How To Be Invisible
Autor: Kate Bush, Faber & Faber, ISBN 978-0-571-35094-0, 2018, 192 Seiten
Von Beate Meiswinkel
Anfang der 1980er Jahre plante Kate Bush die Veröffentlichung einer ca. 144 Seiten starken Autobiografie. “Leaving my Tracks” sollte bei Sidgwick & Jackson erscheinen; der Verlag hatte auch bereits den Entwurf eines farbigen Schutzumschlags mit Klappentext drucken lassen, von dem im Netz Fotos kursieren (https://www.worthpoint.com/worthopedia/kate-bush-leaving-tracks-dustjacket-946831895). Es ist sehr schade, dass dieses Buch niemals erschien. Und es sollte noch etwa 35 Jahre dauern, bis Kate mit „How To Be Invisible“ schließlich als Buchautorin in Erscheinung trat. Anstelle eines autobiografischen Werkes entschied sie sich für eine Sammlung ihrer Songtexte, begleitet von einigen wenigen einführenden Worten und der ebenso schlichten wie unumwunden liebevollen Widmung „For Bertie“.
Buchautor David Mitchell („Der Wolkenatlas“), der bereits für die Before The Dawn-Shows mit Kate zusammenarbeitete, steuerte ein kurzweilig zu lesendes Vorwort bei; sein obligatorischer Streifzug durch die KB-Discographie ist durchaus gelungen und kommt erfreulicherweise ohne Degradierung von „The Sensual World“ und „The Red Shoes“ aus. Wie viele von Euch hatte ich mir „How To Be Invisible“ bereits kurz nach Ankündigung des Veröffentlichungsdatums vorbestellt. Obwohl ich mich darauf freute, hielt sich die Erwartung doch etwas in Grenzen, vor allem, nachdem Fotos des eher schmucklosen schwarzen Covers erschienen waren. Kates Texte sind ja ohnehin längst allgegenwärtig: in CD-Booklets, auf LP-Hüllen, in verschiedenen Songbooks – sogar online, man muss nur googlen.
Als das Buch schließlich seinen Weg in meine Hände fand, waren zunächst Überraschung und Erstaunen, bald darauf Entzücken und Freude groß. Mit dem tatsächlich schlichten, jedoch durchaus eleganten Leineneinband erinnert „How To Be Invisible“ ein wenig an ein Moleskin-Notizbuch und somit an etwas, das jenseits aller Digitalisierung zeitlos geschriebenes Wort bewahrt. Auf die leuchtend rote Banderole auf der Rückseite wurde in detailverliebtem Innuendo der Buchtitel in Blindenschrift geprägt. Weitere hübsche graphische Details sind im Buchinnern zu finden.
Geschriebenes Wort ist etwas, das man mit Gesang und Musik nicht unmittelbar in Verbindung bringt, obwohl es doch essentiell ist! Liegt bei einem Album der Fokus zunächst auf dem Klang, der Musik, der Stimme, so wird bei intensiverem Zuhören die Wertigkeit der Texte offenbar. „How To Be Invisible“ beinhaltet also die pure Essenz dieses geschriebenen Wortes.
Während man üblicherweise daran gewöhnt ist, Songtexte mitzulesen oder gar mitzusingen, wenn die Musik spielt, so lädt das Buch dazu ein, die Lyrics einmal in Stille zu erfahren. Bar des Diktats vom Rhythmus der Musik oder des Gesangs offenbaren sich die wohlvertrauten Worte auf einmal ganz anders. Sie erhalten eine neue Dimension, sie öffnen Türen zu etwas anderen Räumen oder Landschaften. Und während man die Worte in Stille liest oder leise mitspricht, taucht zuweilen in unserem Innern der Nachhall von Kates Stimme in zerbrechlichen Fragmenten auf: ein bestimmtes Timbre, ein Seufzen, ein Kieksen, ein Gurren, manchmal auch ein Aufschrei… harm is in us.
Über die Anordnung bzw. Gruppierung der Texte habe ich mir viele Gedanken gemacht: ich habe mich sogar regelrecht davon faszinieren lassen. Während A Sky of Honey (einschließlich des wunderbaren „Tawny Moon“) und The Ninth Wave in ihrem ursprünglichen Zusammenhang belassen wurden, ergeben die übrigen acht Textgruppen ein harmonisches, jedoch nicht so einfach nachvollziehbares Bild. Die Passagen von „How To Be Invisible“ winden sich gleichsam spielerisch wie manifest durch das gesamte Werk. Wie der Ariadnefaden schenken sie uns eine Richtschnur, die Rätsel und Lösung in einem bietet und die jederzeit fallen gelassen und wieder aufgegriffen oder gar weitergesponnen werden könnte. Kate Bushs Magie entfaltet sich hier in gänzlich anderer Weise: unhörbar und rein durch die Abwesenheit ihrer Musik – und gerade deshalb vielleicht besonders eindringlich.
Könnte man Überschriften finden für diese neu geordneten Textgruppen? Ich denke, das bleibt der Intention der Autorin einerseits und der Fantasie des Lesers andererseits überlassen. Für mich ergaben sich folgende mögliche Assoziationen:
1. Sky High (Snowflake – King of the Mountain)
2. Childhood, Adolescence (Cloudbusting – Sat in your Lap)
3. Out of Reach, Worth Striving for (Under the Ivy – All the Love)
4. The Consequenes of War (Army Dreamers – England My Lionheart)
5. Magic (A Coral Room – The Fog)
6. A Sky of Honey
7. Mystic (Houdini – Get out of my House)
8. Yearning, Longing (Never be mine – Moments of pleasure)
9. The Ninth Wave
10. Food for Thought, Phantastic (How to be invisible – Lake Tahoe)
Ich bin mir jedoch sicher, dass sich beim wiederholten Lesen neue Assoziationen bilden. Das Buch lädt dazu ein, es immer wieder aus dem Regal zu nehmen, um darin zu blättern, oder es gar in der Handtasche mitzunehmen, damit man auch unterwegs hineinschauen kann.
„How To Be Invisible“ erschien übrigens im November 2018 auch in einer limitierten Auflage von 500 nummerierten und von der Autorin handsignierten Exemplaren, die einige Glückliche für 150 GBP erwerben konnten. Dieses prächtige Sammlerstück wird inzwischen zu horrenden Preisen gehandelt, die sich im Laufe der Zeit weiter ins Astronomische steigern dürften.
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