„Ich habe Musik nie kategorisiert“

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Rauchschwaden und Totenköpfe: Als Kindergeburtstag geht die überaus bombastische Live-Show von „Kreator“ nicht durch. Foto: Mathias Haslauer

Als „Musikfan durch und durch“ beschreibt sich Miland „Mille“ Petrozza, Frontman der Thrash-Metal-Band „Kreator“, die international wohl die bekannteste deutsche Band dieses Genres ist. Zwei Millionen verkaufte Alben, Touren als Headliner durch die USA. Wie gefragt die Band ist, zeigt auch ein Blick in den 2016er Tourkalender: Festivals in Bulgarien, Schweden, Österreich, Slovenien, Rumänien, Spanien und den Niederlanden stehen da bisher auf dem Plan. Was nur wenige wissen: Mille Petrozza ist bekennender Kate-Fan. „Seitdem ich denken kann, hat Kate Bush eine besondere Stellung in meiner musikalischen Sozialisation und ich glaube, dass der Vergleich nicht hinkt, wenn ich behaupte, dass Kate Bush-Fans ein klein wenig die Trekkies unter den Musiknerds sind“, schrieb er 2014 für den Festivalguide  nachdem er sich erst die Nerven beim Buchen der Tickets ruiniert und dann glücklich im Konzertsaal saß. Im Interview erzählt Mille Petrozza, wie er zum Kate-Fan wurde und wie sein „ideales“ Kate-Album klingen würde.

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Mille Petrozza, Gründer, Sänger und Gitarrist der Thrash-Metalband „Kreator“. Foto: Heilemania

Ich bin ja ganz brav mit Abba großgeworden. Beim Gucken Eures  Videos  „Phantom Antichrist“ habe ich mich gefragt, was  Du früher gehört hast? Was ist bei mir „falsch“ gelaufen?

Mille Petrozza: Meine Musikalische Sozialisation fand in den 1970er Jahren statt. Abba gab es da, aber auch Baccara, Village People, Demis Roussos – you name it.

Stehst Du immer so unter Strom, oder ist das eher was für die Bühne?

Mille Petrozza: Ich bin eher ein aktiver als ein passiver Mensch. Also ja.

Nach fünf Minuten „Phantom Antichrist“ brauchte ich erst mal was Ruhiges von Kate. Was hat den Gründer einer der bekanntesten und international erfolgreichen Thrash-Metal-Band zum Kate-Fan gemacht?

Mille Petrozza: Irgendwelche obskuren Erinnerungen an die Kindheit. Ich glaube, ich hatte „Babooshka“ im Fernsehen gesehen. In welcher Sendung, das weiss ich nicht mehr.

Von Fan zum bekennenden Fan ist es ja manchmal ein großer Schritt. Abba waren irgendwann uncool und ich hab mich geschämt, dass ich sie immer noch mochte. Wie war das bei Dir mit Kate?

Mille Petrozza: Da muss ich etwas ausholen. Natürlich gab es in der Historie meines Fantums eine kurze „Nichts außer Black Metal“- Phase. Allerdings habe ich Musik nie kategorisiert und mich auch nie als Teil einer bestimmten Szene gesehen. Ich bin einfach Musikfan, durch und durch. Geschämt habe ich mich ob meines Interesses an allen möglichen Facetten dieser wunderbaren Kunstform nie.

Ich weiß, dass unglaublich viele Heavy Metal-Fans für Kate schwärmen. Kannst Du mir das erklären? Für mich liegen da unüberbrückbare Welten zwischen.

Mille Petrozza: In der Tat hat mich zum ersten mal Euronymous von Mayhem (RIP) ernsthaft auf Kate Bush aufmerksam gemacht. Ich denke, wenn man Musik liebt, setzt man sich keine Grenzen, Unüberbrückbare Welten existieren für mich nicht, obwohl auch ich manche Musik als unangenehm empfinde.

Mal umgekehrt gefragt: Wo siehst Du Parallelen zur Musik von Kate?

Mille Petrozza: Wenn ich Musik einordnen soll, dann in angenehme, oder unangenehme. Für mich klingt Kates Musik sehr angenehm und regt meine Fantasie positiv an.

Es gibt ein Zitat von Dir, wo Du sinngemäß sagst, dass Erfolg nicht durch Verkaufszahlen definiert wird,  sondern durch das Erreichen eigener Ziele. Der Satz könnte so auch von Kate stammen. Ist das schon Altersweisheit oder ein ähnliches Selbstverständnis, eher selbstbestimmt Musik zu machen?

Mille Petrozza: Das habe ich auch in sehr jungen Jahren so empfunden. Ich denke, dass jeder Mensch, der ernsthaft Musik macht, das immer aus einem inneren Drang heraus betreibt und nicht des Erfolges willen. Natürlich freue ich mich und empfinde große Selbstbestätigung, wenn andere Menschen meine Musik auch mögen, doch mache ich diese zuallererst für mich selbst. Nur wenn ich meine eigene Musik mit Liebe mache, können andere diese auch mögen. Davon bin ich überzeugt. Das hat etwas mit transportieren von Emotionen zu tun.

Du bist 2014 bei einem der Kate-Konzerte gewesen. Wie viel Päckchen Taschentücher hattest Du dabei? Allerspätestens bei „Hello Earth“ hätte ja die erste Träne fließen müssen…

Mille Petrozza: Ich habe nicht mehr damit gerechnet, Kate jemals noch mal Live zu erleben. Wie wir alle wissen, wollte sie ja keine Konzerte mehr spielen. Als die Ankündigung kam, saß ich gleich vorm Rechner und habe mir diese sündhaft teuren Karten bestellt.

Ich kann dieses überwältigende Konzert bis heute nicht mit den passenden Worten beschreiben oder einem Nicht-Kate-Fan klarmachen, was für Emotionen da durch den Saal waberten. Wie hast Du das Konzert erlebt?

Mille Petrozza: Ähnlich sakral wie Du. Ich habe seinerzeit einen Konzertbericht für den Festivalplaner geschrieben. Kannst Du hier nachlesen.

Was ist eigentlich Dein Lieblingssong von Kate?

Mille Petrozza: Ich mag so viele. Kommt auf meine Stimmung an. „Breathing“, vielleicht?! Das ganze „The kick inside“-Album? Ich mag allerdings auch „50 Words for Snow“ sehr gerne.

Würden Song von Kate auch als Thrash-Nummer funktionieren?

Mille Petrozza: Ich denke, der Song „Violin“ würde funktionieren. Der ist von der Struktur sehr thrashig.

Wäre nicht „Get Out Of My House” was für Euch?!

Würde auch gehen. „The Dreaming“ ist überhaupt ein sehr unterbewertetes Album. Findest Du nicht auch?

Wie würdest Du Dir das nächste Kate-Album wünschen? Eher sanft und piano-lastig wie „50 Words For Snow“ oder lieber so verrückt wie bei „The Dreaming“?

Mille Petrozza: Ich würde mir wünschen, dass Kate Bush sich auf ihre Wurzeln besinnt und ihre Tanz-Performance wieder in die Show integriert. Auch die hohen Töne in ihrer Stimme vermisse ich etwas. Eine musikalische Mischung aus den ersten drei Alben wäre traumhaft, aber sicher utopisch. Wie egoistisch von mir.

(Besten Dank an Markus Jakob von Nuclear Blast, der den Kontakt vermittelt hat.)

2 Kommentare

    • FlyKilla auf 1. März 2016 bei 18:35
    • Antworten

    Moin, hier ist noch jemand der Kate und Kreator im gleichen Regal stehen hat. Mille, Du überrascht mich immer wieder. Kommt mal nach Brande-Hörnerkirchen, dann könnte man bei einem Bier darüber Philosophieren.
    Gruß, Fly

    • Thomas auf 18. Februar 2016 bei 20:55
    • Antworten

    Bugi, Du bist der Größte. Tolles Interview!

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