Zeit zum Träumen mit Frédéric Delage

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Foto: Patrick Lavaud

Le temps du rêve“ ist der Titel der ersten Biografie über Kate Bush auf französisch – verfasst von Frédéric Delage. Er arbeitet als Journalist in Poitiers, lebt in der Dordogne, und ist bekennender Progressive Rock-Fan mit einer eigenen Webseite. Er hat bisher zwei Bücher über Genesis veröffentlicht und ein Nachschlagewerk über Progressive Rock.

In einem Interview mit einer französischen Tageszeitung hast Du gesagt, dass Kate in England genauso berühmt ist, wie Edith Piaf in Frankreich. Denkst Du, es gibt noch mehr Gemeinsamkeiten zwischen beiden Sängerinnen?

Frédéric Delage: Ich habe Piaf nur als Beispiel gewählt um zu verdeutlichen, welche Berühmtheit Kate in England ist – eben ein bisschen so wie Piaf in Frankreich. Um ehrlich zu sein, kann ich – abgesehen von der Verehrung, die ihnen in ihren jeweiligen Heimatländern entgegengebracht wird – sonst keine Ähnlichkeiten zwischen ihnen erkennen.

Kate hat zwei ihrer Songs in französischer Sprache veröffentlicht, ihr Album Lionheart wurde in Frankreich produziert und es wird ihr nachgesagt, dass sie ihre Urlaube gerne in Frankreich verbringt. Wie würdest Du ihre Beziehung zu Frankreich beschreiben?

Frédéric Delage: Auch wenn sie zwei Lieder auf Französisch gesungen hat (da ist Joanni, wo sie einen kleinen Part auf Französisch singt, noch nicht berücksichtigt), bin ich mir nicht sicher, das Kate Bush die französische Sprache wirklich beherrscht. Bei der Tour of Life hat sie nur ein Konzert in Paris gegeben. Ich glaube also schon, dass sie sie in Deutschland populärer ist, als in Frankreich. Glücklicherweise gibt es trotzdem sehr viele französische Fans. Die breite Öffentlichkeit in Frankreich kennt sie aber nur aufgrund von drei oder vier ihrer Hits, namentlich Wuthering Heights, Babooshka, Running up that Hill und Don’t give up. Wenn sie übrigens wirklich ihren Urlaub in Frankreich verbringt, würde ich ihr vorschlagen mich zu Hause zu besuchen – ich lebe in einer der schönsten Regionen von Frankreich.

Du bist Journalist, hast zwei Bücher über Genesis geschrieben, zwei über Progressive Rock und Du betreibst eine Progrock-Webseite. Erklär mir, warum ein Progrock-Fan über Kate schreibt und dazu noch auf französisch?

Frédéric Delage: Ich habe dieses Buch geschrieben, weil es bisher noch kein einziges in französischer Sprache gab, aber vor allem auch, weil ich on Kate Bush als Künstlerin fasziniert bin. Man muss natürlich kein Fan von progressiver Musik sein, um ein Kate Bush-Fan zu sein. Aber sie ist sehr oft die beliebteste weibliche Sängerin von Progrock-Fans. Wie Guy Garvey, Sänger der Gruppe Elbow, in einer BBC-Dokumentation gesagt hat: Die Musik von Kate Bush steht in der progressiven Tradition, aber ohne die offensichtliche instrumentelle Virtuosität, die man oft in diesem Genre findet. Kate Bushs progressive Seite liegt in den abenteuerlichen und traumähnlichen Aspekten ihrer Musik; in der theatralischen Dimension ihrer Shows; in dem Ustand, dass sie Konzept-Suiten komponiert hat und in den Wurzeln ihrer Inspiration, die oft sehr englisch sind. Kate Bush ist zudem vollkommen einzigartig und unvergleichbar. Und zu meinem Buch: Es ist eine klassische, chronologische Biografie. Ich habe in zahlreichen Archiven der französischen Presse recherchiert, mich aber größtenteils auf Berichte in den britischen Medien gestützt. Dabei reicht das Buch von ihren Anfängen bis zum Live-Album Before the dawn. Und es berücksichtigt dabei die Beschreibung ihres kreativen Prozesses Album für Album.

Der Buchtitel  „Le temps du rêve“ kann sowohl mit „Zeit für Träume“ wie auch mit dem von den Aborigines geprägten Begriff der „Traumzeit“ übersetzt werden. Was war Deine Intention?

Frédéric Delage: Es ist eine klare Referenz an die „Traumzeit“ und damit auch an das Album The DreamingIch dachte auch, dass es ein schöner Titel ist, weil er sowohl auf die Zeit verweist –  außer bei Lionheart, wo sie unter dem Zeitdruck von EMI stand, hat sie sich immer die nötige Zeit genommen, um ein Album zu schreiben – wie auch den traumähnlichen Aspekt ihrer Arbeit verweist.

Progrock-Fans, Punk-Liebhaber und Metal-Fans haben interessanterweise sehr oft eines gemeinsam: Sie lieben die Musik von Kate. Kannst Du erklären woran das liegt?

Frédéric Delage: Zweifellos weil ihre Musik anspruchsvoll, kühn, melodisch und gleichsam energisch ist, sie Genregrenzen überschreitet und es schafft, unterschiedliche Stile von Empfindungen miteinander zu versöhnen.

In einer Album-Kritik zu 50 Words for snow hast Du geschrieben, dass die Ära der exquisiten Popsongs der Kate aus ihrer Anfangszeit lange vorbei ist, und dass ihre Musik heute Zeit zum „schmelzen“ benötigt. Wenn Du die Songs aus ihrer Anfangszeit mit ihrer Music von heute vergleichst, was können wir dann in der Zukunft erwarten? Wie wird sich ihr musikalischer Stil in den nächsten Jahren weiterentwickeln? Mehr in Richtung Jazz, oder gar klassische Lieder?

Frédéric Delage: Ich finde schon, dass es mehr Jazz- und Klassik-Einflüsse auf Aerial und 50 Words for snow gibt, als auf ihren früheren Alben. Kate Bush nimmt sich Zeit, um sicherzustellen, dass sie sich niemals wiederholt. Bis heute hat sie es immer wieder geschafft, sich neu zu erfinden. Und ich glaube, dass man darauf vertrauen kann, dass sie so weitermachen wird – natürlich in ihrem eigenen Tempo. Aber es ist nicht vorhersagbar, was sie in der Zukunft tun wird. Und auch das macht sie unvergleichlich reizvoll.

Wenn man über Kate schreibt, hat man bestimmt 1000 Fragen an sie. Welche Frage würdest Du ihr zuerst stellen?

Frédéric Delage:  Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich 1000 Fragen an sie hätte. Es umgibt sie ja etwas Geheimnisvolles, was sich auch in ihrer Arbeit zeigt und das sie ganz zu recht bewahren will. Wenn ich es jemals schaffen sollte, ein Interview mit ihr zu bekommen, zum Beispiel für die 2. Auflage meines Buches, würden mir aber leicht ein paar Fragen einfallen – ich hoffe nur, dass ich die dann ohne Zittern in der Stimme stellen kann.

„Kate Bush – Le temps du rêve“. Autor: Frédéric Delâge, 240 pages (14,8 x 21 cm) , ISBN : 9782360542383, ca. 20 Euro, Erscheinungsdatum: 19.1.2017. Bei amazon Deutschland ist das Buch als Kindle-Edition für 12 Euro verfügbar.

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