 1982.
[7] Kate Bush: About The Dreaming. KBC article Issue 12. Oktober 1982.

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