Der englische Schriftsteller Philip Pullman („His Dark Materials“) hat kürzlich zur Veröffentlichung einer Kurzgeschichte eine nette Anekdote erzählt. Kate Bush habe ihm von zwei Gemälden, die sie besitzt, erzählt, „die die seltsame Eigenschaft haben, einander wieder zu finden, wenn eines von ihnen verkauft oder verschenkt wird“. Diese Anekdote hat Pullman dann weiter entwickelt und zu seiner Kurzgeschichte verarbeitet. Unklar blieb leider, welche Gemälde Kate gemeint haben könnte. Dass sie ein Faible für die Malerei hat, ist spätestens seit Mitte der 1980er Jahre bekannt, wo sie sich in Interviews mehrfach zu Künstlern wie Dali, Breughel („I would want to be Breugal, definitely. His work is so real, and yet depicted in a fantastic way. It’s so beautiful and elemental. And his faces are so haunting.“) geäußert hat. Natürlich gibt es auch mehrere Bezüge zu Bildern im Kates Arbeiten. Offensichtlich wird das bei The Ninth Wave, mit dem klaren Bezug zu dem gleichnamigen Werk von Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski. Das gilt auch für das Backcoverfoto, wo Kate im Wasser treibt. Eines ihrer Lieblingsbilder ist „Ophelia“ von John Everett Millais von 1852, der die Figur aus Shakespeares Hamlet in einem Fluß treibend darstellt, kurz bevor sie ertrinkt. Wie bei Ophelia von Millais treibt auch Kate in The Ninth Wave im Wasser, ist kurz vor dem Ertrinken, ist ebenfalls blumenumflort abgelichtet. Bemerkenswert ist in dem Zusammenhang noch ein Detail, wie das Werk entstanden ist: Elizabeth Eleanor Siddal stand Millais für die Ophelia Modell. Besser gesagt: Sie lag in einer Badewanne, in einem gestickten Kleid. Das Bild entstand im Winter 1851/52. Um das Wasser in der Wanne warm zu halten, hatte Millais Öllampen unter der Wanne angezündet, die aber nach einiger Zeit ausgegangen sind, so dass das Wasser eiskalt wurde. Millais, der in seine Arbeit vertieft war, hatte das nicht mitbekommen und Siddal nahm ihre Rolle als Modell so ernst, dass sie nichts sagte und ernstlich an einer Lungenentzündung erkrankte. Eine erstaunliche Parallele zu den Video-Aufnahmen von Kate für „And Dream Of Sheep“ in dem Wassertank der Pinewood-Studios, wo sie sich ob der Kälte des Wassers eine Unterkühlung zuzog und anschließend pausieren musste. Der Fluß in dem Millais Ophelia-Bild befindet sich unweit von London und heißt Hogsmill. Viele Jahre zuvor hatte Kate bereits ein Bild erstanden, das „The Hogsmill Ophelia“ heißt und die Ophelia von Millais in die Neuzeit verfrachtet und dementsprechend in einem verdreckten und verseuchten Fluss zeigt, wie sie gerade an einem Abflussrohr vorbeitreibt. „Bilder mit grotesker Schönheit und traurigem Humor üben auf mich eine besondere Faszination aus“, hat Kate – bezogen auf dieses Werk – 1990 in einem Interview erzählt. Gar nicht grotesk sind hingegen die Bezüge 20 Jahre später auf dem Album Aerial, wo der Maler musikalisch in A Sky Of Honey eine Hauptrolle zugewiesen bekommt und wir im Booklet eine spiegelverkehrte und um den Schriftzug „Aerial“ ergänzte Version des Bildes „Fisherman and Boat“ von Joseph Edward Southall von 1920 sehen und uns noch auf der Rückseite das Werk „Lesson Time“ von Frederick Cayley Robinson von 1921 präsentiert wird. Interessanterweise gibt es im Booklet von Aerial auf das zweite Werk keinen Verweis, auch keinen Copyright-Verweis, was den Schluss nahe legen könnte, dass sie eventuell in Besitz dieses Bildes ist. Die Vorliebe für groteske Schönheit kommt dann eher wieder bei zwei Bildern von Paul Raymond Gregory durch, die Kate erworben hat. Gregory selbst hat erzählt, dass Kate das von Tolkien inspirierte Werk „The Fall of Boromir“ von ihm erworben hat. Das war bereits 1982. Zu ihrem 30. Geburtstag erhielt er dann eine Einladung und sie erwarb kurze Zeit später Ende der 1980er Jahre das Bild „The Anduin“ von Gregory. „The Fall Of Boromir“ blieb allerdings nicht im Besitz von Kate. Sie verkaufte es im Jahr 2006 an Peter Nahum, der in den 80ern für Sotheby’s gearbeitet hatte und seitdem als Förderer von Gregory gilt und später in Leicester eine eigene Galerie eröffnete. Gregory schreibt dazu: “Kate also owned the The Fall of Boromir from my Tolkien series, this was later purchased by the Leicester Galleries to rejoin the collection.” Bei “rejoin the collection” könnte der Bogen zu Philip Pullman wieder geschlagen sein. Denkbar ist es jedenfalls, dass sie damit genau diese Tolkien-Bilder von Gregory meinte, „die die seltsame Eigenschaft haben, einander wieder zu finden, wenn eines von ihnen verkauft oder verschenkt wird“. Gregory hat übrigens nach „The Anduin“ ein Stilleben kreiert, bei dem er ein Originalautogramm von Kate mit Kartenmaterial aus dem Tolkien-Universum kombiniert hat. Das Original hat er verkauft, aber es gibt einen auf 300 Exemplare limitierten und von ihm handsignierten Nachdruck, der für 160 englische Pfund über seinen Shop hier zu haben ist. (Mit bestem Dank an Beate für die Unterstützung.)
Die Bilder von oben: „Fisherman and Boat“ von Joseph Edward Southall von 1920; „Ophelia“ von John Everett Millais; „The Hogsmill Ophelia“; „The Fall Of Boromir“, Kate Bush Print, „The Anduin“ – alle von Paul Raymond Gregory.
Neueste Kommentare