Das Song-ABC: And So Is Love

„And so is Love“ ist ein Song, der für Kate Bush ungewöhnlich ist. Es ist ein ruhiges, melancholisches Lied mit einem einfachen Text, der keine zweite Ebene erkennen lässt. Der Song drückt Gefühle aus, unverstellt. Er enthält kein Geheimnis – jedenfalls keines, das ich entdecken kann. Kate Bush so zu erleben – das ist ungewöhnlich.
Für einen traurigen Popsong ist „And so is Love“ sehr stimmig geraten. Nach der Textzeile „It must be love“ setzt eine Gitarre ein und begleitet im Wechselgesang die Gesangsstimme. Im Hintergrund gibt es dazu einen Synthesizer-Teppich, der dann doch an andere Songs von Kate Bush erinnert. Es gibt weitere Popelemente. Der Chorus „Ooh baby live your life for love“ erinnert mich zum Beispiel an den Background-Gesang der Supremes zur Begleitung von Diana Ross. Zum zweiten „And so is love“ geht die Stimme hoch hinaus, das ist ein emotionaler Aufschrei. Aus dem Text und dem Gesang ist eine gewisse Resignation herauszuhören. 

Mit dieser eher dunklen Stimmung passt der Song zur Grundstimmung des Albums. Kate Bush selbst weicht einer Deutung aus. Zur Textzeile „Life is sad and so is love“ lässt sie sich immerhin zu einer Bemerkung hinreißen [4]: „It was a line from Joseph Campbell [ein amerikanischer Mythenforscher], and I’m not saying it’s something I believe – quite often there are things said in a song that I don’t believe at all, but they are beliefs of other people, and sometimes that’s very relevant.“ Das klingt eher wie das Abweisen einer Deutung.
Musikalisch ist der Song einfach gehalten, so wie es sich für einen Popsong gehört. Der Takt ist ein reiner 4/4-Takt ohne jede Abweichung, die Tonart ist ein klares g-Moll [1]. Auch diese Tonart ist stimmig, nach Beckh [2] ist g-Moll das Passende für Melancholie und Resignation. Es ist eine dunkle Tonart, in der die Hoffnung fehlt. Sie ist der Ausdruck von etwas Schmerzlich-Verklärtem, „unter Tränen Lächelndem“. Sie ist seelisch ausdrucksvoll, aber auch ein Ausdruck von Schicksalsernst.
Das Besondere am Song sind die prominenten Gastmusiker. In einem Interview gibt Del Palmer dazu Auskunft [3]. „This one seems to have the most effective band sound to me; we had Gary Brooker (from Procul Harum) on Hammond organ and Eric Clapton on guitar, and that was just a couple of months after his son died. I admired him for doing that – he’d promised to do it and he wanted to stick to his commitment. Eric only really plays in one style, but he’s a genius at what he does, so that was a highlight for me.“
Nach dem ersten Halbsatz ist zu vermuten, dass bei der musikalischen Gestaltung eine mögliche Live-Aufführung angedacht war. Die Gastmusiker deuten darauf hin, dass möglicherweise der amerikanische Markt anvisiert wurde. Ein bisschen über den Song lässt sich aus einem Interview mit Kate Bush entnehmen, in dem sie u.a. über die Zusammenarbeit mit Eric Clapton spricht [5]: „I really wanted to get at the rawness of relationships, the way things just burn at people but never quite erupt. And Eric just sensed that. The track couldn’t say it, it just had to unfold, holding the tensions until the voice goes up into the higher octave. He followed brilliantly, like it was a conversation. It feels like the guitar is answering the voice. I was so moved by what Eric played.“

„And so is Love“ wurde als letzte Single des Albums „The red shoes“ veröffentlicht. In Großbritannien erreichte sie Platz 26. Im Video dazu (Ausschnitt aus dem Album-Film „The Line, the Cross and the Curve“) singt Kate Bush das traurige Lied in einem hohen, dunklen Raum. Ihr Gesicht sieht ungeheuer verletzlich aus. Sie zündet eine Kerze an, aber das macht den Raum nicht heller. Draußen herrscht offenbar ein Gewitter. Eine Amsel flattert herum und versucht, durch ein Fenster zu entkommen. Zum letzten Teil des Songs fängt Kate Bush den Vogel vorsichtig ein. Aber anstatt ihn draußen freizulassen, lässt sie ihn drinnen frei. Er stößt sich am Fenster zu Tode und fällt auf am Boden liegende Noten. Kate Bush bettet ihn auf ein blutrotes Samttuch und küsst ihn zum Abschluss des Songs. Das Video gibt einige Anhaltspunkte zur Interpretation des Songs. Gefühle – „the rawness of relationships“ [5] – sind so etwas wie ein gefangener Vogel. Man kann sie fangen, anfassen, aber man kann sie nicht so einfach freilassen. Sie werden sich zu Tode stoßen. Es geht um „the way things just burn at people but never quite erupt“ [5].
Interessant ist für mich, dass eine Amsel im Video auftaucht. Die Amsel (englisch „Blackbird“) ist ein bei Kate Bush wiederholt auftauchendes Symbol. In „Waking the Witch“ wird im Text auf sie Bezug genommen, auf „Aerial“ ist ihr Gesang zentral. Die Amsel scheint für Kate Bush für die unterdrückten Gefühle zu stehen – erst der Gesang lässt sie heraus.
Die Biographen haben über den Song keine hohe Meinung. Vielleicht waren sie nicht gewohnt, dass Kate Bush einfach mal unverschlüsselt ihren Gefühlen Ausdruck verleiht. Insbesondere am Gastauftritt von Eric Clapton lassen sie kein gutes Haar. Graeme Thomson schreibt [6]: „Eigentlich ist es ein einfacher, melancholischer Popsong in Moll, doch er ist getrübt durch ein schrecklich konventionelles, amerikanisch anmutendes Arrangement, das versucht, die unverkennbare Bluesgitarre von Eric Clapton – für sich allein bereits ein äußerst gewöhnlicher Sound für ein Kate-Bush-Album – mit einem irritierenden Synthesizer-Effekt zu kombinieren.“
Ron Moy [7] meint: „The track is nothing more than moderate filler.“ Er bemängelt den Text und die musikalische Gestaltung ohne Geheimnis: „It may be ‚from the heart‘, but it cannot help but come across like a series of identikit phrases, and the musical backing does nothing to move the song out of the mundane.“ Den Gastauftritt von Eric Clapton hält er für verzichtbar: „[…] his blues fills could have been the work of any journeyman musician, so the purpose of this contribution remains unclear.“
Für „Director‘s Cut“ hat Kate Bush den Song noch einmal aufgenommen. Die neue Version unterscheidet sich nicht sehr von der alten Version. Es klingt weniger verzweifelt, eher ein bisschen abgeklärt. Der Chor erinnert mich nicht mehr an die Supremes, er ist ruhiger und klingt mystischer. Die resignative Zeile „and now we see that life is sad“ änderte sie zu „…. life is sweet“, denn: „Ich fand es so verdammt deprimierend! Diese bedrückende Zeile konnte ich nicht so lassen.“ [6].
Ich kann „And so is Love“ als das genießen, was es ist – eine melancholische Popnummer. Ich brauche nicht unbedingt ein Geheimnis. Möglicherweise hätte Kate Bush solche Songs in Mengen schreiben können, wenn sie gewollt hätte. Schade eigentlich, dass sie es nicht getan hat! © Achim/aHAJ

[1] Kate Bush: The red shoes (Songbook). Woodford Green. International Music publications Limited. 1994. S.13ff
[2] Hermann Beckh: Die Sprache der Tonart in der Musik von Bach bis Bruckner. Verlag Urachhaus. Stuttgart 1999. S.248ff
[3] „Well red“. Interview mit Del Palmer. Future Music. November 1993
[4] Roger Trilling: „A Tightly Wound Conversation With The Rubberband Girl“. Details. März 1994
[5] Tom Moon: „A Return to Innocence“. Philadelphia Inquirer. Januar 1994
[6] Graeme Thomson: Kate Bush – Under the Ivy. Bosworth Music GmbH. 2013. S.319, 396
[7] Ron Moy: Kate Bush and Hounds of Love. Aldershot. Ashgate Publishing Limited. 2007. S.116

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