Wie eine Leuchtrakete des damals bevorstehenden Albums „Aerial“ stieg dieser Song nach Jahren der Stille auf und bescherte Kate Bush den größten Erfolg in den Singlecharts seit Jahren.
Der Song ist in seiner Grundstruktur aus Strophe, Chorus und kontinuierlicher Steigerung eingängig und war daher für eine Single eine gute Wahl. Es fällt aber auf, dass sich die musikalische Welt von Kate Bush einmal wieder verändert hatte. Ein ruhig pulsierender Rhythmus, ein Teppich aus windähnlichen Hintergrundgeräuschen, die Stimme allein ist für die Melodie zuständig. Ruhig gesungen, erwachsen, zurückgenommen in den Mitteln, warm und lebendig, irgendwie weit weg vom Mainstream der Popmusik – Stilmittel, die sich im folgenden Album dann mit Macht Bahn brachen.
Geschrieben und teilweise aufgenommen wurde „King of the Mountain“ bereits 1997, acht Jahre später wurde er dann komplettiert [1]. Die Grundidee stammt also aus der Anfangszeit des Rückzugs ins Private und diese Stimmung spiegelt sich mit ein bisschen Fantasie im Text wider. Kate verbindet dies mit zweien ihrer Hauptthemen: reale Personen mit ihren Mythen, Filme. Was wäre, wenn Elvis noch leben würde? Was wäre, wenn er einfach genug gehabt hätte von seinem Schloss Graceland und vom Druck der Öffentlichkeit? Was wäre, wenn er jetzt verborgen irgendwo in den Bergen als „king of the mountain“ sich des Lebens freuen würde – „in the snow with rosebud“? Mit dieser Zeile wird der Mythos Elvis verknüpft mit dem Film „Citizen Kane“, einem der berühmtesten und einflussreichsten Filme der Vierziger. „Citizen Kane“ beginnt mit dem Tod der Hauptfigur, die das Wort „rosebud“ murmelt und im Sterben eine Schneekugel fallen lässt. Rosebud war – so stellt sich im Lauf des Films heraus – der Name des Schlittens aus der Kindheit der Hauptfigur, die letzte Erinnerung an eine unschuldige Zeit, an ein Glück im Schnee. Auch Citizen Kane stirbt in einem gigantischen Schloss (voll mit „priceless junk“) genau wie Elvis.
Hinweise darauf, dass diese Geschichte auch für Kate Bush selbst von Wichtigkeit ist, lassen sich finden. Offenbar hing in Kates Wohnung eine Replik des Rosebud-Schlittens aus “Citizen Kane” [2]. Zudem soll ihr Sohn Bertie – jedenfalls im Jahr 2005 – ein begnadeter Elvis-Imitator gewesen sein [3], auch dies verweist auf “King of the Mountain”.
Es ist ein irgendwie melancholisches Lied, getrieben von der Sehnsucht nach einem Paradies wie in der Kindheit, ohne das Blitzlichtgewitter der Öffentlichkeit, ohne dumme Schlagzeilen der Boulevardpresse. Es ist ein Lied über die Suche nach dem Glück in der Einsamkeit. Citizen Kane ging traurig aus – im Schlussbild verbrennt der Schlitten und nimmt sein Geheimnis mit sich. Die Geschichte um Elvis Presley ging traurig aus – einsam und krank starb er in seinem Schloss. „King of the Mountain“ aber hat ein optimistisches Ende, wie das Video zeigt: Elvis lebt und ist glücklich im Schnee mit Rosebud. Der Wind schließt die Türen hinter der Vergangenheit und zu den leeren, verlassenen Palästen: „The wind it blows the door closed“. Ruhm und Geld interessieren nicht, sind wertlos. Von Wert ist das Paradies der Kindheit, die Familie, die Selbstbestimmung – symbolisiert durch den Schnee und den Schlitten.
(© Achim/aHAJ)
[1] Jenny Bulley: King of the mountain, Mojo 10/2014 S.62
[2] Interview in “Mojo” 12/2005, S.79
[3] John Mendelssohn: Warten auf Kate; Schlüchtern 2005; S.325
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