Guido Harari: Fotografie in Musica
Autor: Guido Harari, veröffentlicht bei Rusconi Libri, Milano, Italia, ISBN 88-18-12099-9, 1991, Paperback (es gab auch eine gebundene Ausgabe), ohne Seitenangaben, vergriffen.
Während wir alle mehr oder weniger ungeduldig auf das Erscheinen von Guido Hararis Buch „The Kate Inside“ warten, habe ich im Bücherschrank ein älteres Fotobuch des Meisters mit dem Titel „Fotografie in Musica“ wiederentdeckt, das 1991 veröffentlicht wurde. Neben beeindruckenden Fotografien von Künstlern wie Bob Marley, Joni Mitchell, David Bowie, Sting, Tina Turner, Peter Gabriel und vielen anderen, enthält das Buch auch drei Aufnahmen von Kate Bush, von denen eine zusätzlich das Cover ziert. Außerdem wurde folgende persönliche Nachricht in Kates Handschrift abgedruckt: „Ich liebe es, mit Guido zu arbeiten. Er gibt einem das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, ohne überhaupt etwas zu sagen. Für mich ist er sowohl Künstler als auch Fotograf. Er ist sehr kreativ und ich freue mich immer darauf, was ihm wohl als nächstes einfallen mag. Ich fühle mich geehrt, dass ich in dieser Sammlung seiner Arbeiten mit dabei sein kann. Kate Bush“.
Das Buch ist in italienischer Sprache verfasst. Einem ausführlichen und mit handverlesenen Fotos versehenen Vorwort Hararis folgt der eigentliche Hauptteil „Fotografie in Musica“. Beim Betrachten fällt mir folgendes immer wieder auf: obwohl sowohl die Mode als auch die Pop- und Rock-Musik einem gewissen Verfallsdatum unterliegen, gegen das auch ein gewisser Retro-Charme machtlos ist, gelang es dem Künstler stets, seinen Fotos eine Zeitlosigkeit zu verleihen, hinter denen die zuweilen obskuren Eigenheiten der 1970er, 1980er oder 1990er Jahre verschwinden. Erhalten bleibt die Persönlichkeit der abgebildeten Person, ihr einzigartiger Charakter, ihre Ausstrahlung. Die Fotografie, so spontan sie zuweilen wirken mag (und im Falle von Live-Aufnahmen auch ist), wird so zum Kunstwerk.
Zu den Aufnahmen von Kate: Das erste Foto in zart schmelzenden Grautönen zeigt sie strahlend lächelnd und mit weit ausgebreiteten Armen in einer schlichten, weich fließenden Bluse. Bildunterschrift ist eine italienische Übersetzung ihrer persönlichen Notiz von oben, die den Auftakt des Buches darstellt.
Aufnahme zwei aus dem Jahre 1989 kommentierte Peter Gabriel mit den Worten: „Who better for underwater swimming lessons“. Kate trägt ein figurbetont geschnittenes, dunkles Samtkleid mit floralen Mustern und einem tiefen Ausschnitt. Ihr Blick ist sinnend in die Ferne gerichtet, ihre linke Hand suchend-tastend erhoben, als bewege sie sich langsam und doch schwerelos durch unergründliche Wasser. Tiefe Blau- Grün und Purpurtöne dominieren und bilden einen starken Kontrast zu der weißen Haut, was ihr große Zartheit und Zerbrechlichkeit verleiht. Neben dem Bild befindet sich folgender frei übersetzte Kommentar des Fotografen: „Kate Bush. London, 1989. Meine beste Visitenkarte für sie war die Arbeit, die ich mit Lindsay Kemp realisiert habe, ihr erster Lehrer für Tanz und Theaterkunst. Seither rief sie mich mehrmals an, damit ich mich um ihre offiziellen Fotos kümmere, aber es ist schwer, da manchmal bis zu fünf Jahre zwischen zwei Sitzungen liegen! Ich vermisse ihre süße „Vielfalt“, ihre dezente Entschiedenheit, am Rande der perversen Mechanismen des „business“ zu bleiben, ihren Wunsch, eine menschlichere visuelle Dimension zu finden, bin ordentlich frustriert von ihrer unbändigen künstlerischen Persönlichkeit, die komplex und vielschichtig ist. Ganz sicher vermisse ich unsere (galvanisierenden) fotografischen Marathons, die bis zu 18 Stunden dauern, mit ihr als stets lächelnder, neugieriger und amüsierter Komplizin und Anstifterin all meiner neuen Versuche.“
Weiter hinten im Buch befindet sich das dritte Foto, ein Portrait mit einer ernsthaft in die Kamera blickenden Kate, die Stärke und Souveränität vermittelt. Sie trägt einen Kimono. Das Bild ist in warmen Rot- und Goldtönen gehalten, aufgenommen vor einem zart grün-goldenen Hintergrund und trägt die Bildunterschrift „Kate Bush, London, 1989. Aimez-vous Klimt, Cathy?“ Tatsächlich erinnern die Goldtöne, das Muster des Kleidungsstücks sowie die über das Foto gelegten und wie mit Kreide aufgemalt wirkenden, verschnörkelten Elemente an die Gemälde des Künstlers Gustav Klimt. Das Foto wurde mit den folgenden beiden Kommentaren versehen:
„Seit langem war und ist sie meine Lieblings-Produzentin. Seit ’78 bin ich fasziniert von dieser unerschöpflichen Fähigkeit einer der Primadonnen, so tief in die Musik vorzudringen. Sie führt auch Regie bei ihren Videos und ist eine großartige Sängerin, aber ich habe das Gefühl, dass dies auch zweitrangig sein könnte. Ein Fall von gut verstandenem Feminismus: eine große Fähigkeit zu erkennen, und damit anerkannt.“ (Ivano Fossati)
„Ich bin davon überzeugt, dass gute Musik am ehesten eine unbewusste emotionale Kunst und gleichzeitig reinste Rationalität ist. Als eine der großen Musikerinnen öffnet Kate Bush ein Fenster zu einem einzigartigen weiblichen Universum, zur anderen Seite des Mondes, von dem ich mich unwiderstehlich angezogen fühle, aber ich weiß, es wird nie ganz das Meine sein.“ (Eugenio Finardi)
In den letzten Tagen habe ich sehr viel in „Fotografie in Musica“ geblättert. Dabei habe ich mich in den Aufnahmen verloren. In ihnen leben vergangene, wunderbare Jahrzehnte wieder auf. Es ist diese bereits erwähnte, seltsam magische Zeitlosigkeit, die mich verzaubert. Der Ausdruck in Gesichtern von Menschen, das Strahlen oder die Nachdenklichkeit, das Lächeln oder das Stirnrunzeln. Ganz besondere kleine Gemmen sind die junge Nina Hagen im Habit einer Nonne mit der kleinen Cosma Shiva auf dem Arm. Die malende Joni Mitchel. Lindsay Kemp, erschöpft zu Boden blickend in einem Bienen-Kostüm. Oder die breitbeinig auf der Stoßstange eines Autos sitzende Gianna Nannini in Jeans und Lederjacke. Sie alle sind wunderschön. Beate Meiswinkel
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