Träumen Sie auch manchmal von Kate Bush? Ich meine keine Tagträumereien wie: Ach, wäre das fantastisch, würde morgen Kates neues Doppelalbum erscheinen… Auch nicht: Was wäre, wenn ich die Playlist für das Kate-Konzert zusammenstellen dürfte… Träumen Sie manchmal von Kate Bush?
Vorweg möchte ich anmerken, dass – gleichgültig welche Musik, welche Literatur oder welcher Film mir gefällt – ich den Künstler in Realität nicht kennenlernen muss. Wozu? Ich mache mir nichts aus Autogrammen und erst recht nichts aus einem feuchten Händedruck. Ich brauche keine Tasse, die ich nie mehr abwaschen kann, weil Meryl Streep daraus Fencheltee getrunken hat. Ich will auch nicht die benutzen Zahnstocher von James Blunt, Udo Jürgens oder Justin Timberlake horten. Und selbst signierte Bücher von John Irving, Susanna Clarke oder Jim Butcher sind für mein Lebensglück nicht zwingend notwendig. Womit bewiesen wäre: Ich bin ein durch und durch rationaler Mensch.
Trotzdem ist es so, dass Kate mitunter in meinen Träumen vorkommt. Mitunter. Nicht ständig. Ich bin nun wirklich kein Mensch, der immerfort an Kate Bush denkt. Wirklich nicht. Ich denke, aber nicht nur an Kate Bush. Ich denke wie jeder andere Mensch auch an das Wetter oder an Bananen oder an was man sonst so denkt. Selbst wenn ich in diesem Moment an Kate Bush denken würde – was ich nicht tue – würde ich natürlich an ihre Musik denken. Immer nur an ihre Musik. Hätte ich jedoch geahnt, dass man mich auf diese Mission hier schickt, Ihnen, hochverehrte Leserschaft, das Warten auf Kate zu verkürzen… Ja, dann hätte ich zweifelsohne jeden Traum auf ein Diktiergerät gesprochen, um ihn hier veröffentlichen zu können. Habe ich aber nicht. Kann ich also nicht.
Erfreulicherweise kann ich mich jedoch noch an einen Traum erinnern. Es war die Zeit zwischen „The Red Shoes“ und „Aerial“. Ich weiß das so genau, weil ich gerade in eine andere Wohnung umgezogen war. Wie war das noch mit dem ersten Traum in einem neuen Bett? Herr Böttcher schlummerte also süß und träumte selig.
Zuerst nichts, dann nur eine bräunlich-grüne Fläche. (Immerhin wissen Sie jetzt schon mal, dass ich in Farbe träume. Stellen Sie sich also bräunliches Grün vor.) Plötzlich im Zentrum dieser Farbkomposition: ein winziges Quadrat. Das Quadrat wird heran gezoomt. Das Quadrat ist ein Plattencover. Ein Cover für eine Scheibe aus Vinyl. Keine Schrift, kein Hinweis, keine Bilder auf dem Cover. Nur Farben: sehr viel Moosgrün und ein wenig Tomatenrot. Hübsch anzusehen. So als hätte jemand einen Pinsel mit dicker, roter Farbe in leichtes, grünes Wasser gestupst.
Als ich das Cover berühren will, schrumpfe ich (Alice im Wunderland lässt grüßen. Ich weiß, ich weiß, nicht besonders originell, aber wer ist schon Herr seiner Träume? Es gibt weit Schlimmeres. Uschi Glas hätte mir auch einen Apfel reichen können und ich hätte hineinbeißen müssen. Dann doch lieber die Schrumpfnummer, ich bin nämlich allergisch… Gegen Äpfel?). Das Plattencover im Traum ist ein Gatefold-Cover und schlägt sich von allein auf. Und ich weiß, ohne dass es mir jemand gesagt hat: die neueste Platte von Kate Bush hat sich vor mir aufgetan. (Bevor Sie jetzt zu den Telefonhörern greifen, erinnere ich noch einmal daran: Dies hier ist ein Traum, die Platte ist niemals erschienen. Zumindest nicht in diesem Universum.)
Kennen Sie diese fröhlichen Klappbücher für Kinder mit den sogenannten Pop-Up-Elementen? Tja, in so einer heiteren Papp-Welt war ich plötzlich unterwegs. Ich schlenderte über einen gezeichneten Weg, über eine Wiese, durch ein Wäldchen und überall gab es Stationen und es konnte gedreht, gezogen und geblättert werden. Hurra, dreimal in die Hände geklatscht, das versprach vergnügliche Beschäftigung! Und es wurde sogar richtig erfreulich. Jedes Mal bei Betätigung eines Pop-Ups tauchte ein Stück Kate auf. Ihr Kopf hinter einem Busch, ihre Augen wurde übergroß und sprangen ihr beinahe aus dem Kopf. Oder man kam an ein Häuschen – drückte man dort auf einen Knopf an der Haustür, öffnete sich das Küchenfenster und Kate rührte recht beschwingt im Suppentopf, bei der nächsten Station sprang sie aus dem Schornstein. Sehr oft hob sie den rechten Arm zum winkenden Gruß. Sie wissen, Kate ist im Winken mindestens so gut wie ihre Fans im Warten. Und überall war es grün und Kate trug ein tomatenrotes Kleid. Und jedes Mal, wenn ich an einer weiteren Schlaufe aus Pappe zog, ertönte ein neues, mir gänzlich unbekanntes Lied, natürlich von Kate Bush. Ich wollte aus diesem Traum nie wieder erwachen. Die Lieder kann ich Ihnen zu meinem Leidwesen nicht beschreiben, aber glauben Sie mir, in meiner Erinnerung sind sie überirdisch gut. Plötzlich saß Kate Bush, leibhaftig und nicht mehr aus Pappe, also dreidimensional auf einer ebenso dreidimensionalen Schaukel, die aus dem Innenteil des Covers herausragte. Und Kate schaukelte und lachte, schaukelte und lachte, was das Zeug hielt, einmal quer über das gesamte Cover. Sie schaukelte und schaukelte. Immer schneller. Immer höher. Die schaukelnde und singende Kate wie Blitzlichter aus allen erdenklichen Perspektiven. Und dann? Ja, und dann klingelte der Wecker… Suddenly my feet are feet of mud, it all goes slo-mo. I don’t know why I’m crying, am I suspended in Gaffa? Not till I’m ready for you, not till I’m ready for you. Can I have it all?
LG, Herr Böttcher.
Herr Böttcher fährt nach London. Zu Kate. Und wir begleiten ihn. Oder er uns.
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