Baskerville und Lost At Sea kritisch gesehen

Von Michael Guth

Für die Baskerville Edition und die beiden Lost at Sea-Boxen müsste ich eigentlich zwei Kritiken schreiben – eine negative und eine positive. Für mich gibt es nichts dazwischen, entweder liebt man sie, oder man kann absolut nichts damit anfangen. Ein luftleerer Raum zwischen Love and Anger, Yin & Yang oder Kunst und Kommerz. Ein roter Faden, der sich seit 1978 durch Kate’s Karriere zieht. Aber haben sich die Waagschalen, die ich immer als ausgeglichen betrachtete, mit einem Paukenschlag verschoben?

Fangen wir ganz von vorn mit den negativen Kritikpunkten an:
Der Zeitpunkt. Ob Kate’s neues Vertriebslabel The State51 Conspiracy wusste, was sie sich mit der Übernahme von Kate’s gesamtem Katalog und den beiden Special Editions antaten, kann man nur verneinen. Der Start verlief mehr als chaotisch. Die Auslieferungen verschoben sich nach hinten, die Kommunikation per E-Mail war eine Katastrophe und es wurde doppelt oder falsch verschickt. Ich verstehe, dass man das Weihnachtsgeschäft noch mitnehmen wollte, aber hätte man das Ganze auf den Januar verschoben, wäre The State51 Conspiracy und den Kunden eine Menge Ärger erspart geblieben. Hier war man eindeutig überfordert, was man aber – wenn man einen Namen wie Kate Bush in seinen Vertrieb aufnimmt – leicht hätte voraussehen können.

Das Design. Das Kate ein Fable für das britische designorientierte Luxusunternehmen Timorous Beasties hat, weiß man schon seit ihrer letzten Konzertserie in London. Es war unter anderem schon verantwortlich für das Design der Before the Dawn-CD, des Tour-Programms, der BTD-Lithografie und den Tour Special-Tickets. Jetzt nun auch für eine komplett überarbeitete Hounds of Love Version aka Baskerville Edition. Aber musste das sein? Natürlich ist alles reine Geschmackssache, aber wie man ein so ikonisches Plattencover wie das originale HOL-Cover so ruinieren kann, bleibt mir ein Rätsel. Mit gemischten Gefühlen schaue ich der The Dreaming entgegen, die ebenfalls von TB überarbeitet wird.
Die Preise. 138 Pfund für die Baskerville Edition muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen! OK, das Design der luxusorientierten TB will bezahlt werden, aber wäre für so viel Geld nicht mehr drin gewesen? Man hätte locker die Baskerville Edition etwa limitieren und nummerieren können. Zusätzlich wäre es angebracht gewesen, eine farbige Hounds of Love-LP in die „kunstvoll“ gestaltete Hülle zu stecken, was den Preis wohl aber nochmal hätte ansteigen lassen. Die blinkende, rote LED-Leuchte an der Schwimmweste im inneren des Covers, die mittels Solarpaneel auf der Rückseite betrieben wird, ist ein schönes Gimmick, rechtfertigt den Preis aber auch nicht. Nichtsdestotrotz tauchen die ersten Exemplare bei Ebay und Co für Preise zwischen 350 und 500 Euro auf. Ist das Kommerz? Eindeutig Ja! Mit nur zwei simplen Mitteln hätte man den geneigten Kate Bush-Fan glücklich machen können.
500 Pfund für die Lost at Sea-Boxen! Bei diesem Preis musste ich mir erstmal die Augen reiben und verfiel danach lange in eine Sinnkrise. Was wollen uns diese zwei Boxen überhaupt sagen? Wie wir alle wissen, ist da diese Frau, die in einer stockdunklen Nacht bei Sturm über Bord geht. Treibend in einem tosenden Meer kämpft sie eine ganze Nacht gegen die Wellen, die Müdigkeit und die Gefahr zu ertrinken an. Fiebrige Halluzinationen setzten bei ihr ein und wir befinden uns mitten in And Dream of Sheep, der für mich schönste Song auf der Hounds of Love-LP.  Das ist der Ausgangspunkt dieser zwei Boxen. Box 1 lässt uns die Sicht der ertrinkenden Frau erleben. Erschöpft schaut sie in den stockdunklen Himmel und erblickt den roten Suchscheinwerfer, die Rettung ist nah. Box 2 zeigt uns die andere Perspektive, vom Hubschrauber aus gesehen. Der Rettungspilot sieht von oben im pechschwarzen Meer nur das rot blinkende Licht auf ihrer Rettungsweste. Der Ausschnitt in den beiden Boxen gibt das Suchfeld an. Nur eine Messingplakette, die pro Box angebracht wurde, gibt uns einen Hinweis über das Schicksal der Protagonisten. „Someone Lost At Sea Hoping To Be Found By Someone In The Big Sky“ und „Someone In The Big Sky Hoping To Find Someone Lost At Sea“. Ist das Kunst? Eindeutig Ja! Minimalistischer kann man eine dramatische Szene in Form zweier simpel erscheinenden Boxen nicht erzählen. Die zwei einseitigen UV-bedruckten LPs tun das Übrige in diesen schönen Boxen. Wobei wir wieder beim Timorous Beasties-Design wären … auf jeden Fall habe ich den Kauf nicht bereut und die Message verstanden. Hier hat sich Kate wie schon 1994 wirklich Gedanken gemacht.
Das Fazit und meine positive Kritik. Sollte man Kunst be- oder verurteilen? Nein, es ist alles eine Frage der Perspektive und des persönlichen Geschmacks und darf sich nicht mit Geld bewerten lassen. Auch ich habe mich hier zu Kritik hinreißen lassen, die Lost at Sea-Boxen haben mich aber wieder versöhnlich gestimmt. Die Waagschalen sind wieder ausgeglichen, wie schon seit 45 Jahren. Ist Kate unfehlbar? Natürlich nicht. Sie ist sich aber immer schon bewusst gewesen, dass sie polarisiert, hat alles auf ihre Weise gemacht, ist sich dabei aber stets treu geblieben. Wir sollten uns nicht wünschen, dass sie irgendetwas daran ändert, es macht sie einzigartig.

Zur Ergängzung muss man vielleicht noch sagen, dass Michael mit seiner Kritik an den Preisen noch zurückhaltend war. Zusätzlich werden bei der Baskerville Edition und den Lost At Sea-Boxen noch der Versand und der Zoll fällig. Zweite Ergänzung: In seinem Verweis auf 1994 bezieht sich Michael auf die von Kate 1994 für War Child gestalteten Bilderrahmen, die ebenfalls mit Plaketten versehen waren: ‘Someone Lost at Sea Hoping Someone In A Plane Will Find Them‘ und ‘Someone In A Plane Hoping To Find Someone Lost At Sea‘.

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