50 Wörter wie Pinselstriche inszeniert

Wer die Kunst des schönen Schreibens, also die Kalligrafie, perfekt beherrschen will, benötigt Zeit. Wurde früher selbst das Abschreiben religiöser Texte als sakraler Vorgang angesehen, hat die Arbeit noch heute einen meditativen Charakter. Es gibt aber auch Gelegenheiten, da muss es schnell gehen und trotzdem perfekt werden. Zum Beispiel wenn Kate Bush anruft und sich für ihren PopUp-Store etwas Besonderes wünscht: den Songtext von 50 Words for Snow, handgeschrieben, als limited edition print. Den hat Denis Brown entworfen, ein Kalligraf, der in Dublin lebt und arbeitet. „Die Kalligrafie ist ein Handwerk, das von Struktur und Disziplin geprägt ist und aus jahrelanger Ausbildung und Übung herrührt. Das Leben und den Atem, den man in der besten Kalligrafie fühlen kann, kommt daher, dass trotz der Disziplin mit großer Freiheit geschrieben wird“, erzählt Denis, den die Kunst des schönen Schreibens schon in seiner Teenagerzeit fasziniert hat. Dabei geht es ihm nicht nur um das Schreiben an sich. Auch Denis wendet die erlernte Handwerkskunst an, er geht aber über das reine Präsentieren eines Textes hinaus. Er schafft es, Buchstaben und Wörter wie Pinselstriche zu inszenieren und zu einem neuen Bild zusammenzufügen.
Natürlich hat Kate nicht selbst bei Denis angerufen. Firebrand, also die Firma, die auch schon das Merchandising für die Before the dawn-Konzerte entwickelt hatte, nahm in Absprache mit Kate den Kontakt zu Denis auf. Zuvor hatten sie sich Arbeiten von ihm angeschaut, insbesondere „The Great Book Of Ireland„, an dem Denis gemeinsam mit anderen Künstlern rund drei Jahre gearbeitet hat. „Natürlich kannte ich die Musik von Kate Bush. Ich hab sie zuerst noch als Schuljunge gehört und ich glaube es gab niemanden von uns, der nicht in sie verliebt gewesen wäre. Ich muss aber auch gestehen, dass ich über die Jahre nicht mehr mit ihrer Entwicklung Schritt gehalten habe. Also musste ich den Song ’50 Words for Snow‘ erst mal recherchieren. Und nebenbei hat es mir viel Spaß gemacht, die großartigen frühen Klassiker wie ‚Babooshka‘ und ‚Wuthering Heights‘ wieder zu entdecken. Sie ist ein bemerkenswertes Talent!“, erzählt Denis. Die Aufgabe war jedenfalls klar: Er sollte einen fine art print aus den 50 Wörtern für Schnee entwerfen. „Für einen Kalligrafen ist das natürlich ein toller Job. Vor allem, weil man die Möglichkeit hat, die Bedeutung der Wörter in die Schrift umzusetzen. „Die beiden ‚S‘ in ‚Swans-a-Melting‘ veranschaulichen Schwäne und ‚Anklebreaker‘ fühlt sich wie gebrochene Knochen an“, sagt Denis. Kleiner Schönheitsfehler bei seinem Vorentwurf: Denis hatte, weil die Arbeit schnell fertig werden sollte, die 50 Wörter einfach nur aufgelistet. Das sah aber eher einer Menükarte ähnlich als dem gewünschten Sonderdruck. „Deshalb wurde ich gebeten, ein Hintergrundbild in Betracht zu ziehen. Das machte den Job viel komplexer“, erinnert sich Denis. In einer früheren Arbeit hatte er schonmal Wörter spiralförmig so angeordnet, dass sie sich zu einem Hurrikan zusammenfügen. Diesen Effekt hat er quasi recycelt und als Hintergrund benutzt. Der Songtext bildet mehrfach als Doppelspirale wie zu einem Scheesturm zusammengesetzt den Hintergrund, digital darauf gesetzt sind dann die handschriftlichen 50 Wörter für Schnee. Denis: „Das hat viel mehr Zeit in Anspruch genommen, als ich erwartet hatte und hat zu einigen späten Nächten und frühen Morgenstunden voll Arbeit geführt.“ Der Effekt ist aber äußerst beeindruckend, zumal auch der Songtext trotz der zahlreichen Überlappungen und Unschärfen dennoch an einigen Stellen lesbar ist. „Das wird einigen Fans bestimmt gefallen, Teile zu entziffern“, glaubt er.  Die 50 Wörter für Schnee sind zudem alle handgeschrieben. Denis hat also trotz der knapp bemessenen Zeit nicht auf bereits existierende
Schrifttypen zurückgegriffen. „Viele der Wörter  sind in einer relativ einfachen Kalligraphie geschrieben. Vor allem deshalb, weil eine zu ausdrucksstarke Schrift für alle fünfzig Wörter übertrieben und zu verwirrend gewsen wäre“, erklärt Denis. Also hat er auch einzelne Schriftstile mehrfach verwendet, das das Erscheinungsbild einheitlicher wirkt, durchbrochen von einzelnen, ausdrucksstärkeren Schriften. „Die sind mit schnellen, energischen Stiftstrichen geschrieben, so dass die Energie mit der Tinte auf Papier aufgezeichnet wird.“ Und das Lied selbst? Denis: „Das Lied entwickelt die Legende, dass Inuits tatsächlich 50 Wörter für Schnee haben, spielerisch zu 50 erfundenen englischen Wörtern oder Phrasen weiter. Stephen Frys Narration ist der perfekte Spiegel für Kates Stimme mit ihren Worten der Ermutigung im Refrain, und die sich wiederholenden Loops scheinen zu dem Eindruck einer schneebedeckten Landschaft zu passen, die unendlich weit in die Ferne geht“,  ist Denis von dem Song begeistert. Wie er sich auch über das Lob von Kate über sein Bild freut. „Ich habe gehört, dass sie ihr neues Buch für mich mit einer Widmung versehen hat, und ich habe ihr mein eigenes Buch mit einem kalligrafischen Autogramm und einem kleinen, eingefügtem Originalkunstwerk, zukommen lassen.“
Wer einen der Kunstdrucke ergattern will, muss sich beeilen  sie sind nahezu ausverkauft und im PopUp-Online-Shop kann nur noch bis zum 1. Januar geordert werden.
Denis ist übrigens auch öfter in Deutschland unterwegs. So wird er 2019 (Ende April) und 2020 in der Benediktinerabtei Scheyern (Bayern) Kalligrafie-Kurse geben. Weitere Angebote gibt es im Mai in Hamburg, im August in Münstertal (Schwarzwald) und im Herbst in Magdeburg. Mehr über Denis Brown kann man auf seiner Internetseite erfahren.

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