Eberhard Weber: (S)Eine deutsche Jazz-Geschichte

eweberweber2-400Mehr als 20 Jahre hat der deutsche Jazz-Bassist Eberhard Weber von 1982 bis 2005 Kate Bush immer wieder musikalisch bei ihren Studioproduktionen begleitet. In seinem neuen Buch „Résumé“ (sagas.edition, ISBN10: 3944660048; ISBN-13: 978-3944660042; 19,99 Euro, gebunden, 252 Seiten) verrät Weber, dass er ursprünglich auch bei Kates Live-Auftritten fest eingeplant war. Dass Kate in der Biografie überhaupt vorkommt, mag zwei Umständen geschuldet sein: Weber hält regelmäßig Kontakt zu Kate, beschreibt sie als „eine bewundernswerte, außergewöhnliche Frau“. Und: wenige Monate nach Kates „Before the dawn“-Konzerten bot sich der Verweis auf die Zusammenarbeit mit ihr geradezu an. Dabei ist das schon die große Ausnahme in „Résumé“. Weber konzentriert sich in seiner Biografie nicht darauf, mit wem er wann wo zusammengespielt hat, um durch die Hintertür deutlich zu machen, dass er es war, der das Bass-Spiel revolutioniert hat. Starallüren scheinen ihm vollkommen fremd: „Nicht nur einmal bin ich darüber erschrocken, was ich im Internet alles über mich gefunden habe. Platten mit Musikern, an die ich mich nicht mal erinnere, hätte ich eingespielt“, schreibt er gleich zu Beginn amüsiert. Dementsprechend mager fällt dann auch selbst seine Discografie aus. Stattdessen nimmt er anhand seiner Lebens-Biografie den Leser mit auf eine äußerst spannende Zeitreise durch die Geschichte des deutschen (und später auch internationalen) Jazz. Von seinen Anfängen in der Nachkriegszeit bis zu den 68ern, seinem musikalischen Durchbruch und den ausgedehnten Tourneen – Weber war wissbegierig und vor allem ein Aufbegehrender. Er schafft es, anhand kleiner Beispiele deutlich zu machen, welch harte Arbeit hinter seiner Leidenschaft steckte, vom Kampf mit Equipment und Sound bis zum durchaus nicht leichten Musikeralltag. Besonders sympathisch: den 68er Geist des Aufbegehrenden konnte sich der heute 75-Jährige erhalten. Noch heute kann sich Weber über die europäische Mentalität aufregen, nahezu ausschließlich im Vier-Viertel-Takt zu denken oder der Musik nicht den Raum zu geben, der ihr gebührt: „Wieso geht ein Fan einer bestimmten Formation, von der er sämtliche Aufnahmen besitzt, für teures Geld in deren Konzert, um dort nicht zuzuhören? Unentwegt singt er sogar noch mit und klatscht in die Hände, im Idealfall im Takt. Mir kann niemand weismachen, dass man Musik hören kann, indem man ständig herumhampelt und gar bei langsameren Stücken albern das Feuerzeug schwingt.“ Vielleicht ist Weber aber einfach auch aus der Zeit gefallen, macht Musik in einem ähnlichen Kosmos wie Kate Bush, die bei ihren Konzerten um genau diese Konzentration auf die Musik und ein Fotografierverzicht gebeten hatte.
1982 war es, als sich die Zusammenarbeit mit Kate anbahnte. In einem Hamburger Hotel fand Weber nach Proben für eine Platte und einem Konzert abends einen Zettel: „Eine Frau Busch hat angerufen“, stand da drauf. Das Ergebnis: Weber spielte die Bass-Melodie für den Song „Houdini“ ein. Es folgte die Zusammenarbeit bei Songs von Hounds of Love, The Sensual Word und Aerial. Als Aerial 2005 aufgenommen wurde, keimte der Gedanke an Live-Auftritte offenbar schon. Weber schreibt: „An einem unserer gemütlichen Abende mit wunderbarem Essen und ein paar Gläsern Rotwein deute mir Kate an, dass sie mich gerne dabei hätte, sollte sie jemals wieder Konzerte geben.“ Die kamen für Weber leider zu spät – ein Schlaganfall kam 2007 dazwischen. Statt dem Anruf zur Teilnahme an den Shows kam eine Email von Kate: „Habe ich dir schon erzählt, dass wir deine atemberaubende Pendulum-CD vor wirklich jeder meiner Shows gespielt haben – mein absolutes Lieblingsalbum!“
Wer seine Lebenserinnerungen „Résumé“ betitelt, kommt natürlich nicht umhin, ein Fazit zu ziehen. Dem Umstand geschuldet, dass er nach seinem Schlaganfall 2007 den Bass nicht mehr bedienen kann, fällt das auf seine schwäbisch-humorvolle Art gewollt doppeldeutig aus und ist gleichzeitig eine Mischung aus Understatement und auch bitterer Erkenntnis: „Ich kann nicht Bass spielen. Aber ich weiß, wie’s geht.“ Der Leser kann ein anderes Fazit ziehen: Dank Weber weiß er jetzt auch wie’s geht.

Webers Beitrag auf den Alben von Kate: Houdini (The Dreaming, 1982), Mother Stands For Comfort, Hello Earth (Hounds Of Love, 1985), Never Be Mine, Walk Straight Down The Middle (The Sensual World, 1989), Pi, Prologue (Aerial, 2005).

4 Kommentare

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    • Folkert Groeneveld auf 26. November 2016 bei 17:53
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    Eberhard weber hat auch bei „The Morning Fog“ auf “Hounds Of Love“ den Bass gespielt.

    • Achim (aHAJ) auf 21. Februar 2015 bei 16:46
    • Antworten

    Die Pendulum-CD steht auch auf meiner Liste. Ich habe von ihm die CD „The following morning“, die habe ich jetzt gerade wieder gehört. Ruhig, entspannt, etwas introvertiert, ungewöhnlich.

  1. Sehr gute Idee. Ich muss noch was warten. Die Pendulum-CD muss ich mir erst noch zulegen. Aber das werde ich jetzt in Angriff nehmen.

    • Thomas auf 15. Februar 2015 bei 17:27
    • Antworten

    Sollte ich die Pendulum einlegen und ein Glas Rotwein dazu? Ich glaube das wird mal wieder Zeit.

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