Das Song-ABC: All We Ever Look For

Diesem Song nähere ich mich ein bisschen mit Ehrfurcht. Er gehört zu meinen absoluten Lieblingsliedern von Kate Bush. Zudem stammt er vom Album „Never For Ever“, das mich damals endgültig für Kate Bush gewonnen hatte. „All We Ever Look For“ ist wahrscheinlich nur Insidern bekannt, was ich sehr schade finde. Ich bewundere seine „abrupte Großartigkeit“ [1] und seine Thematik: der Song setzt „sich mit den Wünschen und Bedürfnissen auseinander, die sich von einer Generation zur nächsten wandeln“ [1]. Nicht nur die Thematik ist interessant, sondern auch die musikalische Gestaltung. Das Fairlight, ein Synthesizer, wird auf diesem Track mit großer Wirkung eingesetzt, viele Soundsamples werden integriert. An einer Stelle singt eine Gruppe von Hare-Krishna-Anhängern das „Maha-Mantra“, wobei Kate einen winzigen Teil einer Zeile aus diesem Mantra verwendet: Krishna, Hare Krishna“ – „a God“. Es folgen Vogelgezwitscher – „a Drug“ – und schließlich Applaus – „a Hug“ [2]. Diese Samples erklingen zu den Geräuschen einer Frau, die über einen Fußboden geht und Türen öffnet, hinter denen diese Töne warten. Es gibt keinen Text dazu. Die eben hinzugefügten assoziierten Worte „God“, „Drug“ und „Hug“ werden erst in der anschließenden Coda gesungen.
Ich liebe auch die wunderbaren Klänge, die sich durch das Lied ziehen. Kate Bushs Bruder Paddy spielt eine Koto (eine japanische Zither), Morris Pert spielt Pauken. Das alles gibt dem Lied ein fremdartiges Flair. Zusammen mit dem schreitenden Rhythmus entsteht der Eindruck eines altehrwürdigen, höfischen Tanzes. Auch die sparsam eingesetzten Backing-Vocals von Preston Heyman, Paddy Bush, Andrew Bryant und Gary Hurst gefallen mir [2]. Die Schönheit dieses Songs geht mir immer wieder unter die Haut. Vielleicht ist „All We Ever Look For“ ein Weckruf, auf jeden Fall vermittelt es eine Erkenntnis: „All we’re ever looking for / Is another open door.“
Kate Bush hat sich mehrmals zu diesem Song geäußert. Die Hauptthematik ist eine, die wir alle kennen – wir sind auf der Suche (nach Glück? Erfüllung? Sinn?), aber meist vergeblich oder auf eine falsche Art und Weise. „All We Ever Look For is about how we seek something, but in the wrong way, or at wrong times, so it is never found.“ [8] Unseren Eltern ging das schon so, dies überträgt sich abgewandelt auf die Kinder. „One of my new songs, ‚All We Ever Look For‘, it’s not about me. It’s about family relationships generally. Our parents got beaten physically. We get beaten psychologically.“ [6] In einem anderen Interview führt sie dies noch genauer aus: „It’s interesting the things that we do pick up from our parent – the way we look or little scratching habits or something and obviously the genetic thing must be in there. All the time it’s going round in a big circle – we are always looking for something, all of us, just people generally and so often we never get it. We’re looking for happiness, we’re looking for a little bit of truth from our children, we’re looking for God, and so seldom do we find it because we don’t really know how to look.“ [7]

Die polnische Flexi, die mit dem Titel All We Ever Look For gelistet ist, auf der aber wohl der Song Egypt drauf ist.

Wir alle streben nach einem Ideal, einem „Gott“, auch dies führt Kate Bush näher aus. „Belief is motivation, and without that you don’t do anything. I mean, if your ‚God‘ is to have a husband and children, and you actually fulfill that… Many people don’t see the thing they love and believe in as ‚God‘. Most of us aren’t happy, really, and it’s only because our God isn’t complete.“ [5] Es ist schon außergewöhnlich, dass sich Kate Bush so ausführlich zu dem äußert, was sie mit einem Song ausdrücken wollte. Das Thema schien ihr wirklich eine Herzensangelegenheit gewesen zu sein. Aber es ist ein Thema, das uns alle jeden Tag betrifft. Wir sind mit den Erwartungen anderer Menschen und unserer Familie (an uns) konfrontiert, das beeinflusst uns. Wir haben Erwartungen an uns selbst, streben nach einem Ziel. Wir sind ständig auf der Suche, öffnen alle möglichen Türen – aber sind es die richtigen? Und wir schaffen es meist nicht, uns darüber klar zu werden und es uns einzugestehen.
„All We Ever Look For“ ist ein tiefsinniges, fast bekenntnishaftes Lied. Die Aussagen von Kate Bush passen genau zum Text, hier verbirgt sich kein tieferes Geheimnis. Das wirkliche Wunder ist die subtile musikalische Gestaltung. Um das nachvollziehen zu können, werde ich mich am Text und den Noten [3] entlang hangeln. Das Lied ist im 4/4-Takt geschrieben, es gibt nur einige eingestreute 2/4-Takte. Die erste Strophe, beginnend mit „Just look at your father“ steht in Es-Dur. Der Chorus ab „All they ever want for you“ steht in E-Dur mit kurzen Ausflügen in die Paralleltonart cis-Moll. Es folgt dann eine kurze instrumentale Überleitung in Es-Dur. Der zweite Durchgang ist genauso tonartenmäßig gestaltet. Die zweite Strophe ab „The whims that we’re weeping for / Our parents would be beaten for“ steht in Es-Dur, der folgende Chorus in E-Dur. Im Text in diesem zweiten Chorus steht aber „All we ever look for“. Es wechselt jetzt die Sichtweise vom „they“ des ersten Chorus auf das „we“. In der zweiten Strophe hört man Männerstimmen im Hintergrund, die aber eigentlich nur so etwas wie unterstützende Akkorde singen. Im zweiten Chorus tritt Kate Bush als leise Hintergrundstimme dazu. Mit dem „we“ meint sie offensichtlich sich selbst.
Es gibt in diesem Ablauf zwei getrennte Welten. Es-Dur ist die Welt der Erzählerin. E-Dur, einen Halbton höher, ist die Welt der Erwartungen und Wünsche. Im ersten Chorus ist es die Welt der Erwartungen der anderen Menschen, im zweiten Chorus sind wir bei uns selbst angekommen. Es ist eine musikalische Wanderung von außen nach innen, zu uns selbst. Aber Es-Dur und E-Dur sind harmonisch sehr weit voneinander entfernt. Allein schon daran sieht man, dass die Welt unserer Erwartungen und Wünsche etwas ist, was von uns (Es-Dur) auf harmonischem Weg nur schwer erreichbar ist. Die Tonarten sind – wie immer bei Kate Bush – sehr subtil und treffend eingesetzt. Unsere reale Welt steht in Es-Dur. Diese Tonart ist „nicht nur tiefstes Dunkel, sondern zugleich die Wiederaufwärtswendung zum Licht“. Sie besitzt einen starken, positiver Charakter, einen Charakter des Heroischen [4]. Ja, die Protagonistin hat Zweifel, Ängste, aber sie lässt sich davon nicht unterkriegen. Im Inneren ist sie eine Heldin.

… und die polnische Flexi, die mit dem Song Blow Away gelistet ist, auf der sich aber wohl All We Ever Look For befindet

E-Dur steht für die Sphäre der Erwartungen, der Wünsche, der Suche. Beckh meint zu dieser Tonart, sie „hat die Helligkeit einer ganz anderen Welt, einer Welt der Träume, des Dichterischen, der höheren Bilderschau, in der wir der gewöhnlichen Tageswelt gänzlich entrückt sind“ [4]. Zugleich ist sie eine Tonart der Herzenswärme, der Herzensinnerlichkeit, der Liebeswärme [4]. Kate Bush schaut offenbar liebevoll und mit Verständnis auf die Erwartungen anderer Menschen. Aber sie hat auch keine Illusionen, Erwartungen sind Träume, sind nichts aus der gewöhnlichen Tageswelt. Aber nach dem zweiten Chorus geht der Song weiter, wir kommen in eine Phase der Verarbeitung. Der Übergang zur Coda ist rein instrumental mit den sich öffnenden Türen. Die Protagonistin probiert neue Wege aus. Wie oben schon geschrieben gibt es hier keinen Text. Dieser Übergang beginnt kurz im Es-Dur der Realität. Hier sind wir nach dem zweiten Chorus wieder angekommen. Dann aber wandelt es sich schnell in eine ganz neue Tonart, das es-Moll. Unser positives Es-Dur hat sich eingedunkelt. Die eigentliche Coda beginnt mit „All we ever look vor“ in es-Moll und geht auch so weiter, mit Ausnahme des letzten Satzes. Der ist wieder in Es-Dur: „But we never do score.“ Rein instrumental geht es dann in Es-Dur dem Ende zu.
Nach Beckh [4] „vollzieht sich [bei es-Moll] ein Übergang von der Sinneswelt in die geistige Welt, ein Übergang, der über die Schwelle führt, die Wachen und Schlafen, Leben und Sterben, Tagesansicht und Nachtansicht der Welt, Sinneswelt und geistige Welt voneinander trennt“. Diese Tonart „kann als die im geistigen Sinne ernsteste aller Tonarten verstanden werden“, sie lässt uns „vor allem den Ernst des Schwellenübergangs, mitunter die Tragik des Schwellenübergangs erleben“. Eine passendere Tonart für ein Akzeptieren der Situation lässt sich kaum finden. Ja, es gibt Erwartungen, das Umgehen damit und mit dem Scheitern ist eine ernste Sache. Kate Bush sagt es selbst – es bleibt uns aber nichts anderes übrig: „The last line – „All we ever look for – but we never did score.“ Well, that’s the way it is – you do get faced sometimes with futile situations. But the answer is not to kill yourself. You have to accept it, you have to cope with it.“ [6] Und so wandelt sich die reale Welt nach es-Moll, dunkelt sich ein. Es ist ein mühsamer Prozess der Verarbeitung. Aber am Schluss sind wir wieder in der Welt von Es-Dur: „You have to accept it, you have to cope with it“ [6]. Es gelingt!
Ich finde es faszinierend, wie der Song um diese Töne E und Es kreist und so zwei Welten subtil musikalisch getrennt voneinander abbildet. Die Botschaft hinter „All We Ever Look For“ liegt offen vor uns, hier verbirgt sich kein Geheimnis. Das Geheimnis liegt hier in den Fundamenten der Musik verborgen. Unser reales Leben und unsere Erwartungen und Wünsche haben nichts miteinander zu tun. Das Verarbeiten dieser Erkenntnis ist ein schwieriger Prozess, unsere Sinnsuche selbst ist ein schwieriger Prozess. Aber wenn wir durch diesen Prozess hindurch sind, sind wir mit uns im Reinen. „All We Ever Look For“ ist ein magischer und einfach wunderschöner Song von einem wunderschönen Album.
Kate Bush hat hier wahrscheinlich ihren eigenen Lernprozess beschrieben. Eine Passage aus einem der Interviews deutet darauf hin: „[…] everything in my life goes into my music. Everything that happens to me affects me, and it comes out in my music. If I did become perfect, and was no longer vulnerable, perhaps I wouldn’t get the same shocks of emotion that make me want to write.“ [5] Vielleicht erklärt dieser letzte Satz auch, warum wir schon so lange auf neue Musik von ihr warten. © Achim/aHAJ

[1] Rob Jovanovic, Kate Bush. Die Biographie. 2006. Koch International GmbH/Hannibal. Höfen. S.118
[2] https://www.katebushencyclopedia.com/all-we-ever-look-for (gelesen 27.01.2023)
[3] “‪Kate Bush Complete”. EMI Music Publishing / International Music Publications. London. 1987. S.57ff
[4] Hermann Beckh: Die Sprache der Tonart in der Musik von Bach bis Bruckner. Verlag Urachhaus. Stuttgart 1999. S.124 (Es-Dur), S.263ff (E-Dur), S.102 (es-Moll)
[5] Mike Nicholls: „Among the Bushes“. Interview „Record Mirror“, 1980
[6] Derek Jewell“: „How To Write Songs And Influence People“. Interview „Sunday Times“. 05.10.1980
[7] Interview „Never for Ever“. EMI 1980
[8] Kate Bush: „Them Bats and Doves“. Kate Bush Club Issue 7. 09/1980.

„Entzückend, lustig, liebenswert“

Illustrator Jim Kay, der das neue Cover für die Taschenbuch-Ausgabe des Lyrik-Buches How to be invisible entworfen hat, hat sich bei Instagram zu Wort gemeldet: „Ich muss sagen, dass Kate Bush die entzückendste, lustigste und liebenswerteste Person ist, mit der ich je das Glück hatte, mich zu unterhalten. Ich war vor dem Telefonat so nervös, aber innerhalb von 30 Sekunden vergisst du das alles und sie bringt dich zum Lachen. Danke Faber für diese Gelegenheit und danke Kate, für alles.“ Das Cover ist demnach nach einer Idee von Kate entstanden, die Kay dann umgesetzt hat. Auch das KT-Symbol findet sich in der Zeichnung wieder – in einem Blatt unterhalb des Wortes „Invisible“. Kay ist freier Illustrator und hat vor allem für die Schmuckausgaben der Harry Potter-Reihe die Illustrationen entworfen.

Die (neue) Geschichte der Fischmenschen

Mit dem Wechsel zu dem Marketing- und Vertriebslabel state51 kehrt offenbar auch mehr Humor auf der Internetseite von Kate ein. Wer beim neuen Logo rechts auf den Kreis geht, der landet auf einer Seite, die sich dem Mythos der Fish People widmet. Und wir erfahren, dass die Fischmenschen eine Zivilisation waren, die etwa 900 Jahre vor Christus lebte und plötzlich verschwand: „Über sie ist wenig bekannt, außer, dass sie eines Tages aus den Ozeanen an Land gingen, als niemand hinsah. Es wird angenommen, dass sie ihrer Zeit um Jahrhunderte voraus waren. Ihre Kultur war nicht durch Reichtum oder sozialen Status definiert und sie schafften jegliche Gewalt ab, da sie an die Harmonie der Natur und die Gleichheit aller Ozeane glaubten.“ Die Fischmenschen „konnten gleichzeitig mit allen Wasserlebewesen und mit den meisten Menschen in der westlichen Hemisphäre sprechen. Es gab bestimmte Frequenzen in ihrer Sprache, die nur von kleinen Krebstieren und sehr kleinen Kindern verstanden werden konnten. Die volle Bedeutung dessen, woher ihre unverwechselbaren Buchstabenformen stammen, ist verloren gegangen.“ Aber es gibt eine sehr schöne Erklärung für die Typografie, die den Bogen von den Walgesängen auf The Kick Inside bis zu dem Vogelgezwitscher auf Aerial schlägt: Die Buchstabenform habe etwas mit den komplexen Routen der Zugvögel und den Unterwassersäugetieren zu tun. Schön auch die letzte These: „Fischmenschen sollen eines Nachts, als alle beim Abendessen waren, zurück ins Meer gegangen sein, und die Prophezeiung besagt, dass sie wieder an Land zurückkehren werden, wenn ihre Lehren gebraucht würden, um eine verwundete Welt zu heilen.“ Die Buchstabenform beschäftigt die Marketingexperten dann doch noch weiter. Als Beweis werden Zeichnungen aus dem 19. Jahrhundert präsentiert (Bild unten), die Kopien von Höhlenmalereien von einer mediterranen Insel zeigen – natürlich erhalten und archiviert im Britischen Museum. Und es folgt noch eine Entschlüsselung von Professor Barnbrook (Foto oben), der die Buchstabenformen in 4 Leveln erläutert – wobei Level 2 mit Deeper Understanding betitelt ist. Bei Professor Barnbrook könnte es sich um Jonathan Barnbrook handeln, einem englischen Grafikdesigner, der auch Schrifttypen entwickelt und in London lebt. Barnbrook hat unter anderem die Alben Heathen, Reality, The Next Day und Blackstar von David Bowie designed und die entsprechende Typografie entwickelt. Von ihm entwickelte Schrifttypen heißen dann auch schon mal Bastard, False Idol, Moron (Trottel) oder Sarcastic.

Neue Logos, neuer Partner

Kate wechselt offenbar ihr Vertriebslabel und wechselt mit Fish People zum 1. März von Warner Music zu The State51 Conspiracy. Das gilt für alle Alben ab der The Dreaming-Ära; mit The Kick Inside, Lionheart und Never for Ever wechselt sie das Label ausschließlich in den USA. The State51 Conspiracy ist ein unabhängiges Label, das 1992 in England gegründet wurde und unter anderem mit Van Morrison, Donovan, Keving Godley und den Organisatoren des Glastonbury Festival (wo schon öfter über einen Live-Auftritt von Kate spekuliert wurde) zusammenarbeitet. In einem Statement auf Twitter zeigte sich The State51 Conspiracy „zutiefst geehrt“, die Vermarktung der Alben für Fish People übernehmen zu dürfen. Weiter heißt es: „Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit an Katalogveröffentlichungen, einschließlich einiger Sonderpräsentationen.“ So wird zum Beispiel eine Neuveröffentlichung von Hounds Of Love im Laufe des Jahres in Aussicht gestellt. Ein neues Album wurde allerdings nicht angekündigt. Erstes Ergebnis der Kooperation ist die komplette Überarbeitung der Fish People-Logos auf Kates Seite, dazu können auch im Shop neue T-Shirts, Hoodies , Puzzle, Schürzen und weitere Fanartikel vorbestellt werden. Sie sollen ab dem 24. März zur Verfügung stehen.

Mode, inspiriert von The Ninth Wave

Bei der Londoner Fashion Show hat Modedesigner Steven Stokey-Daley, der mit seinem Label SSDaley unter anderem Künstler wie Musiker Harry Styles einkleidet, jetzt seine neue Herbst- und Winterkollektion 2023 präsentiert – und die ist von der Songsuite The Ninth Wave inspiriert. „Als ich The Ninth Wave von Kate Bush hörte, fand ich das ganze Universum darin“, wird Daley zitiert. Er sehe Musik als Kleidung und habe sich bei dieser Kollektion von der Musik leiten lassen. Daley: „Der Sog des Wassers hat uns in eine frische neue Welt geführt, eine Welt, in der es um das Selbstvertrauen geht, der zu sein, der ich sein möchte.“ Eröffnet wurde die Show von dem englischen Ausnahme-Schauspieler Sir Ian McKellen, ebenfalls Fan von Kate. Er hatte ihr nach den Before the Dawn-Konzerten den Evening Standard Theatre Awards verliehen. McKellen las aus Tennysons „The Coming of Arthur“, von dem sich Kate zu The Ninth Wave hatte inspirieren lassen und aus dem die Textzeilen „Wave after wave, each mightier than the last, til last, a ninth one…“ stammen. Kate hatte das noch etwas längere Tennyson-Zitat auf dem Konfetti zur Einleitung der The Ninth Wave Suite genutzt, Daley hat ein blaues Shirt mit dem Spruch entwickelt. McKellen trug übrigens eine seidene Matrosenmütze, einen marineblauen Caban-Mantel, Hemd, Schal und eine weit geschnittene blaue Hose. Daley, der aus Liverpool stammt, hat in seiner TNW-Kollektion das Porträt eines Seemanns aufgegriffen, Kragen verlängert, nautische Streifen mit seinen Logos neu interpretiert und locker fallende Seidenkrawatten über tief geknöpfte Hemden fallen lassen. In einer imaginären Seefahreruniform wurden Hemden zerrissen und mit paillettenbesetzten Slips neben handgestrickten Sturmhauben getragen. Er hat Kapuzenjacke mit asymmetrischen Verschlüssen mit braunen Baumwoll-Cargohosen kombiniert und auch sein Markenzeichen, Strickwaren mit lebensechten Drucken oder getrockneten Blumen verziert, in die Kollektion aufgenommen. Anzugjacken wurden mit Matrosenkragen geschnitten, mit kontrastierenden Handnähten gesäumt, mit handgefertigten Keramikknöpfen abgerundet und auf Seidenhemden getragen. Zur Kollektion gehört auch Damenmode, bestehend aus schräg geschnittenen Seidenkleidern, Paillettenbesätzen und zart geschnittenen Silhouetten. Bezahlbar dürfte das alles nicht sein – aber immerhin gut ausschauen. Und vielleicht kann man ja doch auf das Tennyson-Shirt sparen. Das dürfte so um die 400 bis 500 Pfund kosten.

Tour-Andenken versteigert

Auf der englischen Online-Plattform Omega Auctions sind jetzt mehrere bemerkenswerte Andenken von der Before The Dawn-Tour versteigert worden, die offenbar einem Crew-Mitglied gehört haben. Besonders sind vor allem die In-Ear-Monitoring-Kopfhörer der Nobelmarke Jerry Harvey Audio, die mit dem Aufdruck „Mrs McIntosh“ versehen sind – entweder ein Hinweis darauf, dass Kate verheiratet ist und den Nachnamen ihres Mannes angenommen hat, oder ein Hinweis auf ihren besonderen Humor.

Dazu gibt es einen Satz Songtexte mit handgeschriebenen Hinweisen (etwa bei dem Song Lily), eine To-do-Liste und ein Ablaufplan für die Proben für den 29. Juli 2014 – der ebenfalls besonders ist, weil er von der Begrüßung (Good Morning!) kurz und knapp den Ablauf vorgibt. An dem Tag wurden mit Hello Earth, Jig Of Life und Waking The Witch von 11 bis 13 Uhr drei Songs geprobt, danach gab es Mittagessen, 30 Minuten Zeit zum Aufräumen und von 14.30 bis 19 Uhr die komplette Version von The Ninth Wave – das gemeinsame Abendessen nicht zu vergessen. Ein zweiter Auktionsposten enthält eine Sammlung von Dokumenten: Liedtexte mit kommentierten Anweisungen, Probenpläne und Produktionsnotizen sowie weitere Teile und Ersatzteile für Kate Bushs In-Ear-Monitoring-Kopfhörer. Dritter Posten sind ein Kapuzenanorak von The North Face und ein Shirt, beides in schwarz und der Größe XL, die ausschließlich an Cast und Crew verteilt wurden. Jacke und Shirt sind unter anderem mit dem gestickten Design ‚The KT Fellowship presents Before The Dawn Cast & Crew‘ versehen. Der namentlich nicht genannte Tontechniker, der die Tour-Andenken jetzt zur Versteigerung angeboten hat, hatte 2010 auch für Sting gearbeitet und von der Tour ebenfalls Andenken eingestellt. Für seine Before The Dawn-Andenken konnte er insgesamt 2150 Pfund erzielen. Davon entfielen 700 Pfund auf die Kopfhörer – was vergleichsweise günstig ist. Neu starten die bei 659 Dollar, die Top-Kopfhörer kosten 2200 Dollar – und wer wie Kate spezielle benötigt, legt noch mal Geld drauf…

Das Song-ABC: The Morning Fog

„The Morning Fog“  ist ein sehr spannender und vieldeutiger Song, obwohl er auf dem ersten Blick ganz eindeutig erscheint. Aber wir sind bei Kate Bush, so etwas sollte uns nicht überraschen. Der Song beschließt die zweite Seite des Albums „Hounds Of Love“ und damit die Suite „The Ninth Wave“, die diese zweite Hälfte des Albums einnimmt. Um hinter das Geheimnis dieses Songs zu gehen, muss zuerst einmal geklärt werden, worum es in dieser Suite geht. „The Morning Fog“ ist der siebte und letzte Track dieser Suite, die eigentlich eine Art Mini-Konzeptalbum ist. Es geht um eine Frau, die nach einem Schiffsunglück allein im Meer zu ertrinken droht. Kate Bush sagt klar, worum es geht: „The Ninth Wave was a film, that’s how I thought of it. It’s the idea of this person being in the water, how they’ve got there, we don’t know. But the idea is that they’ve been on a ship and they’ve been washed over the side so they’re alone in this water.“ [6] „The Morning Fog“ beendet diese Suite. Es sieht so aus, dass die Frau ihre Nahtoderfahrung überlebt und wieder zu Bewusstsein kommt. Da sie dem Tod so nahe gekommen ist, verspricht sie, das Leben besser zu schätzen, ebenso wie diejenigen, die an ihrem Leben teilhaben. So der Text.
Das Lied hat unheimlich viel Atmosphäre, weil es die Auflösung und der Höhepunkt dieser unglaublichen Geschichte ist und nach so viel Dunkel einen helleren Ton anschlägt. Auch die Biographen sehen das so. Graeme Thomson ist voller Begeisterung: „Schließlich kündigt ‚The Morning Fog‘ den kommenden Morgen und eine Art emotionale Rettung an. Die Nebelschwaden sind eine geistige Macht, die über die Wellen zieht und das Mädchen wieder ans Land geleitet, zurück ins Leben, denn sie hat es überstanden und ist erfüllt von ihrer wiederentdeckten Liebe“ [1, S.263]. Für ihn ist es ein Song wie von warmen Sonnenlicht durchdrungen, „[…] der die Freude und Dankbarkeit eines Menschen ausdrückt, der von einer weiten Reise zurückkehrt – „I kiss the ground“ – und der nun entschlossen ist, die wirklich wichtigen Dinge zu wertschätzen: das Leben, die Liebe, die Natur und die Musik. Man kann es als Botschaft an ihr eigenes Ich verstehen: Lass dieses Glück nicht vergehen, singe davon, feiere es“ [1, S. 273]. Die musikalische Gestaltung trägt für Graeme Thomson viel zu dieser Wirkung bei, insbesondere wird das Gitarrenspiel von John Williams hervorgehoben: „John Williams spielte einen wunderbaren Gitarrenpart für „The Morning Fog“ ein – klare schimmernde Töne wie Tautropfen, wie eine Knospe, die sich zur Blüte öffnet“ [1, S. 276]. Dem ist kaum etwas hinzuzufügen.

Schauen wir auf den Text, so scheint alles diese helle und positive Botschaft eines Happy Ends zu untermauern. Der Morgen ist gekommen, die Heldin ist gerettet und an Land gebracht: „I’m falling / And I’d love to hold you know / I’ll kiss the ground / I’ll tell my mother / I’ll tell my father / I’ll tell my loved one / I’ll tell my brothers / How much I love them“ [2]. Die Biographen lassen es dabei bewenden und wir könnten es uns leicht machen und mit einer weiteren Analyse aufhören. Aber ist der positive Schluss wirklich so eindeutig? Sam Liddicott zum Beispiel äußert in einem sehr lesenswerten Essay [9] Zweifel. Für ihn besteht Unklarheit darüber, ob es sich um eine Rettung handelt, es sich um eine Vision der Frau handelt oder ob hier ihr Geist aus dem Jenseits spricht. Im Folgenden will ich versuchen, mich einer Klärung dieser Frage zu nähern. Sicher ist, dass es keine Eindeutigkeit gibt. Der Text sagt nichts aus über die Umstände dieser Rettung. Es könnte also sein, dass dies ein Wahn, eine Wunschvorstellung, eine Nahtoderfahrung ist. Die oben zitierten letzten Zeilen zeigen vielleicht eine Wunschvorstellung an. Die Protagonistin möchte, dass diese Dinge geschehen. Sie möchte ihren geliebten Personen sagen, wie sie sich fühlt. Kate Bush spricht 1985 davon, dass dieser Song ein Song der Hoffnung und des Lichts ist: „Morning Fog“ is the symbol of light and hope. It’s the end of the side, and if you ever have any control over endings they should always, I feel, have some kind of light in there“[7]. Das gibt keine Hinweise auf unsere Fragestellung, sie sagt nur, dass es ein positiver Schluss ist. Aber das Hinübergehen in den Himmel ist ja auch eine positive Wendung bzw. kann es sein.
Im Jahr 1992 ist Kate Bush dann schon eindeutiger beim positiven Schluss und neigt der Rettungstheorie zu: “Well, that’s really meant to be the rescue of the whole situation, where now suddenly out of all this darkness and weight comes light. You know, the weightiness is gone and here’s the morning, and it’s meant to feel very positive and bright and uplifting from the rest of dense, darkness of the previous track. And although it doesn’t say so, in my mind this was the song where they were rescued, where they get pulled out of the water. […] And it was also meant to be one of those kind of „thank you and goodnight“ songs. You know, the little finale where everyone does a little dance and then the bow and then they leave the stage“ [6]. Aber ganz deutlich sagt sie, dass dies nicht im Text steht: „And although it doesn’t say so, in my mind this was the song where they were rescued […]“.
In den „Before the Dawn“-Shows im Jahr 2014 gab es ein noch eindeutigeres Ende: Die hoffnungslose Situation löst sich auf. Die Protagonistin wird lebend aus dem Wasser gezogen. Eine glückliche und triumphale Auflösung für das Publikum! Wieder könnten wir nun aufhören. Aber die Fragestellung ist für mich immer noch nicht befriedigend geklärt. Im Laufe der Zeit hat sich offenbar Kate Bush immer klarer dafür entschieden, die Geschichte positiv mit einer Rettung enden zu lassen. Aber war dies im Moment der Komposition auch schon so eindeutig? Ist da nicht trotzdem immer noch diese zweite, dunklere Ebene? Und wird Kate Bush nicht VOR diesem Song in den Shows wie in einem Totenzug von der Bühne getragen? Sam Liddicott [9] wirft in den Raum, dass Kate Bush als erste Zugabe in der Konzertreihe ausgerechnet „Among Angels“ brachte und dann „Cloudbusting“. Spielt das auf die Möglichkeit an, dass die Heldin im übertragenen Sinne unter Engeln ist und sich ganz am Ende in den Wolken befindet? Hier muss aber hinzugefügt werden, dass diese Zugaben nicht direkt auf „The Morning Fog“ folgen.
Schaut man sich die Suite „The Ninth Wave“ insgesamt an, so wird die Stimmung im Laufe der Suite immer dunkler. Mir jedenfalls geht es so, dass ab „Watching You Without Me“ alles offen für Interpretationen ist. Das Lied handelt von geliebten Menschen, die darauf warten, dass die Protagonistin nach Hause kommt, ohne zu wissen, wo sie ist. Die Protagonistin ist wie eine unsichtbare Präsenz da, wie ein Geist. Für mich kippt hier die Geschichte. Dies könnte der Punkt sein, an dem sie dem unerbittlichen Schrecken der Wellen zu erliegen beginnt.  Es könnte sein, dass alles danach, also insbesondere „Hello Earth“ und „The Morning Fog“, ein Todestraum ist, ein Beobachten aus dem Himmel heraus. Ist die Protagonistin am Ende von „Hello Earth“ in einer Art Himmel angekommen?
Das ist eine Frage, die sich anhand des Textes und der musikalischen Gestaltung vielleicht einfacher beantworten lässt. Lassen sich hier textliche Indizien für das Hinübergehen in eine andere Welt finden? Das Ende von „Hello Earth“ beginnt mit den Worten „Why did I go? / Why did I go?“ [2]. Die Protagonistin stellt sich die Frage, warum sie gehen muss. Das klingt nach einer Erkenntnis im Moment des Todes. Dann kommt diese ganz außerordentliche Passage mit dem deutschen Text: „Tiefer, tiefer / Irgendwo in der Tiefe gibt es ein Licht“ [2]. Ich nehme das wörtlich: Die Protagonistin sinkt hinab in die Tiefe, auf ein geheimnisvolles Licht zu, das könnte das Ertrinken und das Hinübergehen in eine andere Welt sein. Die letzten Worte sind „Go to sleep little earth“ [2], ein Abschied von der Welt. Ohne Akkorde verdämmert, erstirbt „Hello Earth“ auf einem hohen Cis, dem Kernton dieses Songs.
„Hello Earth“ spricht also von Text und musikalischer Gestaltung her für die These des Übergangs in ein Totenreich, in einen Himmel. Gibt es auch in „The Morning Fog“ dafür Indizien? Unser Song beginnt dann richtig laut nach diesem ganz leisen, verlöschenden Ende von „Hello Earth“. Es beginnt mit „The light / Begin to bleed / Begin to breathe / Begin to speak“ [2]. Fasst man dies mit dem Schlusstext von „Hello Earth“ zusammen, dann kann dies so gelesen werden, dass das Licht in der Tiefe erreicht wurde und dass dieses Licht wie eine überirdische Erscheinung zu sprechen beginnt. Ist das eine Engelserscheinung am Tor zum Himmel? Und dann wird die Protagonistin laut dem Text wiedergeboren: „I am falling / […] Being born again / Into the sweet morning fog“ [2]. Wer in die Tiefe hinabsinkt und dort ein sich auftuendes Licht sieht, der ertrinkt. Es gibt hier im Text nichts, das etwas anderes aussagt. Und woher fällt sie? Auf den rettenden Strand kann sie ja aus dem Meer nicht gefallen sein. Hat sie eine überirdische Macht aufgenommen und setzt sie nun in einem himmlischen Gefilde ab?

Schauen wir nun zusätzlich auf die verwendeten Symbole. Die „Morgenröte“ ist ein Symbol für Hoffnung, Neubeginn und reichhaltige Chancen zur Erfüllung der eigenen Persönlichkeit [4]. Das passt zu Wiedergeburt jeder Art, also sowohl zum Übergang in den Himmel als auch zu einer Rettung. Das zweite Symbol ist für mich verräterischer. Fragt sich eigentlich niemand, warum im Titel dieses Songs ausgerechnet der Nebel vorkommt? Warum kommt im Titel nichts mit „Rettung“ vor? Der Nebel bildete „in vielen Mythologien einen Schleier über den Übergang zum Jenseits“ [5]. Auch dies spricht für mich eher für die Himmelsübergangs-Theorie. Schauen wir jetzt einmal genauer auf die musikalische Gestaltung, da lassen sich weitere Indizien finden. „The Morning Fog“ ist in einem flotten 4/4-Takt gehalten, es gibt nur Dur-Akkorde , die Tonart ist ein eindeutiges E-Dur [2]. Nach viel cis-Moll in „Hello Earth“ ist dies eine Art „Erlösung“ in der Dur-Parallele E-Dur [2]. E-Dur ist aber eigentlich nur ein „aufgehelltes“ cis-Moll, das ist kein grundsätzlicher Wandel. Es ist nur eine Stimmungsnuance. Bei einer Rettung würde ich eine ganz andere Tonart erwarten, um dies klar und deutlich abzugrenzen. Aber das fehlt, es gibt nur mehr Licht.
Die Songstruktur ist einfach, es gibt zwei Takte zu Beginn, dann ein sich beständig wiederholendes Akkordschema [2]. Es ist eine konstante Abfolge der Akkorde E-Dur – A-Dur – H-Dur – A-Dur. Reines E-Dur ist das, Tonika – Subdominante – Dominante – Subdominante [2]. Volkmar Kramarz nennt diese Akkordfolge die „Dur-Formel“ [8], es ist eine Vereinfachung des Blues-Schemas [8]. „Die Dur-Formel lässt sich gut einsetzen bei Songs, die betont kompakt und übersichtlich sind, die zum Mitsingen und Mitmachen einladen, die eine eingängige Hookline haben oder die Spaß und Stimmung bringen sollen“ [8]. Es ist eine Akkordfolge, die Leben hereinbringt: „Sehr gut geeignet sind Songs mit diesem Muster daher übrigens als Zugaben oder als Songs, die mal wieder richtig Schwung in den Laden bringen sollen.“ [8] Das entspricht genau den Intentionen von Kate Bush: „And it was also meant to be one of those kind of „thank you and goodnight“ songs. You know, the little finale where everyone does a little dance and then the bow and then they leave the stage“ [6]. Rettung oder Himmelsübergang, das passt zu beiden Deutungen.
Interessanter ist es mit den beiden Takten zu Beginn, vor dieser wiederkehrenden Akkordfolge. Im ersten Takt haben wir den H-Dur-Akkord, dazu die Melodietöne Fis – H (abwärts) [2]. Im zweiten Takt haben wir den A-Dur-Akkord, dazu die Melodietöne E und H (abwärts) [2]. Es ist sehr ungewöhnlich, dass ein Song nicht mit dem Kernakkord der Haupttonart, also dem E-Dur-Akkord, beginnt, der taucht erst im dritten Takt auf. Der zweite Takt ist in E-Dur (H ist die Dominante, A die Subdominante), aber der erste Takt kann als reines H-Dur (Fis ist die Dominante) interpretiert werden. Der Schlusstakt des Songs ist identisch mit dem Anfangstakt (reines H-Dur) [2], die Akkordfolge bricht auf H-Dur ab. Es fehlt ein Takt mit dem E-Dur-Akkord, um „The Morning Fog“ richtig in der Tonart abzuschließen. Das ist sehr ungewöhnlich, es ist ein offenes Ende. Anfang und Ende sind also lesbar so, als ob sie in einer anderen Tonart geschrieben worden wären, einer Tonart, die dazu noch ständig in der durchlaufenden Akkordfolge präsent ist. Schauen wir auf die Tonartenbedeutung gemäß Beckh [3], so passt E-Dur perfekt zum Song. E-Dur ist „Herzenswärme, Herzensinnerlichkeit, Liebeswärme“. Es hat aber auch „[…] die Helligkeit einer ganz anderen Welt, einer Welt der Träume, des Dichterischen, der höheren Bilderschau, in der wir der gewöhnlichen Tageswelt gänzlich entrückt sind“ [3]. Das ist für beide Deutungen offen.
Bei H-Dur ist es aber spannender. Diese Tonart ist „nicht mehr ganz im Irdischen, enthält einen verklärten Nachglanz dieses Irdischen und damit zugleich die Vorahnung des Hinübergehens“ [3]. Sie ist „ein Überirdisches oder nicht mehr im gewöhnlichen Sinne Nur-Irdisches, ein Höheres, das den Jammer des Irdischen wiederum verklärt und erlöst“ [3]. Kate Bush ist eine Meisterin der Tonarten, Beckh hat zu H-Dur eine ganz klare Meinung: „Und vollends von H-Dur wissen alle wahren, am Tonartenverständnis teilhabenden Tondichter, daß man diese ganz außerordentliche, so hoch über dem Irdischen liegende Tonart eigentlich nur ganz selten, dann aber auch so, daß sie etwas ganz bedeutsames ausdrückt, verwendet“ [3]. Schaut man auf das (subtil versteckte) Gewicht, dass Kate Bush der Tonart H-Dur hier verleiht und schaut man auf diese Tonarten-Bedeutung, dann neigt sich für mich die Waagschale doch der Himmelsübergangs-Theorie zu. Aber das ist meine Interpretation.
Ich habe das Gefühl, dass Kate Bush den letzten Track offen lassen wollte. Es gibt keine wirkliche Bestätigung, dass die auf See gestrandete Frau gerettet wurde. Es gibt auch keinen direkten Hinweis darauf, dass sie gestorben ist oder einfach von allem geträumt hat. Es lassen sich im Song Hinweise finden, die für den Tod und eine Auferstehung im Himmel sprechen – aber eindeutig ist es nicht. Kate Bush sagte im Interview von 1992 [6], dass es eine Rettung gibt, aber ich glaube, das war eher, um eine Antwort zu geben und den Menschen ein Gefühl der Aufmunterung zu geben. 
Das ist das unglaublich Faszinierende an „The Ninth Wave“ und damit auch an „The Morning Fog“: Es gibt keine Wahrheit oder klare Antwort. Wie bei einigen großartigen Filmen bleibt ein Hauch von Mysterium. Man denkt, man hat alles verstanden, aber sicher sein kann man sich nicht. Das ist das Großartige an der Musik von Kate Bush: sie ist ein Mysterium. Und hier, bei „The Morning Fog“, da sehen wir einen Ozean voller Geheimnis, voller Doppeldeutigkeit, ein wahres, nicht entschlüsselbares Mysterium. Ich liebe Kate Bush dafür, dass sie uns so etwas zu Füßen legt. © Achim/aHAJ

[1] Graeme Thomson: Kate Bush – Under the Ivy. Bosworth Music GmbH. 2013.
[2] „Kate Bush Complete”. EMI Music Publishing / International Music Publications. London. 1987. S.120ff (The Morning Fog) und S.95ff (Hello Earth)
[3] Hermann Beckh: Die Sprache der Tonart in der Musik von Bach bis Bruckner. Verlag Urachhaus. Stuttgart 1999. S.263ff (E-Dur) und S.171ff (H-Dur)
[4] Günther Harnisch: Herders großes Traumlexikon. Erftstadt 2007. Verlag HOHE Gmbh. S.233
[5] Leonard Reiter: Symbole in Märchen, Mythen und Therapie. Thüngersheim 2010. Vierte, erweiterte Auflage. Verlag Leonard Reiter. S.271
[6] Richard Skinner: Classic Albums interview: Hounds Of Love. Radio 1 (UK), 26. 01.1992
[7] „Hounds Of Love Songs“. Kate Bush Club, Issue 18. 1985
[8] Volkmar Kramarz: Die Popformeln. Die Harmoniemodelle der Hitproduzenten. Bonn 2006. Voggenreiter Verlag. S.117
[9]  https://www.musicmusingsandsuch.com/musicmusingsandsuch/2022/8/27/feature-kate-bushs-hounds-of-love-at-thirty-seven-the-ninth-wave-the-rescue (gelesen 15.01.2023)

Andrew Powell über Houdini und Never For Ever

Kate 1978 beim Tokyo Music Festival. Im Hintergrund sieht man als Dirigenten Andrew Powell, der sie nach Japan begleitet hat.

Auf seiner Internetseite hat Andrew Powell jetzt verraten, dass es eine Alternativversion des Songs Houdini vom Album The Dreaming gab. Powell hatte 1978 und 1979 die beiden ersten Alben von Kate, The Kick Inside und Lionheart produziert. Im Vorfeld hatte er schon auf Bitten von David Gilmour drei Songs von Kate produziert: The Kick Inside und Berlin, das sich unter dem Titel The Saxophone Song auf TKI wiederfindet, und den Song Humming, der erst 2018 veröffentlicht wurde. Nach Lionheart gingen Powell und Kate getrennte Wege, vor allem, weil Kate ihre Alben selbst produzieren wollte. Bei The Dreaming gab es dann aber für den Song Houdini eine erneute Kooperation.

„Sie hat mich angerufen und mich gebeten, ein Orchester-Arrangement für sie zu schreiben“, erinnert sich Powell. Kate sei mit dem Backing-Track und der Richtung des Songs unzufrieden gewesen. Also wurde im Abbey Road Studio der Orchester-Part neu eingespielt und auch ein Großteil des Songs neu aufgenommen. Powell: „Es war ein ziemlich großes Orchester – die Originalversion des Songs war viel größer und ‚pompöser‘ – die neu aufgenommene Version war viel intimer. Also passte mein Mega-Liszt-artiges Arrangement nicht mehr zu den neuen Aufnahmen.“ Einen Teil der von Powell komponierten Passagen hat sie weiterverwendet, neue Passagen wurden dann von Dave Lawson komponiert, weil Powell zu dem Zeitpunkt in Amerika war. Ob Powell noch über die Bänder mit der Alternativ-Version verfügt, ließ er offen. Vermutlich aber besitzt er noch Aufnahmen des Songs Never For Ever, über den Powell an anderer Stelle auf seiner Seite verrät, dass es vielleicht das beste Arrangement gewesen sei, das er je für einen Song von Kate geschrieben habe. Powell: „Es war eine wunderschöne Ballade – Kate sang sie am Klavier – es war nur für Kate mit Klavier, ohne Rhythmusgruppe, aber mit einem großen Streichorchester. Wir haben Kate in den Superbear Studios in Südfrankreich aufgenommen und die Orchesterparts in den ursprünglichen AIR-Studios in London.“

Andrew Powell

Dass es der Song nicht aufs Album schaffte, hat einen ungewöhnlichen Grund: Kate war laut Powell mit ihrer Stimme nicht zu 100 Prozent zufrieden. Warum sie den Song später nicht neu eingesungen hat, bleibt unklar. Überraschend ist auch, dass der Song Never For Ever nicht etwa fürs gleichnamige Album gedacht war, sondern für Lionheart. Powell: „Es war wahrscheinlich mein Lieblingssong, den wir für das Lionheart-Album aufgenommen haben. Ähnlich wie bei Humming würde Powell sich freuen, wenn das Lied doch noch irgendwann veröffentlicht werden würde: „Ich wünschte, das Lied könnte irgendwann das Licht der Welt erblicken. Es war ein großartiges und sehr intimes Lied.“ Das bestätigt er auch noch mal an anderer Stelle auf seiner Seite: „Wir haben den Song während der Sessions für das Album Lionheart aufgenommen. Es war ein wunderschönes Lied – und eines meiner liebsten Orchesterarrangements von allen, die ich für Kate gemacht habe. Aber sie war nie wirklich glücklich mit ihrer Gesangsdarbietung bei dem Lied. Eine große Schande. Es wurde also nie veröffentlicht. Der Titel gefiel ihr offensichtlich, da sie ihn für das nächste Album verwendete.“ Bei der Frage, was mit dem Song passiert ist und ob er ihn jemals veröffentlichen wird, antwortet Powell natürlich mit dem Satz, dass man da Kate fragen müsse und eine Veröffentlichung nicht an ihm liege. Das lässt zumindest die Vermutung zu, dass Powell noch Kopien der Aufnahmen von damals besitzt.

Kate erneut für Hall of Fame nominiert

Kate ist wie in 2022 erneut für die Rock’n’Roll Hall of Fame nominiert worden. Seit 2018 ist es inzwischen die vierte Nominierung in diesem Jahr. Im Mai wird dann eine Jury über die Aufnahme entscheiden, die entsprechende Zeremonie in Cleveland findet dann im Herbst statt. Weil Kate in den USA bisher weitestgehend unbekannt ist, hatte sie bei früheren Nominierungen auch beim Publikumsvoting eher schlecht abgeschnitten. Das könnte in diesem Jahr erstmals anders sein. Nach ihrem Erfolg mit Running Up That Hill, der es in den USA im vergangenen Jahr immerhin bis auf Platz 3 der Charts geschafft hat und der auch in den USA zu den meist gestreamten Songs in 2023 gehörte, dürften ihre Chancen, in die „Ruhmeshalle“ der Musik aufgenommen zu werden, gestiegen sein. Neben Kate gehören unter anderem George Michael, Joy Division /New Order, Cyndi Lauper, Iron Maiden, Missy Elliot, Sheryl Crow, Willie Nelson und Rage Against The Machine zu den nominierte. Aktuell liegt beim Fan-Voting nach knapp 150.000 Stimmen Cyndi Lauper vorne, Kate befindet sich nur auf Platz 11. Zum Voting geht es hier entlang.

Das Song-ABC: James And The Cold Gun

„James And The Cold Gun“ ist ein Song vom Debütalbum „The Kick Inside“, den das Publikum nicht so im Blick hat. Graeme Thomson hat Recht damit, dass er „ein ordentlicher Rocksong mit viel Dramatik ist, [der] das Album vielseitig macht und besonders live zu Leben erwacht“ [1, S. 121]. Viel mehr Aufmerksamkeit wird dem Song von den Biographen leider nicht geschenkt, was unverdient ist (dazu später mehr). Interessant ist für die Biographen die Geschichte des Songs.
Kate Bush hat „James And The Cold Gun“ Anfang der siebziger Jahre geschrieben [4]. Offenbar wurde hier die Melodie einer noch früheren Komposition „Pick the rare flower“ genommen und mit einem neuen Text versehen [1, S.88]. Als Kate Bush zu Beginn ihrer Karriere mit ihrer „KT Bush Band“ in Pubs auftrat, gehörte das Lied zu den Rennern. Er eignet sich mit seinem vorwärtstreibenden 4/4-Takt [2] auch wunderbar für Liveauftritte. Auf dem Debütalbum ist er eindeutig der rockigste Track, der geradezu danach ruft, auf einer Bühne präsentiert zu werden. Er hat eine gewisse Fröhlichkeit und Leichtigkeit, die dafür genau richtig ist.
Der Song sollte nach dem Willen der EMI die erste Single von Kate Bush werden [1, S.120], der Plattenfirma erschien dies wohl gerade wegen der Eingängigkeit als die beste Wahl. Ich kann dies nachvollziehen: wenn man eine neue Künstlerin der Welt vorstellen will, dann versucht man etwas Zugängliches zu nehmen. Aus Sicht einer Plattenfirma wäre die Chance da gewesen, dass der Song in den Charts gut abgeschnitten hätte. Ich glaube aber, dass es keine gute Entscheidung gewesen wäre. „The Kick Inside“ ist voll mit unkonventionellen, überraschenden Songs, man hätte mit einer Rocknummer wie „James And The Cold Gun“ falsche Erwartungen erweckt. Er ist nun einmal viel konventioneller klingend als der Rest. Nein, es war gut, dass sich Kate Bush mit „Wuthering Heights“ gegen EMI durchgesetzt hat, dem wohl unkonventionellsten aller Debüts überhaupt. Kate Bush begründet ihre Entscheidung sehr klar so: „I felt that to actually get your name anywhere, you’ve got to do something that is unusual, because there’s so much good music around and it’s all in a similar vein. It was, musically, for me, one of my strongest songs. It had the high pitch and it also had a very English story-line which everyone would know because it was a classic book.“ [5]

Für mich nicht ganz nachzuvollziehen ist aber, warum „James And The Cold Gun“ dann keine Folgesingle geworden ist. Er hätte Erfolg gehabt, hätte eine ganz andere Seite von Kate Bush gezeigt. Manchmal ist die Musikwelt eben ein Rätsel. Aber vielleicht ist der Song wirklich live am besten aufgehoben. Es ist ein Song für das Kneipenpublikum, passend zu Marvin Gaye und den Rolling Stones [1, S.97]. Der Auftritt dazu wurde mit Trockeneismaschine und Gewehrattrappen aufgepeppt. [1, S.97]. Brian Bath, Mitglied der „KT Bush Band“, schildert den Auftritt eindrücklich: „Rob got a dry ice machine from somewhere. We used that on stage for ‚James And The Cold Gun‘ and it looked great. We had a bit of a show going! Kate did a costume change, she’d put on a bloomin‘ Western cowgirl dress for the second set! The theatrical thing was starting to get there“ [4]. Auch bei Del Palmer hinterließ der Auftritt bleibende Eindrücke: „She was just brilliant, she used to wear this big long white robe with coloured ribbons on or a long black dress with big flowers in her hair. She did the whole thing with the gun and [the audience] just loved it. She’d go around shooting people.“ [4]
In der „Tour of Life“ 1979 wurde der Song mit aufgenommen und diese Bilder wurden fast identisch übernommen, Kate Bush nutzte Elemente dieser Original-Performances von 1977 [4]. Es war unbestritten der Höhepunkt und Schlusspunkt der Show vor den Zugaben. Kate Bush schießt zum Abschluss alle nieder, Graeme Thomson nennt das eine „umwerfende dramatische Verkörperung weiblicher sexueller Macht“ [1, S. 174]. Das ist schon eine interessante Geschichte rund um diesen Song, die Biographen lassen es dabei bewenden. Aber hinter der Leichtigkeit verbergen sich doch überraschend spannende Details, die „James And The Cold Gun“ auf verborgene Weise tiefgründig machen.
Interessant ist der Blickwinkel der Geschichte. James ist nicht da, die Protagonistin singt ihn in Abwesenheit an, zusammen mit vielen weiteren Stimmen im Hintergrund. James ist abwesend, seine Freunde wollen ihn dazu bringen, wieder zurückzukommen: „James come on home“ [2]. Wer ist überhaupt dieser geheimnisvolle James? Darüber kann man viele Spekulationen im Internet finden, es geht von James Bond bis hin zu einem Verweis auf den Thriller „The Day Of The Jackal“ von Frederick Forsyth [6]. Überzeugend ist das nicht, denn daraus spiegelt sich nichts im Song wieder, es gibt kein Echo. Kate Bush behauptet, James sei einfach nur ein Name: „I’ve had lots of letters about this, many from people called James, with plenty of suggestions for identities of the „James“, but the answer is: nobody. When I wrote the song, James was the right name for it“ [7].
Aber vielleicht lässt sich doch eine Inspirationsquelle finden, wenn man sich den Text und die Szenerie des Songs anschaut. Für mich scheint er in einer Art Western-Welt zu spielen. Der Text ist voller Western-Stereotype: da ist Jeannie in ihrem Messingbett, wartend, da ist die Gang, die sich betrinkt: „She’s still a-waiting in the big brass bed / The boys from your gang are knocking whiskey back“ [2]. Also ist James vielleicht ein Echo von Jesse James, dem Western-Outlaw. „James, are you selling your soul to a cold gun?“, das passt dazu. Interessanterweise findet sich das Messingbett mit der wartenden Frau auch im Song „Lay Lady Lay“ von Bob Dylan aus dem Jahr 1969 wieder: „Lay, lady, lay / Lay across my big brass bed“ [9]. Das ist ein Song, den man dem Genre Country zuordnen könnte, auch das passt zum Western-Thema.
Spannend ist, wie Kate Bush nun mit diesem Westernthema umgeht. Der Held ist nicht da, der Held ist abwesend, das ist ungewöhnlich. Jeannie wartet, auch seine Gang, und alle machen dem Helden Vorwürfe: „You’re running away from humanity / You’re running out on reality“ [8]. Im Hintergrund des Songs hört man die Begleitstimmen, von Kate Bush gesungen, die in den Rollen der unterschiedlichen Figuren schimpfen [1, S.111].

Christine Kelley hat es in einem Essay über diesen Song [8] gut erkannt: Kate Bush beschreibt einen Western, der von seinem Helden verlassen wurde und präsentiert uns in „James and the Cold Gun“ ein Genre, das mangels eines Protagonisten auseinanderfällt. Ohne den Helden ist kein Licht: „You left us to fight / But it just ain’t right to take away the light“ [2]. Auf leichte, lockere und doch dunkle Art hat Kate Bush einen Western um 180 Grad gewendet – und fast niemand hat es je bemerkt. Die Gestaltung der Tonarten passt zu dieser hintergründigen Dunkelheit. Der Song ist in b-Moll notiert [2]. Auf „Jeannie“ wechselt die Tonart im Chorus auf die Paralleltonart Des-Dur. Zum Schluss des Songs wechseln sich b-Moll- und Des-Dur-Akkorde ab, es endet auf b-Moll [2]. Nach Beckh [3] ist b-Moll eine ganz düstere Tonart, es ist die „Todestonart“, die „Tonart des Sterbens“. In Des-Dur kommt „ein sinnliches Element, eine gewisse sinnliche Süße“ dazu [3]. „Ein eigenartiger Abgrund zwischen Höhe und Tiefe scheint sich innerhalb dieser Tonart aufzutun“ [3]
Die Verwendung der Tonarten bei Kate Bush ist wie immer verblüffend. James scheint ganz klar in einer Welt des Todes zu leben. Die Welt seiner verlassenen Freunde steht dagegen in der Parallelen Dur-Tonart, ist süßer, verlockender, lebendiger – aber es ist einfach nur die Todeswelt etwas aufgehellt. Der Western ist ohne seinen Helden tot, ist eine Hülle. Kate Bush hat den Helden herausgedrängt und füllt dessen Welt mit dunklen Phantasien. Es ist fast witzig, dies einem mittanzendem Kneipenpublikum unterzujubeln. Graeme Thomson meint, dass „James And The Cold Gun“ „[…] ein wenig platt und formelhaft aufgebaut ist“ [1, S. 121]. Ich gebe ihm nur insoweit Recht, dass der Song vordergründig leicht zugänglich und fröhlich ist. Aber der Text und die Tonarten sprechen eine andere Sprache. Schaut man hinein in einen Song von Kate Bush, so findet man immer etwas Tiefes, Dunkles, Ungewöhnliches – so wie hier auch. Hier muss man bloß etwas länger schauen und sich aus dem Pub hinaus ins Dunkle begeben. © Achim/aHAJ

[1] Graeme Thomson: Kate Bush – Under the Ivy. Bosworth Music GmbH. 2013.
[2] „Kate Bush Complete”. EMI Music Publishing / International Music Publications. London. 1987. S. 106f
[3] Hermann Beckh: Die Sprache der Tonart in der Musik von Bach bis Bruckner. Verlag Urachhaus. Stuttgart 1999. S. 232ff
[4] https://www.katebushencyclopedia.com/james-and-the-cold-gun (13.01.2023 gelesen)
[5] Harry Doherty: „The Kick Outside“, Melody Maker, 03.06.1978
[6] https://genius.com/Kate-bush-james-and-the-cold-gun-lyrics (gelesen 28.08.2022)
[7] Kate Bush Club, Ausgabe 11/1979, http://gaffa.org/cloud/music/james_and_the_cold_gun.html (gelesen 13.01.2023)
[8] https://www.eruditorumpress.com/blog/james-and-the-cold-gun (gelesen 12.01.2023)
[9] http://www.bobdylan.com/songs/lay-lady-lay/ (gelesen 13.01.2023)

Versteckte Nachrichten von Kate

Das Lyrik-Buch „How to be invisible“ mit ausgewählten Songtexten von Kate wird am 6. April in England und am 9. Mai in den USA in einer Taschenbuch-Auflage im englischen Verlag Faber & Faber erscheinen – etwas mehr als vier Jahre nach dem Erscheinen der gebundenen Ausgabe. Für die Paperback-Version hat Kate eigens ein neues Vorwort geschrieben. Das neue Cover stammt von Jim Kay. Kay ist freier Illustrator und hat vor allem für die Schmuckausgaben der Harry Potter-Reihe die Illustrationen entworfen. Potentiell dürfte er im neuen HTBI-Cover auch das KT-Symbol verarbeitet haben. Neben dem neuen Vorwort von Kate gab es aber noch eine weitere Besonderheit: Am Tag der Bekanntgabe der Veröffentlichung konnte (ausschließlich in England) eine limitierte Anzahl von signierten Büchern vorbestellt werden. Zudem hat Kate in einem weiteren Teil dieser signierten Ausgaben eine mit unsichtbarer Tinte geschriebene Nachricht hinterlassen, die nur vor ultraviolettem Licht sichtbar wird. Das Buch wird in England 10,99 Pfund kosten. Bei Amazon Deutschland kann man es für 13,50 Euro vorbestellen. Laut Amazon würde es dann ab dem 17. oder 18. April verschickt, also knapp zwei Wochen nach dem Erscheinen in England.  

Zum Tod von Jeff Beck

Mit einem Tweet hat Kate auf ihrer Webseite auf den Tod von Jeff Beck reagiert. „I’m heartbroken to hear the news. Jeff was a real one-off, He was so adorable and funny – incredibly lovable.  He was one of the greatest guitarists the world has ever known. We’ve lost one of our brightest stars and the heavens now have one of our heroes“, schreibt sie. Beck ist am Mittwoch unerwartet nach einer Erkrankung im Alter von 78 Jahren verstorben. Er galt als einer der größten Gitarristen, war achtfacher Grammy-Gewinner und hat mit Musikern wie Jimmy Page, Rod Stewart, Roger Waters und Jon Bon Jovi zusammengearbeitet. Bereits in den 1960er Jahren spielte Beck für die Yarbirds – als Nachfolger von Eric Clapton. Jimmi Page (Led Zeppelin) spielte teilweise zeitgleich mit Beck in der Band. Für Kate hat Jeff Beck bei dem Stück You’re The One vom 1993er Album The Red Shoes die Gitarre gespielt – mit dabei am Bass war John Giblin (Simple Minds) und Gary Brooker (Procul Harum) an der Hammondorgel. An dem Song wirkte auch das Trio Bulgarka mit. Auf diese spezielle Kooperation war Kate bereits nach Erscheinen des Albums in einem Beitrags für ein Fan-Magazin eingegangen: „I love Jeff Beck’s guitar on this song – he is a big fan of The Trio (Bulgarka) and was very keen to work with their melodies in the song. The idea was for him to gradually ’step into‘ the track and slowly make his presence felt, to end with an outspoken solo. I was really honoured to work with all the people on this album…”

Happy Birthday

Der erste Beitrag war kurz. Gerade mal fünf Sätze mussten reichen um zu erklären, was auf der neuen Seite morningfog.de rund um Kate passieren sollte. Das war wenige Tage vor Weihnachten 2012 – also vor zehn Jahren. Die Idee damals: diese Präsenz sollte als Partnerseite des The Morning Fog-Forums eine neue Anlaufstelle für deutschsprachige Kate-Fans bieten, weil die frühere Seite katebush.de kurz zuvor aufgegeben worden war. Das Forum gibt es immer noch, aber Foren oder Blogs funktionieren seit Twitter und Facebook lange nicht mehr so wie früher. Sie funktionieren einfach anders. In diesem Fall: 800 Beiträge in zehn Jahren ist nicht wirklich schlecht und über die Zahl von fast 2,7 Millionen Seitenbesuchen kann man sich mehr als nur freuen. Sie sind der Beleg dafür, dass die Seite zur stetigen Anlaufstelle für Kate-Fans geworden ist. Dazu haben viele Menschen beigetragen – von Achim über Beate, Micha, und Eberhard oder Andreas und vielen weiteren, die mich immer wieder auf spannende Themen hingewiesenhaben oder einfach auch als Gesprächspartner zur Verfügung standen. Das war nämlich von Anfang an auch ein wichtiges Anliegen dieser Seite: nicht die vollständigen Listen, wann wo welche Singles/Alben erschienen sind, sollten im Vordergrund stehen. Dafür gibt es bessere Seiten. Ziel war immer, Lust auf die Musik von Kate Bush zu wecken und zu teilen. Und gerade in diesem Jahr ist mit dem Erfolg von Running Up That Hill deutlich geworden, dass insbesondere junge Menschen für die Musik von Kate begeistert werden können. Und für sie gibt es so viel mehr als RUTH zu entdecken… Man stelle sich das mal vor: Man kennt nur RUTH und hört zum ersten Mal Songs wie Breathing, Aerial, Get Out Of My House, The Man With The Child In His Eyes oder Rocket’s Tail – wundervoll. Entdecken kann mal das Kate-Universum in vielen Einzelheiten genau hier – und das schon seit zehn Jahren und bestimmt auch noch für ein paar weitere Jahre. Also: Happy Birthday, morningfog.de und als verspätetes Geburtstagsgeschenk darf es dann 2023 gerne ein neues Album von Kate geben.

Frohe Weihnachten!

Auch in diesem Jahr gibt es wieder eine Weihnachtsbotschaft von Kate – erneut garniert mit dem Foto eines kleines Vogels. War es im letzten Jahr das Bild eines Goldhähnchens, können wir 2022 ein Rotkehlchen sehen. Angesichts der Ereignisse in der Welt ist Kate Botschaft sehr nachdenklich: „Ich glaube niemand von uns hat jemals ein Jahr wie dieses erlebt“, schreibt sie und merkt an, dass das Leben schon in der Pandemie sehr beängstigend geworden sei und es nahezu immer so weitergehe: „Es ist ein Bombardement – der entsetzliche Krieg in der Ukraine, die Hungersnöte, die Dürren, die Überschwemmungen … und wir haben unsere Königin verloren.“ Ihr Tod sei für viele Menschen „zu einem Brennpunkt der Trauer“ geworden, „des unausgesprochenen Verlusts, den so viele Menschen während der Pandemie empfunden hatten“. Ein „crazy, roller coaster year“ sei 2022 für Kate gewesen, ein verrücktes Achterbahnjahr. Pandemie und Krieg auf der einen Seite, der Erfolg von „Running Up That Hill“ auf der anderen Seite. Immerhin hat es RUTH bis auf Platz 1 der englischen, und auf Platz 3 der us-amerikanischen Charts geschafft. „Es war ein großartiges Gefühl zu sehen, dass so viele aus der jüngeren Generation den Song genießen. Es scheint, dass ziemlich viele von ihnen dachten, ich sei ein neuer Künstler! Ich liebe das!“
Und 2023? „Ich hoffe, der Krieg wird enden“, schreibt Kate. Sie hofft, dass die Arbeit der Pflegekräfte im Gesundheitssystem ausreichend geschätzt werden wird. Und sie hofft, dass 2023 besser werden wird als dieses Jahr. Die Hoffnung – „Manchmal ist sie alles, was in den dunklen Zeiten, in denen wir uns gerade befinden, zu leuchten scheint.“ Das Rotkehlchen hat Kate in ihren Weihnachtsgeschenken an Freunde verwendet. „Ich habe dieses Jahr ein kleines Rotkehlchen in einigen meiner Weihnachtsgeschenke an Freunde verwendet. „Ich hatte das Gefühl, dass dieser bescheidene kleine Vogel, der Weihnachten symbolisiert, im Kontext von Emily Dickinsons schönen Worten auch Hoffnung symbolisieren könnte: Hoffnung ist das Ding mit Federn, das in der Seele sitzt. Ich würde gerne daran denken, dass dieses Weihnachten, wenn Freude so schwer zu finden ist, Hoffnung in all unseren Seelen ruhen wird. Frohe Weihnachten!“
Und ja, leider gibt es keinen Hinweis auf neue Musik von Kate in 2023. Das Zitat von Emily Dickinson ist übrigens gekürzt. Im Original heißt es: „Hoffnung ist das Ding mit Federn, das in der Seele sitzt und ohne zu singen singt.“ Seit Aerial höre ich Vögel viel lauter singen, beachte ihre Melodien. Und ich habe die Hoffnung, in 2023 auch wieder Kate singen zu hören… Frohe Weihnachten!

Kate trifft auf Picasso

© Peter Robert Keil
© Peter Robert Keil
von oben: Andy Warhol, Barbara Streisand, Frank Sinatra

Wenn Picasso auf Kate Bush trifft, könnte das so aussehen, wie der deutsche Maler Peter Robert Keil es auf Papier gebracht hat. Kate Bush-Look Portrait heißt das Werk, das am 26. Oktober in der Hill Auction Gallery im kleinen Städtchen Sunrise in Florida versteigert wird. Mindestgebot: 25 Dollar. Erwartet werden Gebote zwischen 100 und 1000 Dollar. Kleiner Schönheitsfehler: Wer außerhalb der USA lebt, kann leider nur indirekt mitbieten.
Keil, der kürzlich seinen 80. Geburtstag feiern konnte, ist in Berlin aufgewachsen, orientierte sich zunächst am Malstil des deutschen Expressionismus, lebte später in Paris und London, wo er seinen Malstil zum Neoexpressionismus fortentwickelte. Im Berlin der 1980er Jahre zählte er zu den „Neuen Wilden“. Bei Wikipedia heißt es dazu: „Die Verwendung intensiver bis greller Farben sowie der Verzicht auf eine realistische Gegenständlichkeit sind seitdem die typischen Merkmale seines Malstils. Die Farbe seiner Bilder ist mit raschen und schnellen Pinselstrichen sowie gelegentlich pastos aufgetragen und die Motive seiner Bilder werden immer wieder durch Graffiti-Elemente zusätzlich verfremdet. Thematisch bevorzugt Keil menschliche Figuren, Porträts, Großstadtszenen, Landschaften und Blumenstilleben. Keils emotionale Malerei wird dabei vor allem getragen von einem Wunsch nach Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen und Konventionen.“
Keil ist bis heute ein äußerst produktiver Maler, der Ateliers in Paris, London, Berlin und in den USA hatte, heute zwischen seinem Wohnsitz in Bayern, Berlin und Los Angeles pendelt. Beeindruckend ist seine Liste von Ausstellungen in den vergangenen 60 Jahren: 1962 konnte er seine Werke in der ersten Einzelausstellung in der Londoner Art Gallery präsentieren, jetzt ist er Artist-in-residence im Xylon Museum in Schwetzingen. Sein Kate Bush-Bild ist in Schwarz, Rot, Blau und Grün auf weißem Grund gemalt und handsigniert. Auf der Rückseite befindet sich der Titel des Bildes. Das Format beträgt etwa 70×55 Zentimeter, das Bild ist ungerahmt und wird wie folgt beschrieben: „Guter Gesamtzustand mit normalem Oberflächenverschleiß.“ Neben Kate gibt es noch weitere Werke von Keil, die in Florida versteigert werden, so beispielsweise Porträts von Andy Warhol, Frank Sinatra, Barbara Streisand, Madonna und Cindy Lauper. Wann das Kate-BIld entstanden ist, bleibt leider unklar.