Das Song-ABC: December will be magic again

abcKate Bush und eine Weihnachtssingle – geht das? Das passt vom Gefühl her so gut zusammen wie Feuer und Stein. Und wirklich – dieser Song ist etwas Besonderes. Elemente kommen hier zusammen, die sich fremd sind. Entstanden ist eine wirklich originelle Mischung und damit eine Weihnachtssingle der besonderen Art.
Zuerst fällt die wirklich extreme musikalische Gestaltung auf. Zuckersüße Chöre mit DooDooDoo-Gesang und weihnachtliches Glöckchengeklingel treffen auf den Gesang von Kate Bush, der lang ausgehaltene Töne mit vielen kurzen Noten mischt, der außerordentliche Tonsprünge von über einer Oktave beinhaltet (z.B. in „December“ gleich am Anfang und in der Phrase „see how I fall“). Die Klangfärbung der Silben im Gesang ist sehr variabel, teilweise euphorisch. Wann hat man „snow“ schon einmal mit einer solchen Begeisterung gehört? Die Musik ist extravagant und für mich eine ironische Überhöhung von weihnachtlichen Elementen.
Der Text gibt Rätsel auf. Ausgiebig werden Stereotypen der Weihnachtszeit zitiert (Bing Crosby, White Christmas, Old Saint Nicholas up the chimney), aber dies ist in einen geheimnisvollen Kontext eingebettet. Die Erzählerin schwebt offenbar mit dem Fallschirm aus dem Himmel herab so wie der Schnee. Und was besagt die Erwähnung des Schriftstellers Oscar Wilde?
Bei Graeme Thomson findet sich der kurze Hinweis, dass der Song inspiriert sei vom Märchen „Der glückliche Prinz“ von Oscar Wilde [1]. In Wikipedia [2] findet sich eine Zusammenfassung dieses in England sehr populären Märchens.
Hoch über einer Stadt steht auf einer Säule die Statue des glücklichen Prinzen. Sie ist mit Gold und Edelsteinen geschmückt. Zu seinen Lebzeiten wurde der glückliche Prinz von allen Menschen bewundert, da er immer fröhlich war. Als Statue bemerkt er nun das Elend der Stadt. Als sich eine Schwalbe auf ihrem Weg nach Ägypten zu Füßen des Prinzen niederlässt, um zu schlafen, erzählt der Prinz von dem ganzen Elend, das er sieht. Er bittet die Schwalbe zu helfen und die Edelsteine und das ganze Gold von seiner Statue unter die Armen zu verteilen. Dies tut sie nach kurzem Widerspruch auch und über die nächsten Tage verteilt sie alles. In der Zwischenzeit ist es Winter geworden, die Schwalbe erfriert und die Statue des Prinzen ist nun so unansehnlich, dass sie abgerissen und eingeschmolzen wird. Doch das Herz des Prinzen schmilzt nicht im Ofen und wird auf den Abfall geworfen, wo schon die tote Schwalbe liegt. Als Gott einen Engel bittet, ihm die beiden wertvollsten Dinge zu holen, die es in der Stadt gibt, bringt dieser ihm das bleierne Herz und den toten Vogel. Gott will die beiden in seinem Garten haben – die Schwalbe soll singen und der glückliche Prinz Gott preisen.
Elemente aus diesem Märchen finden sich im Text des Songs wieder. Es gibt den Schnee, der die Liebenden (Schwalbe und Prinz) zudeckt: „Come to cover the lovers“. Es gibt den Schnee, der die auf den Müll Geworfenen zudeckt: „Come to cover the muck up“. Ist die Erzählerin der Engel, der im Schnee dieses Winters herabkommt, um Schwalbe und Prinz ins Paradies zu tragen? Vielleicht ist dies in der Nähe dessen, was dieses Weihnachtslied uns sagen will. Der Schnee ist kalt und tötet, aber er ist auch wunderbar. Denn der Dezember und der Winter sind die Zeit der Wiedergeburt, die Zeit der Engel. Und schon sind wir viele Jahre in der Zukunft, in der es fünfzig Worte für Schnee geben wird.
Der Song wurde im November 1979 aufgenommen und sollte zu Weihnachten erscheinen. Er wurde aber nicht rechtzeitig fertig (bzw. er war der Plattenfirma zu ungewöhnlich) und wurde daher erst ein Jahr später veröffentlicht [3]. Er ist also vor oder zeitgleich zu den ersten Ideen von „Never for ever“ entstanden und die Welt dieses Albums ist beim Hören ständig präsent. Im Märchen erzählt die Schwalbe dem Prinzen von den Wundern Ägyptens – erinnert das nicht an „Egypt“? Für mich hätte das Lied einen guten Platz auf dem Album verdient gehabt, aber die Thematik war vielleicht selbst für Kate zu speziell und dezembergebunden. Seine verquere Originalität hat auf jeden Fall mehr Aufmerksamkeit verdient. Ich nutze es gern als Gegenmittel, wenn ich Lieder wie „Last Christmas“ über habe und eine gehörige Portion „vergiftete Süßlichkeit“ gebrauchen kann.
Achim/aHAJ)

[1] Graeme Thomson: Kate Bush. Under the ivy. 2013. Bosworth Music GmbH. S.20
[2] http://de.m.wikipedia.org/wiki/Der_glückliche_Prinz
[3] Rob Jovanovic, Kate Bush. Die Biographie. 2006. Koch International GmbH/Hannibal. Höfen. S.107

1 Kommentar

    • Thomas auf 25. Dezember 2014 bei 22:42
    • Antworten

    See How i fall, like The Snow…das Bild wird sie in snowflake später in epischer Breite aufgreifen

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