Herr Böttcher bewirbt sich als Haushaltshilfe

hb3Träumen Sie auch manchmal von Kate Bush? Ich meine keine Tagträumereien wie: Ach, wäre das fantastisch, würde ich in einem vergessenen Tonstudio 200 unveröffentlichte Songs von Kate Bush finden, die mindestens so gut sind wie „Never be Mine“ oder „Get out of my House“…  Herr Böttcher meint auch nicht solche Tagträume wie: Was wäre, wenn ich für jedes Kate-Bush-Konzert im Spätsommer ein Ticket hätte… Träumen Sie manchmal auch von Kate Bush?
Herr Böttcher träumt, er sei Journalist für eine Musikzeitschrift. (Herr Böttcher kann noch nicht einmal Noten lesen). Und weil das auch so einfach geht, zumindest im Traum, hat ihn diese Musikzeitschrift nach England geschickt und zwar zu … klar … Kate Bush.
Herr Böttcher soll ein Exklusiv-Interview mit Kate führen. Logisch. Von allen Musikjournalisten dieser Welt kommt nur Herr Böttcher in Frage. Herr Böttcher steht also vor Kate Haus, das im Traum eine zweistöckige, viktorianische Villa ist. Seltsam findet Herr Böttcher nur, dass irgendwer, wie mit einem riesigen Tortenmesser, das Haus einmal in der Mitte durchgeschnitten hat. Kates Haus ist also ein Puppenhaus in Normalgröße. Rechts und links Räume und in der Mitte eine gigantische Wendeltreppe. Auch wenn die Villa durchgeschnitten wurde, hat der große Schneidende die Villa in der Mitte so geschickt durchgeschnitten, dass das Mobiliar, die wertvollen, antiken, viktorianischen Schränke, Tische und Sitzgelegenheiten sowie die Wendeltreppe unversehrt geblieben sind. Herr Böttcher im Traum erkennt sofort, in diesem Haus wird gelebt. Irgendwo ruft ein Junge, vermutlich Bertie, dass er sein Lieblings-T-Shirt nicht finden kann. Es macht den Bewohnern offensichtlich nichts aus, dass sie jederzeit beobachtet werden können. Dieses Traum-Haus entspricht also vollkommen der Lebensweise der realen Kate, die sich ja auch nie von der Außenwelt abschottet.
Alle in dem Haus scheinen zu wissen, dass Herr Böttcher ein Interview mit Kate Bush führen will, deshalb wird er auch von niemandem weiter beachtet. Gelegentlich kommen Musiker vorbei. Sie tragen ihre Instrumente einmal quer durch einen der Räume, um dann zu verschwinden. Manche gehen durch die Türen, manche springen einfach aus der durchtrennten Villa raus.
Herr Böttcher weiß instinktiv, dass er an der großen Wendeltreppe auf Kate Bush warten soll. Während er sich mit klopfendem Herzen umschaut, in wenigen Minuten wird er sich mit Kate Bush unterhalten, sie wird von da an seine beste Freundin und ihm zuliebe künftig  zwei CDs pro Jahr veröffentlichen. Herr Böttcher rechnet schnell mal im Kopf. In zehn Jahren wird es 20 Kate-Bush-CDs mehr geben. Hurra! Und auf jeder wird stehen: „For my best friend Herr Boettcher. I met him at the moment when the muse did not want to kiss me, now he is my muse and my … cleaning-woman.“ Herr Böttcher wäre gern – zumindest im Traum – Kate Bushs Haushaltshilfe. Dichter dran als der vertrauteste Hausangestellte geht es ja fast nicht mehr. Hausangestellter aus dem Grund, damit er Kate, die offensichtlich ja immer wieder von der vielen Hausarbeit vom Songschreiben abgehalten wird, entlasten kann. Herr Böttcher wird außerdem mit Bertie die Schularbeiten machen, wieder gewonnene Zeit für die Songschreibende. Während Herr Böttcher sich so umschaut, entdeckt er Del Palmer. (Del Palmer is an English bass guitarist and sound engineer, best known for his work with Kate Bush, with whom he also had a long-term relationship between the late 1970s and early 1990s.) Del lungert auf einem Sessel rum. Sein linkes Bein lässt er entspannt über der Lehne schaukeln. Del Palmer sagt: „Sie kommt gleich!“ Dann beachtet Del Palmer Herrn Böttcher nicht weiter. Herr Böttcher dagegen wundert sich über Herrn Palmers Kleidungsstil. Den hat der sich vermutlich von diesem Prince abgeschaut? Del Palmer trägt ein bunt besticktes Stirnband, eine pinkfarbene Weste aus Teddyfell, eine leopardierte Unterhose und gewaltige Fellstiefel, die bis zu den Knien gehen und mit denen man im Winter bestimmt ebenso schnell durch den Schnee kommt wie der Yeti. Auf der Brust an einer fetten Goldkette prangt  ein schweres Amulett mit irgendeinem Symbol.
Herr Böttcher bleibt keine Zeit mehr, hoch über ihm knarzt die Wendeltreppe und da ist sie: Kate Bush. Sie schaut nach rechts und sie schaut nach links. Dann schaut sie nach unten. Zur Freude von Herrn Böttcher sieht Kate haargenau so aus wie in dem Videoclip zu „The Sensual World“. Niemals – auch wenn das vollkommen unwichtig ist – ist Kate aus Herrn Böttchers Sicht hübscher gewesen. Langsam, königlich schreitet das violette Burgfräulein namens Kate Bush die Wendeltreppe hinunter. Nur noch ein paar Sekunden und Kate Bush und Herr Böttcher werden Freunde fürs Leben. Im Traum trägt Herr Böttcher übrigens einen grün karierten Reporteranzug, dem von Jimmy Olsen in den Superman-Comics nicht unähnlich. Herr Böttcher hat schon Notizblock und Bleistift gezückt.
Endlich ist Kate am Ende der Wendeltreppe angekommen. Endlich! Mit erhobenen Armen, wie in dem Sensual- Clip schreitet sie. Und sie schreitet an Herrn Böttcher vorbei und lässt dabei äußerst graziös ihre Burgfräuleinkappe zu Boden gleiten. Sie geht geradewegs auf die nächste Kommode zu, legt ihr Ohr an die Seitenwand der Kommode, hält für einen Moment inne und sagt: „Lausche der Musik des Holzes!“ Sie erhebt sich und geht zielgerichtet auf den nächsten Schrank zu, legt wieder Ohr und Hand an die Schranktür, so als würde man von jemandem den Herzschlag hören wollen, dann flüstert sie: „Lausche der Musik des Holzes!“
Tja und dann ist der Traum vorbei und mit ihm all die Hoffnungen, die sich der Herr Böttcher zumindest im Traum gemacht hat. Als Herr Böttcher erwacht und als erstes zu seinem Kleiderschrank rennt, um den grün karierten Anzug zu betrachten, muss er feststellen, dass es selbst den nicht gibt. Let me be weak, let me sleep and dream of sheep.

Herr Böttcher fährt nach London. Zu Kate. Und wir begleiten ihn. Oder er uns.
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