Androgyner Zeitgeist der Popkultur

Fotograf Brian Griffin signiert zur Eröffnung der Ausstellung in Saarbrücken ein Foto von Kate Bush, das den Ausstellungskatalog ziert. Foto: Thomas Quinten

Von Beate Meiswinkel
In Saarbrücken war ich noch nie! Die Fotoausstellung POP von Brian Griffin im Landtag des Saarlandes bot einen spannenden Anreiz, dies endlich einmal nachzuholen. Eine seiner Aufnahmen von Kate hat mich immer sehr fasziniert: ich entdeckte sie im Booklet des This Womans Work Box Sets, wo sie mir deshalb so besonders auffiel, da ich sie keinem Album zuordnen konnte. Sie zeigt Kate in mittelalterlich-bäuerlich anmutender Gewandung vor einem wolkenverhangenen Himmel in einem abgeernteten Feld. Es scheint eine ganz eigene Geschichte zu erzählen. Wie ich feststellen sollte, gilt das für viele von Brian Griffins Werken.
Im April 1948 kam Brian in Birmingham zur Welt; seit 1972 lebt und arbeitet er als freiberuflicher Fotograf in London. Sein Buch Work wurde 1991 bei der Barcelona Primavera Fotográfica als „bestes Fotobuch der Welt“ ausgezeichnet. Es zeigt regelrecht hypnotische Aufnahmen von Arbeitern und Handwerkern. The Guardian beschrieb Griffin 1989 als Fotografen des Jahrzehnts. George Lucas engagierte ihn 1982 für Staraufnahmen am Filmset von „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“, von denen besonders diejenigen von Carrie Fisher herausragend sind. 2014 erhielt Griffin einen Ehrendoktortitel der Birmingham City University, 2016 wurde er in die Album Cover Hall of Fame aufgenommen, u.a.unter anderem für Cover-Motive für Billy Idol, Depeche Mode, Ultravox und Iggy Pop. Ein besonderes Sahnestückchen ist sein Motiv für Look Sharp von Joe Jackson, dessen minimalistische Eleganz nahezu magisch wirkt.

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Fotos: Brian Griffin

33 seiner Bilder kann man noch bis zum 21. Oktober im Rahmen der Ausstellungsreihe Pictures of Pop – Fotografie in der Popkultur im Landtag des Saarlands bewundern. In den lichtdurchfluteten Räumlichkeiten kommen die schlicht gerahmten Fotowerke einfach wundervoll zur Geltung. Sämtlich besitzen sie eine besondere elegante Ästhetik und spiegeln den unterkühlten androgynen Zeitgeist der Popkultur der 1980er Jahre wider. Und obgleich ich natürlich besonders wegen Kates Foto zu Besuch gekommen bin und auch dazu neige, ihr Bild besonders herauszustellen, begeistern mich Brian Mays frisselig-furioses Lockenhaupt, Iggy Pops strapaziös wirkende Pose und die Fotoserie des lausbubenhaft Grimassen schneidenden Peter Gabriel ebenso wie die atemberaubenden Aufnahmen für das Depeche Mode-Album Construction Time Again oder das anrührende Motiv für das Placebo-Album England’s Trance. Sehr entzückt hat mich auch ein nahezu lindsaykempeskes Selbstportrait des Maestros in Schwarz-Weiß.
Bedingt durch die starke männliche Dominanz der Musikszene jener Zeit, fallen die Aufnahmen von Künstlerinnen wie Siouxie Sioux, Lene Lovic, Mari Wilson oder Kate Bush der versunkenen Betrachterin besonders ins Auge. Kates Fotografie wurde gar als Titelmotiv für den Katalog der gesamten Ausstellungsreihe gewählt. Mit ihrer flehentlich gebeugten, sehnsüchtig tastenden Pose und dem offen verletzlich wirkenden Ausdruck hebt sie sich in ihrem Nonnen-Habit doch sehr von den übrigen Portraits ab. Es bildet dank seiner Wärme, Süße und Zartheit einen markanten Gegenpol zu all den coolen, symmetrischen, Statements setzenden Darstellungen, die es umgeben. Das Foto entstand 1983, in der Schaffenspause zwischen The Dreaming und Hounds of Love, und ob der Wahl des Nonnen-Outfits frage ich mich, ob Kate damals bereits Ideen für Waking the Witch gesammelt haben mag: Deus et dei domino inferno… Spiritus Sanctus in nomine… I question your innocence… She’s a witch… Help this blackbird… there’s a stone around my leg.
Besagte Aufnahme in Ordenstracht ist Griffins Lieblingsfoto von Kate. „Ich erinnere mich daran, wie Kate Bush um 6.30 Uhr morgens auf dem Bürgersteig vor meinem Londoner Studio saß, um auf mich zu warten“, schreibt er auf seiner Webseite. „Nachdem sie mein Album-Cover für ‚A Broken Frame‘ von Depeche Mode gesehen hatte, wünschte sie sich etwas Ähnliches. (…) Ich fand sie nicht nur extrem attraktiv, sondern auch erstaunlich talentiert.“ Neben den Fotos und einer Reihe von Plattencovern mit Griffins Motiven sind in der Ausstellung auch noch zwei Schaukästen aufgestellt, in denen man verschiedene Auszeichnungen, Magazine und auch Bücher betrachten kann. Darunter auch sein Fotobuch mit dem Titel POP aus dem Jahre 2017, in dem ebenfalls eine seiner Aufnahme von Kate enthalten ist. Leider ist POP längst vergriffen. Attraktive Special-Editions mit exklusiven Fotoprints sind noch erhältlich, falls man 500 GBP erübrigen kann.
Mehr zu Brian Griffin hier und hier.

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